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Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. März 2017 22201<br />

Rainer Spiering<br />

(A)<br />

(B)<br />

2 Millionen junge Menschen, die keinen Ausbildungsplatz<br />

bekommen haben und keinen bekommen werden.<br />

(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr<br />

richtig!)<br />

Ich glaube, darüber kann man nicht einfach so lax hinweggehen.<br />

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)<br />

Thomas Feist schüttelt mit dem Kopf: Werfen Sie<br />

einfach einen Blick in den Bericht des BIBB. Es gibt<br />

2 Millionen Menschen, die keine Perspektive haben, die<br />

Existenzängste haben und die von der Gesellschaft abgehängt<br />

werden. Ich finde, das kann sich ein System wie<br />

das deutsche schlicht und ergreifend nicht leisten.<br />

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)<br />

Da würde ich auch gerne alle ideologischen Überlegungen<br />

und Wettbewerbsfragen außen vor lassen. Das ist<br />

eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen, und vor allen<br />

Dingen auch stellen können, wie ich glaube. Die Frage<br />

ist nur, wie wir das tun.<br />

Nächste Anmerkung – und das tut mir als Berufsschullehrer<br />

so leid –: Das Wirtschafts- und Sozialsystem<br />

in Deutschland ist mit keinem Bildungssystem so eng<br />

verknüpft wie mit dem Berufsbildungssystem, aber es<br />

gibt keine Wertschätzung vonseiten der Öffentlichkeit.<br />

Ich finde, hier müssen wir etwas tun. Genau daran müssen<br />

wir arbeiten: an der Wertschätzung für das berufsbildende<br />

System.<br />

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der<br />

Abg. Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE])<br />

Ich möchte kurz darstellen, was wir anbieten. Ich habe<br />

hier mehrfach vier Forderungen vorgetragen – ich werde<br />

sie gleich um eine fünfte ergänzen –: knappe, einfache<br />

und sinnvolle Veränderungen am Berufsbildungsgesetz –<br />

vor allen Dingen unter dem Aspekt der Qualitätssteigerung<br />

–,<br />

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann<br />

[SPD])<br />

Freistellung von über 18-Jährigen für den Berufsschulunterricht<br />

– ich habe hier lang und breit erklärt, warum,<br />

wieso, weshalb –, Freistellung von Mitgliedern in<br />

Prüfungsausschüssen, Finanzierung von Freistellungsansprüchen<br />

von Prüfern und verbindlicher Durchstieg<br />

von zweijähriger in die dreieinhalbjährige Ausbildung.<br />

Ich kann mich im Übrigen auch mit der Mindestausbildungsvergütung<br />

sehr anfreunden. Wir haben beim Mindestlohn<br />

da sehr gute Erfahrungen gemacht.<br />

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Uwe<br />

Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])<br />

Das sind einfache und unspektakuläre Schritte.<br />

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />

NEN]: Wer regiert eigentlich?)<br />

– Dazu möchte ich eine Ansage machen:<br />

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />

NEN]: Ja, mach doch mal!)<br />

Auch die Grünen würden sich, wenn sie Teil in einer Koalition<br />

wären, an die Koalitionsabsprachen halten. Das<br />

gehört sich so in einem Parlament.<br />

(Beifall der Abg. Dagmar Ziegler [SPD] –<br />

Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Die würden ja<br />

auch mit der CDU regieren!)<br />

Wir haben das hier offen diskutiert, und ich mache an<br />

dieser Stelle jetzt die Position der SPD deutlich: Wir<br />

brauchen nicht die großen Schritte, wir brauchen die einfachen<br />

Schritte.<br />

Ich sage auch gleich etwas zu dem großen Wurf, der<br />

so gerne mal in den Raum gestellt wird. Kollege Mutlu,<br />

wer glaubt, sensible und fragile Systeme wie das Berufsbildungssystem<br />

in einem großen Wurf verändern zu können,<br />

der irrt. Beteiligt sind IHK, HWK, Zentralverband<br />

des Deutschen Handwerks, BDI, BDA, Gewerkschaftsverbände,<br />

Kommunen, Länder und die Bundesrepublik<br />

Deutschland, und von den Kirchen habe ich noch gar<br />

nicht angefangen zu reden. Wer glaubt, in dieses System<br />

mit einem großen Schlag einbrechen zu können, kann nur<br />

scheitern. Wer an das Berufsbildungsgesetz herangeht,<br />

der muss das sehr sorgfältig machen<br />

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann<br />

[SPD])<br />

und sich über den Stand der Dinge informieren. Ich glaube,<br />

das haben wir ungenügend getan.<br />

Wo sieht meine Fraktion einen Anknüpfungspunkt,<br />

um wirklich etwas tun zu können? Das zentrale Element<br />

im System der Berufsbildung ist momentan die Berufsschule.<br />

Wer sich intensiv mit der Frage auseinandersetzt,<br />

weiß, dass Innovation für kleine und mittelständische<br />

Betriebe heute nur noch über die Berufsschule transportiert<br />

werden kann. Das machen übrigens viele Berufsschulen<br />

sehr gut vor. Wenn wir fördern wollen, dann ist<br />

das Berufsschulsystem das System, das wir schlechthin<br />

fördern müssen.<br />

An dieser Stelle muss ich auch Kritik an meiner Ministerin<br />

hinsichtlich des Wissenschaftsbereichs äußern:<br />

Wir haben nach wie vor keine nachhaltige Forschung<br />

zur Berufsbildung; wir haben keine Förderung der digitalen<br />

Strukturen in den berufsbildenden Schulen; wir<br />

haben keine Förderung der Berufsschullehrerausbildung;<br />

wir haben keine Zusicherung des Staates für junge Menschen,<br />

dass sie einer sicheren Zukunft entgegenblicken<br />

können. – Die Berufsschule kann das leisten. Die Berufsschule<br />

kann den Einstieg leisten, um junge Menschen zu<br />

qualifizieren. Hamburg macht es exemplarisch vor, wie<br />

man junge Menschen in Berufsschulen holt und aus den<br />

Berufsschulen heraus in den ersten Ausbildungsmarkt<br />

bringt. Ja, das geht.<br />

Damit komme ich zu der nächsten zentralen Aussage,<br />

Thomas Feist: Man kann sich immer gut hinstellen und<br />

sagen, dass das eine Forderung an die Länder ist; aber<br />

viele Länder sind schlicht und ergreifend völlig überfordert.<br />

Wir wissen, dass Kommunen im Grenzbereich<br />

der Leistungsfähigkeit sind. Träger der berufsbildenden<br />

Schulen sind die Kommunen, Landkreise oder kreisfreien<br />

Städte. Wenn ich mir die Finanzen unserer kreisfreien<br />

Städte angucke, dann weiß ich, dass die nicht gut sind.<br />

(C)<br />

(D)

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