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Zwischen Arktis Adria und Armenien

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332 Europaeica<br />

objektive Auslegungen historischer Tatsachen nicht möglich“ (Punkt A), andererseits<br />

existierten aber durchaus „falsche Auslegungen der Geschichte“ (Punkt E). Und<br />

zum einen seien „während des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts in Europa Millionen von Opfern<br />

von totalitären <strong>und</strong> autoritären Regimen deportiert, inhaftiert, gefoltert <strong>und</strong> ermordet“<br />

worden, wohingegen andererseits „der einzigartige Charakter des Holocaust<br />

nichtsdestoweniger anerkannt werden muss“ (Punkt G). Ganz offensichtlich werden<br />

hier in einer Art Kompromisslösung entgegengesetzte Ansichten zusammengeführt.<br />

Zum Teil leidet darunter die Verständlichkeit: Der beispielsweise in Punkt 10 postulierte<br />

Sachverhalt, dass völlig unterschiedliche <strong>und</strong> terminologisch diffuse Dinge<br />

wie „eine angemessene Bewahrung der historischen Erinnerung, eine umfassende<br />

Neubewertung der europäischen Geschichte <strong>und</strong> eine europaweite Anerkennung aller<br />

historischen Aspekte des modernen Europa die europäische Integration stärken<br />

werden“, kann nur mit gutem Willen als bloß kryptisch bezeichnet werden. Dass<br />

Kompromissfindung zu sinnentleerten Forderungen führen kann, belegt augenfällig<br />

Punkt 6, dessen Postulat nach Zugang zu den „Archive[n] der ehemaligen internen<br />

Sicherheitsdienste, der Geheimpolizei <strong>und</strong> der Nachrichtendienste“ durch die Bedingung<br />

minimiert wird, es müsse sichergestellt sein, „dass dieser Prozess nicht zu<br />

politischen Zwecken missbraucht wird“. Wer soll darüber eine Entscheidung treffen<br />

<strong>und</strong> welche „politischen Zwecke“ sind hier gemeint?<br />

Regelrecht unvermutet nimmt sich auch die konkrete Aufforderung an Rat <strong>und</strong><br />

Kommission in Punkt 11 aus, „die Tätigkeiten nichtstaatlicher Organisationen wie<br />

etwa Memorial in der Russischen Föderation, die aktiv darum bemüht sind, Dokumente<br />

im Zusammenhang mit den während der stalinistischen Zeit verübten Verbrechen<br />

ausfindig zu machen <strong>und</strong> zusammenzutragen, zu unterstützen <strong>und</strong> zu verteidigen“.<br />

So begründet in moralischer wie politischer Hinsicht das Eintreten für die<br />

russländische Nichtregierungsorganisation Memorial auch ist, so naheliegend wäre<br />

doch die Nennung vergleichbarer NGOs in anderen autoritären oder mit Demokratiedefiziten<br />

behafteten EU-Nachbarstaaten wie Belarus, Marokko oder der Türkei samt<br />

der Forderung nach Unterstützung <strong>und</strong> Verteidigung auch dieser zivilgesellschaftlichen<br />

Akteure gewesen. Desgleichen hätte man Kritik am Umgang mit den archivalischen<br />

Hinterlassenschaften diktatorischer Regime in EU-Mitgliedstaaten wie zum<br />

Beispiel Spanien oder Griechenland erwartet, wo der Quellenzugang selbst den in<br />

Punkt A genannten „Berufshistorikern“ massiv erschwert, gar verwehrt wird. Auch<br />

tritt gerade durch die Fokussierung auf die Diktaturen des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>und</strong> ihre<br />

Massenverbrechen das gänzliche Ausblenden der Kolonialverbrechen Großbritanniens,<br />

Frankreichs, Deutschlands, der Niederlande, Belgiens, Italiens, Portugals <strong>und</strong><br />

Spaniens umso deutlicher hervor, wären hier doch vor allem Westeuropäer angesprochen.<br />

Zugleich machen der Verweis auf die Russländische Föderation <strong>und</strong> die<br />

impliziten Bezüge auf die Ukraine, Serbien sowie Bosnien <strong>und</strong> Herzegowina in der<br />

Präambel deutlich, dass der geschichtspolitische Zuständigkeitsbereich der EU-Parlamentarier<br />

ihrem Selbstverständnis zufolge mitnichten an den EU-Außengrenzen<br />

endet.<br />

Ungeachtet der genannten Disparität, Exzentrik <strong>und</strong> Simplifizierung handelt es<br />

sich bei der Entschließung vom 2. April 2009 dennoch zumindest streckenweise

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