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Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. März 2017<br />

Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)<br />

(A)<br />

(B)<br />

hat sie doch gar nicht gesagt! Sie hat etwas<br />

ganz anderes erzählt!)<br />

Dann müssten Sie alles von der UNO entscheiden lassen,<br />

weil es viele wichtige Dinge gibt. Entscheidend ist vielmehr,<br />

dass jeder auf seiner Ebene seine Hausaufgaben<br />

macht.<br />

Arbeitsmarktpolitik und Sozialpolitik sind Aufgaben<br />

der Nationalstaaten. Das sind auch die Aufgaben, die<br />

hier im Deutschen <strong>Bundestag</strong> wahrgenommen werden.<br />

Sie müssen ebenso in den Parlamenten in Griechenland,<br />

Italien, Spanien und Frankreich wahrgenommen werden.<br />

Das ist meine Rede.<br />

Ich sage Ihnen: Wir müssen die Verantwortung da<br />

haben, wo sie liegt, und dürfen nicht so tun, als könne<br />

Europa alle Probleme lösen. Die Europäische Kommission<br />

ist keine Überregierung und kein Reparaturbetrieb für<br />

unfähige Regierungen<br />

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE<br />

GRÜNEN]: Nein! Das stimmt!)<br />

– das müssen Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen –,<br />

sondern die Europäische Union ist ein ausführendes<br />

Organ für den Willen der europäischen Bürger. Das habe<br />

ich Ihnen deutlich zu machen versucht. Aber wenn Sie<br />

das noch nicht verstanden haben – ich hätte noch Zeit –,<br />

dann reden wir darüber noch.<br />

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:<br />

Ha, ha! – Oh, wie nett!)<br />

Danke schön.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Tobias<br />

Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:<br />

Chauvinismus!)<br />

Vizepräsidentin Claudia Roth:<br />

Ich bin froh, dass wir ein Parlament haben – Herr<br />

Dr. Friedrich sieht das hoffentlich genauso –, das so stark<br />

ist, dass es Dialoge führt und Kontroversen austrägt, und<br />

in dem wir miteinander diskutieren. Das ist der Unterschied<br />

zu anderen Parlamenten, über die wir heute Morgen<br />

schon geredet haben.<br />

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />

sowie bei Abgeordneten der SPD und der<br />

LINKEN)<br />

Nächster Redner: Andrej Hunko für die Linke.<br />

(Beifall bei der LINKEN)<br />

Andrej Hunko (DIE LINKE):<br />

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr<br />

Dr. Friedrich, auch ich muss ganz ehrlich sagen: Das,<br />

was Sie hier eben abgeliefert haben, war wirklich Nationalchauvinismus<br />

von der übelsten Sorte.<br />

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-<br />

NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten<br />

der SPD – Lachen des Abg. Max<br />

Straubinger [CDU/CSU])<br />

Von den Feindbildern, die Sie im Hinblick auf Südeuropäer<br />

bedient haben, will ich mich ausdrücklich distanzieren.<br />

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten<br />

des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)<br />

Wir brauchen kurz vor dem 60. Jahrestag der Römischen<br />

Verträge eine ernsthafte Debatte über Europa. Ich<br />

beginne mit einem Zitat:<br />

Ein steigender Anteil von Menschen, die dauerhaft<br />

nicht von ihrer Arbeit leben können, untergräbt die<br />

Legitimität unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.<br />

Das sagte nicht der Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung,<br />

sondern der Vorsitzende der Bertelsmann-Stiftung,<br />

Aart de Geus, nach der Veröffentlichung<br />

des Social Justice Index 2016, also der Studie über die<br />

soziale Gerechtigkeit in Europa; ich denke, da hat er<br />

recht. Diese Studie beschreibt den wachsenden Anteil der<br />

Working Poor, von Menschen, die von ihrer Arbeit nicht<br />

leben können. Das hat sehr viel mit Europapolitik zu tun,<br />

und das hat viel mit europäischen Strukturen zu tun. Darüber<br />

müsste man in dieser Krise Europas viel mehr reden<br />

als zum Beispiel über neue Militärausgaben und eine<br />

Militarisierung der EU.<br />

(Beifall bei der LINKEN)<br />

Die Europäische Kommission – wir haben Jean-Claude<br />

Juncker vor einem Jahr mit dem EU-Ausschuss besucht<br />

– hat sehr wohl erkannt, dass die soziale Frage<br />

auch die Legitimität der Europäischen Union untergräbt.<br />

Sie hat eine Initiative gestartet, die sogenannte europäische<br />

Säule sozialer Rechte. Das hört sich groß an, und<br />

dem könnte man erst einmal zustimmen. Je genauer man<br />

hinschaut, desto kleiner wird sie aber. Es ist wie beim<br />

Scheinriesen in Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer:<br />

Am Anfang erscheint sie sehr groß; am Ende sind es<br />

aber nur ein paar Kriterien für ein Leistungsscreening der<br />

EU-Staaten. Das reicht bei weitem nicht aus. Wir brauchen<br />

eine deutliche Wende hin zu echten sozialen Rechten<br />

in Europa und nicht nur ein bisschen Kosmetik.<br />

(Beifall bei der LINKEN)<br />

Letzte Woche ist das Weißbuch der Europäischen<br />

Kommission veröffentlicht worden. Dort sind fünf Szenarien<br />

aufgezeigt worden, wie sich die EU entwickeln<br />

könnte. Ich finde es gut, dass eine offene Debatte geführt<br />

und auf der Grundlage von Szenarien diskutiert wird.<br />

Lange Zeit war es ja so, dass ein bestimmter Weg immer<br />

als alternativlos dargestellt wurde. Bei diesen fünf<br />

Szenarien sucht man aber vergeblich nach einem sozialen<br />

Szenario, zum Beispiel nach der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit<br />

in Südeuropa oder des wachsenden<br />

Anteils von Working Poor. Stattdessen findet eine zunehmende<br />

Diskussion – auch in dem Weißbuch – über eine<br />

neue Militarisierung der EU statt.<br />

Auf dem Gipfel, zu dem Frau Merkel gerade gefahren<br />

wird, wird ernsthaft über die Einrichtung eines militärischen<br />

Hauptquartiers der EU beraten, und Gegenstand<br />

der Diskussion ist auch die Erreichung des 2‐Prozent-Ziels<br />

der NATO. Wir sagen ganz klar Nein zu dieser<br />

(C)<br />

(D)

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