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Zwischen Arktis Adria und Armenien

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Chronologie einer gescheiterten Prävention 155<br />

cher ist daher die Frage nach dem Warum hinter der gescheiterten Prävention vor<br />

Beginn der ersten R<strong>und</strong>e des Kosovo-Kriegs im Februar 1998 <strong>und</strong> nach dem Fehlschlag<br />

des internationalen Krisenmanagements.<br />

Diese Frage drängt sich auch deswegen auf, weil die Ausgangsbedingungen für<br />

eine Verhütung des 1913 entstandenen <strong>und</strong> seit zehn Jahren eskalierenden Konflikts<br />

4 zumindest in der ersten Hälfte der neunziger Jahre relativ günstig gewesen<br />

waren. Zum einen hat die Staatengemeinschaft Frühwarnsignale durchaus registriert,<br />

darauf gar reagiert, <strong>und</strong> zum anderen sorgte eine der beiden Konfliktparteien,<br />

nämlich die kosovoalbanische, dafür, dass der Konflikt unter der Gewaltschwelle<br />

blieb. Denn im Unterschied zu anderen zentrifugalen Nationalbewegungen Osteuropas<br />

setzte die Führung der Kosovoalbaner nach den Rückschlägen von 1989 <strong>und</strong><br />

1991 bei der Durchsetzung ihres Anliegens nicht auf Gewalt, sondern im Gegenteil<br />

auf Gewaltfreiheit. Dieses Anliegen – äußere Selbstbestimmung in Form staatlicher<br />

Unabhängigkeit – hoffte man durch eine Internationalisierung des Konflikts zu erreichen.<br />

Mit anderen Worten: Das kosovoalbanische Kalkül zielte als Gegenleistung für<br />

den Gewaltverzicht auf eine staatsrechtliche „Belohnung“ durch die Staatengemeinschaft<br />

in Form eines Protektorats als Übergangsstufe zur Unabhängigkeit. Während<br />

die pazifistische Taktik von internationalen Organisationen <strong>und</strong> Großmächten mit<br />

Wohlwollen zur Kenntnis genommen wurde, ignorierte man das politische Anliegen<br />

der Eigenstaatlichkeit. Aufgr<strong>und</strong> dieser einäugigen Wahrnehmung entstand bei<br />

den meisten internationalen Akteuren der Eindruck, das Kosovo-Problem sei nicht<br />

sonderlich dringend, zetteln doch Pazifisten in aller Regel keine Bürger- oder Staatenkriege<br />

an.<br />

Zur Gewaltfreiheit kam ein zweites Moment hinzu, das die zunehmend mit<br />

dem Krieg in Bosnien <strong>und</strong> Herzegowina präokkupierte internationale Gemeinschaft<br />

gleichfalls als Entwarnung bezüglich Kosovo deutete. Dies war die verfassungsrechtliche<br />

<strong>und</strong> praktisch-politische Ausgestaltung dessen, was die Kosovoalbaner<br />

„Republika Kosova“ nannten, einen „Staat im Staate“, der gleichsam im Halbschatten<br />

der offiziellen serbischen Strukturen existierte. Dieser „Parallelstaat“ gab sich<br />

von 1990 an Verfassungsorgane wie Parlament, Präsident <strong>und</strong> Regierung, baute ein<br />

eigenes Steuersystem, ein separates Schulwesen <strong>und</strong> ein privat organisiertes Ges<strong>und</strong>heitssystem<br />

auf. Hinzu kam eine vom Regime in Belgrad weitgehend geduldete breite<br />

albanischsprachige Printmedienlandschaft, während Radio <strong>und</strong> Fernsehen in albani-<br />

4 Zu Vorgeschichte <strong>und</strong> Verlauf vgl. Holm S<strong>und</strong>haussen: Kosovo: „Himmlisches Reich“ <strong>und</strong> irdischer<br />

Kriegsschauplatz. Kontroversen über Recht, Unrecht <strong>und</strong> Gerechtigkeit, in: Südosteuropa 48 (1999)<br />

(im Erscheinen). – Noel Malcolm: Kosovo: A Short History. London, New York, NY, 1998. – Miranda<br />

Vickers: Between Serb and Albanian: A History of Kosovo. London, New York, NY, 1998. – Peter<br />

Schubert: Zündstoff im Konfliktfeld des Balkan: Die albanische Frage. Baden-Baden 1997. – Robert<br />

Elsie (Ed.): Kosovo: In the Heart of the Powder Keg, Boulder, CO, New York, NY, 1997. – Stefan<br />

Troebst: Still Looking for an Answer to the „Albanian Question“, in: Transition, 4/1997, S. 24–27. –<br />

Michel Roux: Les Albanais en Yougoslavie. Minorité nationale, territoire et développement. Paris<br />

1992. – Marco Dogo, Kosovo: Albanesi e Serbi: le radici dei conflitto. Lungro di Cosenza 1992. –<br />

<strong>und</strong> Jens Reuter: Die Albaner in Jugoslawien. München 1982.<br />

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