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Zwischen Arktis Adria und Armenien

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Die DDR im balkanischen Spiegel<br />

[2016]<br />

Wer sich, wie der Autor dieser Zeilen, mit der Geschichte Südosteuropas im Kalten<br />

Krieg befasst, stößt neben den zahlreichen Bezügen zur östlichen Führungsmacht<br />

UdSSR gleichsam automatisch auch auf solche zu deren „Musterknaben“ DDR. Dies<br />

schon deshalb, weil die staatssozialistischen Länder bilaterale Historikerkommissionen<br />

unterhielten, welche die jeweiligen Beziehungsgeschichten in umfangreichen<br />

Jahrbüchern bzw. Buchreihen teils ideologisiert-unkritisch, teils aber klandestin-kritisch<br />

behandelten. So bot etwa die vierbändige Reihe Bălgaro-germanski otnošenija i<br />

vrăzki (Bulgarisch-deutsche Beziehungen <strong>und</strong> Verbindungen) der „Kommission der<br />

Historiker der Volksrepublik Bulgarien <strong>und</strong> der Deutschen Demokratischen Republik“,<br />

erschienen in den Jahren 1972 bis 1989 im Verlag der Bulgarischen Akademie<br />

der Wissenschaften, bulgarischen Zeithistorikern die Möglichkeit, zu brisanten Themen<br />

der Jahre 1941–1944 zu publizieren, in denen Sofija <strong>und</strong> Berlin Verbündete<br />

waren. Das wäre im Zentralorgan der bulgarischen Geschichtswissenschaft Istoričeski<br />

pregled (Historische Umschau) damals schwierig, wenn nicht gar unmöglich<br />

gewesen. Auf der ostdeutschen Seite war die Zensur deutlich schärfer. Dies spiegelt<br />

sich auch im zähen Parteisprech wider, in dem die DDR-Beiträge abgefasst sind.<br />

Zu vermuten ist, dass es in anderen bilateralen Historikerkommissionen zwischen<br />

der DDR <strong>und</strong> ihren „Bruderländern“, mit Ungarn <strong>und</strong> der ČSSR etwa, ähnlich zuging.<br />

Demgegenüber dürfte der Spannungsgrad in den Äquivalenten mit Rumänien<br />

<strong>und</strong> Polen deutlich höher gewesen sein. Eine vergleichend-historiographische Untersuchung<br />

verspricht Ergebnisse, die interessante Rückschlüsse auch auf das bilaterale<br />

politische Klima zulassen dürften.<br />

Überhaupt erweist sich die auswärtige Kultur- <strong>und</strong> Wissenschaftspolitik der DDR<br />

als zu großen Teilen noch unexploriertes Gelände. Dazu sei ein weiteres balkanisches<br />

Beispiel angeführt: Nach dem Tito-Stalin-Bruch 1949 rivalisierten die bulgarische<br />

<strong>und</strong> jugoslawische Diplomatie in den anderen Volksdemokratien heftig bezüglich<br />

der Makedonischen Frage. Im Zentrum stand dabei anfänglich die zwischen beiden<br />

Ländern umstrittene ethnokulturelle Zugehörigkeit der Südslaw(ischsprachig)en unter<br />

den Politemigranten aus dem Griechischen Bürgerkrieg, die in den Jahren 1948<br />

bis 1950 zu Zehntausenden nach Polen, in die ČSSR, nach Ungarn <strong>und</strong> Rumänien<br />

gekommen waren. (In die UdSSR <strong>und</strong> die SBZ/DDR gelangten fast nur ethnische<br />

Griechen.) Sofija bezeichnete diese slavophonen Kriegsflüchtlinge als „Bulgaren“,<br />

Belgrad hingegen als „Makedonier“. Beide Staaten bestanden auf „Rückführung“<br />

dieser Gruppen in ihr jeweiliges Land – das die „Rückzuführenden“ in aller Regel<br />

zuvor nie gesehen hatten. Für die Regierungen in Warschau, Prag, Budapest <strong>und</strong> Bukarest<br />

stellte dies insofern ein Problem dar, als die ideologischen Präferenzen für die<br />

moskautreue bulgarische „Bruderpartei“ partiell über Kreuz mit der Selbstzuschreibung<br />

der „zur gräko-makedonischen Minderheit“ gehörenden Genossen, wie sie in

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