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Zwischen Arktis Adria und Armenien

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Die DDR im balkanischen Spiegel 303<br />

Polen genannt wurde, gerieten. Dieses Dilemma nahm ab Mitte der 1960er-Jahre größere<br />

Dimensionen an, als bulgarische Parteiveteranen <strong>und</strong> -historiker eine ostblock<strong>und</strong><br />

europaweite, gar überseeische Kampagne gegen die in Belgrad <strong>und</strong> Skopje propagierte<br />

Sicht auf die Geschichte der zentralbalkanischen Region Makedonien <strong>und</strong><br />

ihrer Bewohner starteten <strong>und</strong> bis 1989 aufrechterhielten. Während Partei <strong>und</strong> Geschichtswissenschaft<br />

in Ungarn den bulgarischen Standpunkt unterstützten, schlugen<br />

sich Funktionäre, Medien <strong>und</strong> Historiker Polens auf die Seite Jugoslawiens <strong>und</strong> seiner<br />

Teilrepublik Makedonien. Der DDR gelang es bemerkenswerterweise nicht nur,<br />

eine Positionierung in dieser heiklen Frage zu vermeiden, sondern überdies gute Kultur-<br />

<strong>und</strong> Wissenschaftsbeziehungen zu beiden Streithähnen aufrechtzuerhalten. Zwar<br />

war Sofija die Existenz eines Lektorats für makedonische Sprache <strong>und</strong> Kultur an der<br />

Universität Halle ebenso ein Dorn im Auge wie die engen Kooperationsbeziehungen<br />

zwischen der Sektion Geschichte der Karl Marx-Universität Leipzig <strong>und</strong> dem Institut<br />

für Nationalgeschichte in Skopje, doch gefährdete dies nicht das bilaterale Verhältnis<br />

zu Ost-Berlin bezüglich Kulturaustausch, Universitätspartnerschaften oder gemeinsamen<br />

Konferenzen von Philologen, Historikern, Archäologen u. a. Zu vermuten<br />

steht, dass sich die DDR erfolgreich auf das sowjetische Beispiel berief. Denn ungeachtet<br />

des Vasallenverhältnisses Sofijas zu Moskau gab es an der Lomonosov-<br />

Universität einen Lehrstuhl für makedonische Sprache <strong>und</strong> Literatur, wie überdies an<br />

der Akademie der Wissenschaften der UdSSR im Rahmen der „Geschichte der Völker<br />

Jugoslawiens“ auch die „Geschichte der makedonischen Nation“ Forschungsgegenstand<br />

war. Auch der Umgang der DDR-Historiographie mit den nationalen Mythen<br />

der „Brudervölker“ würde ein lohnendes Dissertationsthema darstellen.<br />

In diesem Zusammenhang sind überdies die bislang unerforschten Wirkungen der<br />

DDR-Praxis zu nennen, zum Studium Zugelassene nicht nur an inländischen Universitäten<br />

zu immatrikulieren, sondern in großer Zahl zum Vollstudium in eben diese<br />

„Bruderländer“ zu delegieren. In besonderem Umfang scheint dies neben der „SU“<br />

für die ČSSR, Ungarn <strong>und</strong> Bulgarien gegolten zu haben. Polen <strong>und</strong> Rumänien hingegen<br />

galten als ideologisch unzuverlässig. Studienfächer waren dabei mitnichten<br />

lediglich Natur- <strong>und</strong> Ingenieurwissenschaften, sondern auch <strong>und</strong> gerade Geisteswissenschaften<br />

wie etwa das Fach Geschichte, in welchem marxistisch-leninistische<br />

Vorgaben nicht selten mit (zeit-)historischen Realitäten kollidierten. Nach fünf Jahren<br />

an der Leningrader Staatlichen Universität oder der Sofijoter Kliment Ochridski-<br />

Universität an eine DDR-Universität oder an ein Institut der DDR-Akademie der<br />

Wissenschaften zurückgekehrt, hatten die im Ausland Diplomierten mitunter erhebliche<br />

Schwierigkeiten, sich in den nicht selten überideologisierten heimischen<br />

Forschungs- <strong>und</strong> Lehralltag einzugliedern. In etlichen Fällen gelang dies nicht, was<br />

in der Regel auf das deutlich liberalere Klima an den ausländischen Ausbildungsstätten<br />

zurückzuführen war. Auch hier tut sich ein vielversprechendes, transnationalvergleichendes<br />

Forschungsfeld auf.<br />

Die bilateralen Beziehungen der DDR zu den anderen Staaten des „sozialistischen<br />

Lagers“ wiesen durchgängig eine trilaterale Komponente auf – den sowjetischen Faktor.<br />

Dies galt etwa für Ost-Berlins Verhältnis zum Rumänien Nicolae Ceauşescus <strong>und</strong><br />

seiner „mitregierenden“ Ehefrau Elena. Im Auftrag des 1967 gegründeten Interkit-<br />

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