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Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. März 2017<br />

(A)<br />

nen Tisch holen sollte, werden das ja mindestens hundert<br />

Personen. Und Sie gehen davon aus, dass die zahllosen<br />

historisch gewachsenen Besonderheiten der Staatsleistungen<br />

in jedem einzelnen Bundesland, in jeder Kommune,<br />

in jeder Kirchengemeinde in diesem „kleinen“ Kreis<br />

effizient und schnell bearbeitet werden können. Das<br />

klingt nicht nach einer realistischen Herangehensweise.<br />

Dieser Einsatz für unsere Gesellschaft ist von unschätzbarem<br />

Wert, und es ist mir eine Herzensangelegenheit,<br />

meine Rede mit dem ausdrücklichen Dank an alle Hauptund<br />

Ehrenamtlichen in unseren Kirchen zu beenden. Die<br />

CDU/CSU-<strong>Bundestag</strong>sfraktion sieht keinen Handlungsbedarf<br />

hinsichtlich der Einsetzung einer Evaluierungskommission.<br />

Wir werden daher den Antrag ablehnen.<br />

(C)<br />

(B)<br />

Was von einem solchen Gremium zu erwarten ist, zeigt<br />

ein Blick in die Geschichte. Es gab nämlich in meiner<br />

Heimat bereits einen Arbeitskreis, der die Staatsleistungen<br />

bemessen und prüfen sollte. Im Jahr 1820 wurde von<br />

König Wilhelm I. von Württemberg eine „gemeinschaftliche<br />

Kommission“ einberufen, die das Ziel verfolgte,<br />

die gerade mal 17 Jahre zuvor erfolgten Enteignungen<br />

der evangelischen Kirche abzulösen. Sage und schreibe<br />

98 Jahre später war sie immer noch zu keinem Ergebnis<br />

gekommen und wurde mit dem Ende der Monarchie aufgelöst.<br />

Diese Kommission erinnert mich doch stark an<br />

den jetzt vorgebrachten Antrag. Liebe Kollegen von der<br />

Fraktion Die Linke, auch Ihre Expertenrunde würde frühestens<br />

am Sankt-Nimmerleins-Tag zu einem Ergebnis<br />

kommen – wenn überhaupt.<br />

Wie gut die Länder und Kirchen sich einigen können,<br />

beweisen zahlreiche Beispiele. Nicht nur Hamburg und<br />

Bremen haben Antworten gefunden. Auch in Hessen und<br />

Brandenburg wurden Ablösungen vorbildlich durchgeführt.<br />

In Baden-Württemberg laufen ebenfalls Gespräche<br />

zur Ablösung der Staatsleistungen. Eine Kommission,<br />

die sich aus dem fernen Berlin einmischen würde, wäre<br />

nur kontraproduktiv.<br />

Wie stellen Sie sich das überhaupt in der Praxis vor?<br />

Wie sollte eine so heterogene Expertenrunde in Berlin<br />

eine Evaluierung beispielsweise für den Kölner Dom, die<br />

Heiliggeistkirche in Heidelberg oder die evangelische<br />

Kirche in Merchingen-Ravenstein vornehmen? Das können<br />

die Kirchen mit den Ländern besser.<br />

Liebe Kollegen der Fraktion Die Linke, ich wiederhole<br />

meinen Vorschlag an Sie vom 15. April 2016: Installieren<br />

Sie doch eine Kommission zur Evaluierung der<br />

Staatsleistungen in Thüringen; denn dort sind Sie seit<br />

Jahren in der Regierungsverantwortung. Interessanterweise<br />

hört man aus Erfurt nichts, aber auch gar nichts.<br />

Auch hier im <strong>Bundestag</strong> ist es diesbezüglich still – kein<br />

Berichterstattergespräch, keine öffentliche Anhörung, ja,<br />

nicht einmal eine Debatte in den beratenden Ausschüssen<br />

haben Sie angestoßen. Und das, obwohl wir vonseiten<br />

der Regierungskoalitionen sowohl in der vergangenen als<br />

auch in der aktuellen Wahlperiode Gesprächsbereitschaft<br />

signalisiert und auch konkrete Angebote gemacht haben.<br />

Ich habe den Verdacht, dass Sie das Thema regelmäßig<br />

vor den Wahlen aus der Schublade holen, einzig und allein,<br />

um mit populistischen Äußerungen unsere Kirchen<br />

zu diskreditieren. Sie, liebe Frau Wawzyniak, sagten es ja<br />

selbst in Ihrer Rede vom 15. April 2016, dass Die Linke<br />

mit der Frage, „ob überhaupt noch Staatsleistungen zu<br />

zahlen sind“, in den Wahlkampf ziehen sollte. Aber dieses<br />

„linke“ Manöver ist mit uns nicht zu machen!<br />

Die Kirchen in unserem Land leisten eine wertvolle<br />

und unbezahlbare Arbeit für unser aller Gemeinwohl.<br />

Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Staatsleistungen haben<br />

ihre Grundlage darin, dass kirchliche Güter im Rahmen<br />

der Säkularisierung, namentlich im Reichsdeputationshauptschluss<br />

im Jahre 1803, umfangreich enteignet<br />

wurden. Diese Güter befinden sich zumeist noch heute<br />

in staatlichem Eigentum. Damals übernahmen die Landesherren<br />

zugleich die Verpflichtung, die Besoldung und<br />

Versorgung der Pfarrer – sofern erforderlich – sicherzustellen.<br />

Es handelt sich also um eine Art von Pachtersatzleistungen.<br />

Diese Staatsleistungen sind durch Artikel 140<br />

des Grundgesetzes mit dem dadurch geltenden Artikel<br />

138 Absatz 1 der Weimarer Reichsverfassung verfassungsrechtlich<br />

verbürgt. Diese Entschädigungszahlungen<br />

werden noch heute an die beiden großen Amtskirchen in<br />

fast allen Bundesländern – mit Ausnahme von Hamburg<br />

und Bremen – erbracht. Sie betragen rund 480 Millionen<br />

Euro jährlich.<br />

Wir diskutieren heute den Antrag der Fraktion Die<br />

Linke, welcher die Einrichtung einer Expertenkommission<br />

beim Bundesministerium der Finanzen fordert. Sinn<br />

und Zweck dieser Kommission soll sein, den Umfang<br />

der enteigneten Kircheneigentümer und der bisher geleisteten<br />

Entschädigungszahlungen zu evaluieren und<br />

zu prüfen. Die Fraktion Die Linke zielt darauf ab, die<br />

Ablösesumme der Staatsleistungen zu ermitteln und die<br />

Zahlungen der Staatsleistungen somit zu beenden. Mit<br />

diesem Vorhaben sind sie zu Recht bereits im Jahr 2012<br />

mit einem ähnlichen Gesetzentwurf gescheitert.<br />

Lassen Sie mich kurz erläutern, warum seitens des<br />

Bundes kein Anlass besteht, die Initiative zu einer Ablösung<br />

der Staatsleistungen zu ergreifen. Erstens ist<br />

festzustellen, dass der Bund selbst nicht Schuldner der<br />

Staatsleistungen ist. Wenn wir die Länder als Träger der<br />

Staatsleistungen betrachten, ist ferner zu unterstreichen,<br />

dass es diesen freisteht, einvernehmlich mit den Kirchen<br />

die Staatsleistungen zu verändern und neue Rechtsgrundlagen<br />

zu schaffen. Eine individuelle Lösung zwischen<br />

den Bundesländern und Kirchen zu finden, ist im Rahmen<br />

der Länderhoheit die einfachere und sachgerechtere<br />

Vorgehensweise. Die Länder haben bislang jedoch nicht<br />

erkennen lassen, mit Gesprächen über die Ablösung der<br />

Staatskirchenleistungen beginnen zu wollen. Um die<br />

Staatsleistungen an die Kirchen abzulösen, ist eine explizite<br />

Initiative allerdings Grundvoraussetzung. Aus diesem<br />

Grund besteht aktuell erst recht nicht für den Bund<br />

die Notwendigkeit, diesbezüglich tätig zu werden.<br />

Ich darf noch darauf verweisen, dass auch der Koalitionsvertrag<br />

keine Maßnahmen in diesem Bereich<br />

vorsieht. Das System der Kirchensteuer und des Staatskirchenrechts<br />

hat sich bewährt. Eine Kommission, wie<br />

die Fraktion Die Linke sie in ihrem Antrag fordert, ist<br />

bürokratisch und verkennt die Gestaltungsautonomie auf<br />

Länderebene. Der Antrag der Fraktion Die Linke ist so-<br />

(D)

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