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Zwischen Arktis Adria und Armenien

978-3-412-50757-2_OpenAccess

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194 Sovieto-Rossica<br />

nenpolitik geleitet: vor dem Krieg von den Notwendigkeiten der wirtschaftlichen<br />

Modernisierung <strong>und</strong> des Auf- <strong>und</strong> Ausbaus der Parteiherrschaft, nach dem Krieg<br />

vom Wiederaufbau des Landes <strong>und</strong> der gesellschaftlichen Redisziplinierung. Vor wie<br />

nach dem Krieg bestimmten dabei sicherheitspolitische Überlegungen die Außenpolitik.<br />

Sicherheitspolitik im sowjetischen Sinne ließ dabei Überlappungen sowohl<br />

mit einer traditionellen moskauischen Macht- <strong>und</strong> Hegemonialpolitik als auch mit<br />

einer gleichfalls aggressiven, ideologisch motivierten <strong>und</strong> in der Komintern-Tradition<br />

stehenden Expansionslinie durchaus zu: Nicht nur Verteidigungsanstrengungen,<br />

sondern auch offensive Maßnahmen wie Annexionen, strategische Gebietserweiterungen<br />

oder Truppenstationierungen in Nachbarstaaten wurden darunter subsumiert.<br />

In den ersten Nachkriegsjahren konzentrierte sich dieses mitunter als übersteigert<br />

bezeichnete sowjetische Sicherheitsinteresse auf die Schaffung einer breiten Einfluss-<br />

<strong>und</strong> Schutzzone jenseits der Staatsgrenzen, hier vor allem der europäischen.<br />

Aufs engste damit verb<strong>und</strong>en war das Streben der sowjetischen Führung, von den<br />

Verliererstaaten so umfangreiche Reparationsleistungen wie möglich für den eigenen<br />

Wiederaufbau zu erhalten. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> lassen sich für die kritische<br />

Dekade 1939–1948 insgesamt vier Optionen sowjetischer Finnlandpolitik ausmachen:<br />

Erstens der Anschluss Finnlands an die Sowjetunion in Form einer Finnischen<br />

Sowjetrepublik – entsprechend der Einverleibung Estlands, Lettlands <strong>und</strong> Litauens<br />

von 1940, das „baltische Modell“.<br />

Zweitens die Errichtung eines nominell unabhängigen „Sowjetfinnlands“ unter<br />

der Kontrolle einer gleichgeschalteten finnischen KP <strong>und</strong> mit der tätigen Mithilfe der<br />

Roten Armee, sei es als Besatzungsmacht, sei es als Stationierungstruppe – entsprechend<br />

dem „volksdemokratischen Modell“ indirekter Herrschaft, wie es nach dem<br />

Krieg in Ostmittel- <strong>und</strong> Südosteuropa Anwendung gef<strong>und</strong>en hat.<br />

Drittens die Glacéhandschuhvariante zu eben diesem Modell, bei der die einheimischen<br />

Kommunisten ihren Klassengegnern die Macht ohne Beteiligung oder<br />

Präsenz sowjetischer Truppen zu entwinden haben – das „tschechoslowakische Modell“<br />

einer scheinlegal-parlamentarischen Machtübernahme.<br />

Und viertens ein selbständiges, neutrales Finnland mit einem Mehrparteiensystem,<br />

jedoch eingeschränkter Souveränität in der Außen- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik<br />

<strong>und</strong> mit weitreichenden Sicherheitsgarantien für die Sowjetunion – das „finnische<br />

Modell“, wie es sich 1948 dann durchgesetzt <strong>und</strong> bis 1991 funktioniert hat.<br />

Aus sowjetischer Sicht nicht in Betracht kam eine Teilung Finnlands; dazu fehlte<br />

ein geeigneter Teilungspartner. Und ebenfalls außer Frage stand für Moskau eine<br />

Bindung Finnlands an eine andere Großmacht oder ein anderes Bündnis, desgleichen<br />

eine „Nordisierung“ Finnlands, also eine politische Anbindung an die drei bis<br />

1949 sämtlich neutralen skandinavischen Staaten, hatte doch deren Neutralität aus<br />

sowjetischer Sicht einen feindseligen Anstrich. Insofern wäre also die vierte, hier<br />

als „finnisches Modell“ bezeichnete der oben genannten Optionen in Richtung auf<br />

eine isolierte prosowjetische Teilneutralität zu präzisieren – eben das, was in Finnland<br />

die „Paasikivi-Kekkonen-Linie“ genannt wurde <strong>und</strong> wofür Richard Löwenthal

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