Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. März 2017<br />
Alois Rainer<br />
(A)<br />
Lieber Kollege Sven-Christian Kindler, lassen Sie<br />
mich, da Sie vorhin von der Champions League gesprochen<br />
haben,<br />
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN]: Sie sind im Tabellenkeller!)<br />
sagen: Deutschland spielt in der Champions League gesamtstaatlich<br />
ganz oben mit. Reduzieren Sie Ihren Blick<br />
nicht auf einige wenige Investitionen.<br />
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN]: Ja, ja, die gesamtstaatlichen Investitionen!)<br />
Wir stehen im Europa der jetzt 28, bald vielleicht 27 Staaten<br />
ganz oben, und das kann sich sehen lassen. Es gibt<br />
zwar kein Finale der Staaten in der Champions League,<br />
aber faktisch sind wir ganz oben.<br />
Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister<br />
der Justiz und für Verbraucherschutz:<br />
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen<br />
und Kollegen! Ich freue mich, dass wir, wie im<br />
Koalitionsvertrag vereinbart, ein weiteres wichtiges Vorhaben<br />
dieser Legislaturperiode beraten können, nämlich<br />
den bereits erwähnten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung<br />
eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld.<br />
Terroranschläge, wie zuletzt im Herzen unserer<br />
Hauptstadt, absichtlich herbeigeführte Flugzeugabstürze,<br />
wie jüngst beim Germanwings-Flugzeug über Südfrankreich,<br />
oder alltägliche Unglücksfälle, bei denen Menschen<br />
durch das Verschulden Dritter zu Tode kommen:<br />
Stets geht der Verlust geliebter Menschen einher mit<br />
Ohnmacht und Wut und vor allem mit dem grenzenlosen<br />
seelischen Leid derer, die trauernd und alleine zurückbleiben.<br />
(C)<br />
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND-<br />
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn man die Tabelle<br />
umdreht! – Sven-Christian Kindler [BÜND-<br />
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Eher Schlusslicht!)<br />
Wer hätte das noch vor zehn Jahren gedacht?<br />
Vielen Dank.<br />
Regelmäßig steht dann auch die Frage nach einer Entschädigung<br />
für die Hinterbliebenen im Raum. Im internationalen<br />
Vergleich zeigt sich das deutsche Schadensersatzrecht<br />
in diesem Punkt bisher eher zurückhaltend. Es<br />
kennt nämlich bis heute keinen gesetzlichen Anspruch,<br />
nach dem Hinterbliebene für das mit dem Tod eines nahen<br />
Angehörigen verbundene Leid entschädigt werden.<br />
(B)<br />
(Beifall bei der CDU/CSU)<br />
Vizepräsident Johannes Singhammer:<br />
Damit schließe ich die Aussprache.<br />
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage<br />
auf Drucksache 18/11188 an die in der Tagesordnung<br />
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Widerspruch<br />
erhebt sich dagegen nicht. Dann ist die Überweisung so<br />
beschlossen.<br />
Ich rufe hiermit den Tagesordnungspunkt 13 auf:<br />
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/<br />
CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes<br />
zur Einführung eines Anspruchs auf<br />
Hinterbliebenengeld<br />
Drucksache 18/11397<br />
Überweisungsvorschlag:<br />
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f)<br />
Ausschuss für Wirtschaft und Energie<br />
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend<br />
Ausschuss für Gesundheit<br />
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur<br />
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit<br />
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für<br />
diese Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Auch dagegen<br />
erhebt sich keinerlei Widerspruch. Dann ist das so<br />
beschlossen.<br />
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem<br />
Redner dem Parlamentarischen Staatssekretär Christian<br />
Lange für die Bundesregierung das Wort.<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
der CDU/CSU)<br />
Die Gerichte gewähren Hinterbliebenen derzeit nur<br />
ganz ausnahmsweise einen eigenen Anspruch auf Zahlung<br />
von Schmerzensgeld, nämlich dann, wenn sie durch<br />
den Tod eines Angehörigen deutlich in ihrem gesundheitlichen<br />
Befinden beeinträchtigt sind. Den meisten von<br />
Ihnen hier ist in diesem Kontext sicherlich der Begriff<br />
„Schockschaden“ geläufig.<br />
Der historische Gesetzgeber fand es seinerzeit anstößig,<br />
einen immateriellen Schaden in Geld aufzuwiegen.<br />
Über die moralischen Beweggründe für diese Entscheidung<br />
kann man trefflich streiten. Der Ansatz hat aber zunehmend<br />
Kritik erfahren. Der Deutsche Juristentag hat<br />
etwa schon in den 60er-Jahren eine gesetzliche Regelung<br />
für einen Entschädigungsanspruch beim Tod eines Angehörigen<br />
gefordert. In den letzten Jahren ist diese Frage<br />
jedoch immer kontroverser diskutiert worden. Insoweit<br />
könnte der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, durchaus<br />
als Paradigmenwechsel im deutschen Schadensersatzrecht<br />
bezeichnet werden.<br />
Das seelische Leid und die Trauer von Hinterbliebenen<br />
wollen wir künftig im Sinne einer Anerkennung<br />
entschädigen. Medizinisch fassbare gesundheitliche<br />
Beeinträchtigungen sind dazu nicht mehr erforderlich.<br />
Selbstverständlich – dessen sind wir uns bewusst – kann<br />
kein Geld der Welt die Trauer der Betroffenen relativieren<br />
oder gar kompensieren. Wir wollen aber ein wichtiges<br />
Zeichen in Richtung der Hinterbliebenen senden:<br />
Die Rechtsordnung verschließt sich eurem seelischen<br />
Leid nicht länger. Mit der Einführung eines Anspruchs<br />
auf Hinterbliebenengeld machen wir nämlich deutlich:<br />
Die Gesellschaft steht solidarisch hinter denjenigen, die<br />
zurückbleiben, und gewährt ihnen Anerkennung.<br />
Mit diesem Gesetzentwurf beenden wir auch bestehende<br />
Ungerechtigkeiten; denn bei Ehrverletzungen und<br />
selbst bei entgangenen Urlaubsfreuden haben die Betrof-<br />
(D)