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Zwischen Arktis Adria und Armenien

978-3-412-50757-2_OpenAccess

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Chronologie einer gescheiterten Prävention 173<br />

– Gewaltfreiheit als Modus zur Austragung territorialer <strong>und</strong> interethnischer Konflikte<br />

darf seitens der internationalen Gemeinschaft nicht durch Passivität gleichsam<br />

bestraft werden, sondern ist im Gegenteil durch verstärkte Präventivdiplomatie<br />

<strong>und</strong> Konfliktbearbeitung, im Falle systematischer Menschenrechtsverletzungen<br />

auch durch präventive militärische Intervention zu honorieren.<br />

– Das Wortspiel von den interblocking institutions an Stelle von interlocking institutions<br />

hat weiterhin seine traurige Berechtigung. Selbst hoch angeb<strong>und</strong>ene Koordinierungsinstanzen<br />

wie die Kontaktgruppe sind zur Formulierung <strong>und</strong> Umsetzung<br />

einer kohärenten Politik <strong>und</strong> damit zur Überwindung der Differenzen zwischen<br />

„Russen“, „Europäern“ <strong>und</strong> „Amerikanern“ nur ausnahmsweise in der Lage.<br />

– Seit dem Ende weltpolitischer Bipolarität sind staatliche Souveränität <strong>und</strong> Integrität<br />

der Grenzen nicht länger sakrosankte Kategorien internationaler Rechtsordnung,<br />

sondern können durch systematische Verletzung der Menschenrechte<br />

eingeschränkt, gar verwirkt werden.<br />

Ausblick<br />

Um Vorhersagen darüber zu machen, wie der Kosovo-Knoten zu lösen sei, muss man<br />

Tim Judah zufolge „entweder ein Lügner oder ein Dummkopf“ sein. 78 Dennoch stehen<br />

schon jetzt drei Punkte fest:<br />

– Ein gewaltfreies multiethnisches Zusammenleben unter Einschluss von Albanern<br />

<strong>und</strong> Serben ist im Kosovo künftig nicht vorstellbar, wie es dergleichen auch zuvor<br />

nicht gegeben hat. Denn anders als im Falle Bosniens hat diese Region im „kurzen“<br />

20. Jahrh<strong>und</strong>ert keine einzige Phase interethnischer Entspannung gekannt.<br />

Vielmehr herrscht seit 1913 durchgängig ethnopolitische Hochspannung, die während<br />

der häufigen Perioden von Krieg, Besatzung <strong>und</strong> Fremdherrschaft in völliger<br />

Entgrenzung der Kombattanten auf serbischer wie albanischer Seite in Massakern,<br />

Austreibungen <strong>und</strong> verbrannter Erde resultierte.<br />

– Die aus dem Kosovo nach Albanien, Makedonien, Montenegro <strong>und</strong> anderswohin<br />

vertriebenen Albaner können nur unter drei Bedingungen auf Dauer in ihre<br />

Heimat zurückkehren: Erstens: Die Staatengemeinschaft muss umfassende <strong>und</strong><br />

nachhaltige Sicherheit auf dem gesamten Territorium der Provinz <strong>und</strong> entlang ihrer<br />

Grenzen gewährleisten. Zweitens: Dieser Rückkehrprozess muss von massivem<br />

internationalem finanziellem Engagement zum Wiederaufbau der zerstörten Region<br />

begleitet sein. Drittens: Mittelfristig muss die Perspektive einer Änderung<br />

des staatsrechtlichen Status des Gebiets offenstehen.<br />

– Die Stationierung einer internationalen Friedenstruppe <strong>und</strong> die Rückkehr der Kosovo-Albaner<br />

haben eine umfassende Migration der Kosovo-Serben <strong>und</strong> der übrigen<br />

Serben im Kosovo ins engere Serbien zur Folge. Zu groß sind das Bewusstsein<br />

der eigenen Schuld sowie die Angst vor der Rache der Rückkehrer. Dieser Exodus<br />

78 Judah: Inside the KLA, S. 22.<br />

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