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Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. März 2017 22287<br />

(A)<br />

(B)<br />

oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft,<br />

der diese gewerbsmäßig anbietet“. Dabei ist allerdings<br />

in der Nummer 2 bereits das Verwenden solcher Belege<br />

geregelt. Hier soll dagegen noch einmal speziell das Verschaffen<br />

solcher unter Strafe gestellt werden. Damit handelt<br />

es sich also um eine Vorverlagerung der Strafbarkeit,<br />

die ich generell kritisch sehe.<br />

Auch die Abschaffung des Richtervorbehalts bei Blutprobeentnahmen<br />

bei Straßenverkehrsdelikten ist nicht<br />

ohne, da diese einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit<br />

darstellen. Nur durch einen Richtervorbehalt<br />

kann die strukturelle Ungleichheit im Verfahren ausgeglichen<br />

werden. Untersuchungen, die bedeutsame Defizite<br />

in der Erreichbarkeit von Richtern in der Nachtzeit<br />

feststellen konnten und folglich die Beweissicherung<br />

gefährdet hätten, sind zudem nicht bekannt. Sollten hier<br />

dennoch Lücken auftreten, müssten diese beseitigt werden,<br />

um, wie ich es heute Mittag bereits sagte, der Gerechtigkeit<br />

endlich zum Durchbruch zu verhelfen.<br />

Das grundlegende Ziel, Drogenabhängige schneller<br />

einer Therapie zuzuführen, ist zu begrüßen. Dies entspricht<br />

auch den Wünschen aus der Praxis. Vielleicht<br />

sollte man sogar so weit gehen, nur zwei Drittel zu vollstrecken<br />

und den Rest bei Vorliegen der Voraussetzungen<br />

einer Zurückstellung nach 35 Betäubungsmittelgesetz<br />

mit entsprechender Auflage zur Bewährung auszusetzen.<br />

So könnten auch die hier Betroffenen schneller einer<br />

Therapie zugeführt werden. Denn in der Haft können nur<br />

schwer die erforderlichen Therapien angeboten werden.<br />

Schon wenn es sich um Freiheitsstrafen von mehreren<br />

Monaten handelt, kann dies den Therapieerfolg ernsthaft<br />

gefährden.<br />

Zur Stärkung der Bewährungshilfe und Straffälligenarbeit<br />

lässt sich konstatieren, dass die Vereinfachungen<br />

und Klarstellungen mit Rücksicht auf das informationelle<br />

Selbstbestimmungsrecht im Interesse einer effizienten<br />

Gefahrenabwehr liegen. Daneben können Daten zu den<br />

persönlichen Verhältnissen des Verurteilten die Qualität<br />

der Behandlungsuntersuchung zu Beginn der Inhaftierung<br />

und die Entlassungsvorbereitung an deren Ende<br />

verbessern.<br />

Die neuen Tatbestände auch zur leichtfertigen Tötung<br />

und Zerstörung von streng geschützten wildlebenden<br />

Tier- und Pflanzenarten sind grundsätzlich sinnvoll und<br />

unterstützenswert.<br />

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE<br />

GRÜNEN): Zu Beginn dieser Legislatur gab es große<br />

Ankündigungen aus dem Bundesjustizministerium,<br />

die Strafprozessordnung grundlegend zu überarbeiten.<br />

Dazu wurde eine Kommission einberufen mit vielen<br />

Vertretern aus Wissenschaft und Praxis, die umfassende<br />

Empfehlungen für eine Reform vorgelegt haben. Fast<br />

200 Seiten umfasst der Abschlussbericht der Experten.<br />

Auf Grundlage dieses Berichts erarbeitete das Justizministerium<br />

zwei Gesetzentwürfe, die wir in dieser Woche<br />

debattieren. Beide Vorlagen verdienen die Bezeichnung<br />

„Reform“ nicht. Von den umfassenden Vorschlägen der<br />

Kommission wurde zu wenig aufgegriffen. Der Gesetzentwurf<br />

zu diesem Tagesordnungspunkt 24 beschert uns<br />

eher kleinere Änderungen im Strafprozessrecht.<br />

Aber auch kleinere Änderungsvorschläge sind nicht<br />

davor gefeit, unsinnig und falsch zu sein. Und so verhält<br />

es sich mit dem Vorschlag, das Fahrverbot als Nebenstrafe<br />

für alle Straftaten zu ermöglichen. Bisher konnte dies<br />

nur verhängt werden, wenn zwischen der Tat und dem<br />

Führen eines Kfz ein Zusammenhang besteht oder die<br />

Tat unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers<br />

begangen wurde. Die Erweiterung ist nicht nur<br />

Unsinn, sondern führt gleich in mehrfacher Hinsicht zu<br />

Ungleichbehandlungen, was in meinen Augen sogar verfassungsrechtlich<br />

bedenklich ist.<br />

Anders als die Geldstrafe, deren Höhe sich an dem<br />

Einkommen des Verurteilten orientiert, kann das Fahrverbot<br />

nicht individuell schuldangemessen ausgestaltet<br />

werden. Das heißt, einen Verurteilten, der in einer größeren<br />

Stadt lebt, in der viele Möglichkeiten bestehen, öffentliche<br />

Verkehrsmittel zu nutzen, trifft ein Fahrverbot<br />

weniger hart als zum Beispiel einen Lehrling oder ein<br />

Elternteil auf dem Lande, der auf das Auto angewiesen<br />

ist, um damit zur Arbeitsstelle, zum Einkauf zu gelangen<br />

oder die Kinder zur Schule zu bringen. Auch den, der den<br />

Führerschein zwingend zur Ausführung seiner Arbeit benötigt,<br />

zum Beispiel einen Kurierfahrer, trifft die Strafe<br />

ungleich hart. Hier kann das Fahrverbot existenzbedrohend<br />

sein. Hingegen sind für Wohlhabende Fahrverbote<br />

leichter zu verschmerzen, können Sie sich doch problemlos<br />

per Taxi chauffieren lassen.<br />

Die Bundesregierung behauptet, dass das Fahrverbot<br />

als Ergänzung zu anderen Sanktionen sinnvoll sei, insbesondere<br />

wo Geldstrafen keinen nachhaltigen Eindruck<br />

hinterlassen, eine Freiheitsstrafe zu einschneidend sei<br />

oder eine eigentlich angezeigte Freiheitsstrafe dadurch<br />

abgewendet werden könne. Was aber ist mit demjenigen,<br />

der gar keinen Führerschein hat? Er wird keine Freiheitsstrafe<br />

abwenden können und ist somit benachteiligt. Dieselbe<br />

Strafe kann also faktisch zu Ungleichbehandlungen<br />

führen.<br />

Es ist auch schwer vermittelbar, warum bei einer Tat,<br />

die nicht im Zusammenhang mit dem Führen eines Kfz<br />

steht, das Führen eines Fahrzeugs verboten wird. Das<br />

macht bei Rasern oder anderen Straßenverkehrsdelikten<br />

Sinn – aber eben nicht bei sämtlichen Straftaten.<br />

Die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagene<br />

Ausweitung eines Fahrverbots als Nebenstrafe auf alle<br />

Straftaten im Jugendstrafrecht lehnen wir ebenfalls ab.<br />

Nach § 2 Absatz 1 Satz 2 Jugendgerichtsgesetz orientiert<br />

sich das Jugendstrafrecht vorrangig am Erziehungsgedanken.<br />

Die Bundesrechtsanwaltskammer weist in ihrer<br />

Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf zu Recht<br />

darauf hin, dass bei der Verhängung eines Fahrverbots<br />

als Nebenstrafe in Fällen, in denen die Tat in keinem<br />

Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr<br />

und Nutzung eines Kraftfahrzeugs steht, keinerlei Erziehungsfunktion<br />

der Sanktion erkennbar sei. Diese Kritik,<br />

die ebenfalls aus der Wissenschaft und von Fachverbänden<br />

geäußert wurde, teilen wir.<br />

Ein weiterer Teil dieses Gesetzentwurfs betrifft die<br />

Aufhebung des Richtervorbehalts bei der Anordnung<br />

(C)<br />

(D)

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