Stand der Ursachen - Mitteldeutsche Psychiatrietage 2011
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Poster | Forensik<br />
P41<br />
Epidemiologie und Psychopathologie des Amoklaufes<br />
E. Peter, B. Bogerts, Magdeburg<br />
Einleitung: Amok ist die extremste Form schwerer Gewalttaten. Sie ist, obwohl die Medien einen<br />
gegenteiligen Eindruck erwecken, ein seltenes Vorkommnis. Sobald sich jedoch ein Amoklauf ereignet,<br />
publizieren Pressevertreter unzählige Artikel mit Informationen zum Tatablauf, über die Opfer, den Täter<br />
und auch <strong>der</strong>en Familien. Der Sensationsgehalt ist hoch.<br />
Laut Definition <strong>der</strong> Weltgesundheitsorganisation (WHO) versteht man unter Amok eine willkürliche,<br />
anscheinend nicht provozierte Episode mör<strong>der</strong>ischen o<strong>der</strong> erheblich (fremd-) zerstörerischen Verhaltens.<br />
Danach Amnesie (Erinnerungslosigkeit) und/o<strong>der</strong> Erschöpfung. Häufig auch <strong>der</strong> Umschlag in<br />
selbstzerstörerisches Verhalten, d.h. Verwundung o<strong>der</strong> Verstümmelung bis zum Suizid (Selbsttötung).<br />
Angesichts <strong>der</strong> jüngsten Amokläufe wollen wir anhand objektiver Daten <strong>Ursachen</strong> und Erklärungen für<br />
diese spezielle Gewalttat, welche nicht selten mit einer großen Anzahl an – vor allem jungen -Opfern einher<br />
geht, aufdecken.<br />
Methode: Im ersten Teil unseres Forschungsprojektes wollen wir disponierende Faktoren und<br />
Persönlichkeitsmerkmale <strong>der</strong> Täter anhand von Originalakten <strong>der</strong> zuständigen Staatsanwaltschaften mit<br />
Hilfe eines eigens erstellten Erhebungsbogens analysieren. Hierzu wurden Urteile und forensischpsychiatrische<br />
Gutachten <strong>der</strong> Täter herangezogen.<br />
Innerhalb <strong>der</strong> letzten 20 Jahre konnten wir insgesamt 95 pressewirksame Amokläufe innerhalb <strong>der</strong><br />
Bundesrepublik Deutschland ausfindig machen. Grundlage <strong>der</strong> Ergebnisse bilden aktuell Daten aus<br />
Strafakten von 27 Tätern im Alter von 14 bis 63 Jahren.<br />
Ergebnisse: In den letzten 20 Jahren gab es keine Zunahme von Amokläufen in Deutschland, allerdings<br />
eine Zunahme von sog. „school shootings“. 74 Prozent <strong>der</strong> Täter hatten in ihrer Vergangenheit bereits eine<br />
psychiatrische Diagnose, wobei es sich hauptsächlich um affektive Störungen, Angsterkrankungen und<br />
Psychosen handelte. Laut Sachverständigengutachten waren 44 Prozent <strong>der</strong> Täter vermin<strong>der</strong>t schuldfähig<br />
und 26 Prozent schuldunfähig. Häufigste Diagnose <strong>der</strong> Schuldunfähigkeit war „paranoide Schizophrenie“.<br />
Schlussfolgerung:<br />
Nach <strong>der</strong> vorliegenden Analyse lassen sich drei Prototypen von Tätern unterteilen: (1) Jugendliche Täter,<br />
mit jahrelangem Misserfolg in Schule o<strong>der</strong> Ausbildung verbunden mit empfundener Ausgrenzungen und<br />
Suizidgedanken; (2) Täter die an einer paranoiden Psychose litten; (3) Erwachsene Täter mit disponieren<strong>der</strong><br />
Persönlichkeitsstörung, bei denen stabilisierende soziale Faktoren (Trennung von Partnerin, Kündigung des<br />
Arbeitsplatzes, etc.) weggebrochen waren.<br />
Die Analyse zeigt zudem, dass bei einer vorbestehenden Disposition in Form einer Psychose, affektiven<br />
Störung o<strong>der</strong> Sucht-/ Missbrauchserkrankung bestimmte soziale Risikokonstellationen weitere<br />
Teilkomponenten des Bedingungsgefüges sind. Was jedoch letztendlich den Ausbruch dieser massivsten<br />
Form von Gewaltanwendung verursacht, bleibt unklar.<br />
Ausblick:<br />
Neben <strong>der</strong> Untersuchung <strong>der</strong> psychosozialen Hintergründe sollen in einer zweiten Teilstudie<br />
neurobiologische Bedingungsgefüge <strong>der</strong> Amoktäter erkundet werden. Hierzu gehört eine Untersuchung <strong>der</strong><br />
Hirnstruktur mit bildgebenden Verfahren, um eine mögliche hirnbiologische Disposition hierfür zu erkennen.<br />
8. <strong>Mitteldeutsche</strong> <strong>Psychiatrietage</strong> | 105