Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. März 2017 22323<br />
(A)<br />
(B)<br />
Wie gesagt: Dieses Gesetz ist klar umrissen, es verfolgt<br />
nicht den Anspruch einer umfassenden Regelung<br />
der vielen Fragen zum Abstammungsrecht. Dennoch<br />
stellen sich mir auch bei diesem abgegrenzten Sachverhalt<br />
Fragen und Forderungen, die Gegenstand einer<br />
Anhörung sein sollten. Der Gesetzentwurf nimmt ausschließlich<br />
Bezug auf die ärztlich unterstützte künstliche<br />
Befruchtung, auf die „offizielle“ Samenspende. Gerade<br />
damit haben aber lesbische oder alleinstehende Frauen<br />
ein Problem, denn ihnen wird derzeit von vielen Ärztinnen<br />
und Ärzten, von Ärztekammern genau diese Form<br />
der Samenspende verwehrt. Ich plädiere dafür, dass für<br />
lesbische Frauen bzw. Paare oder alleinstehende Frauen<br />
die gleichen Rechte gelten wie für heterosexuelle Menschen,<br />
wenn es um die künstliche Befruchtung geht. Ich<br />
bin der Meinung, dass eine heterologe Insemination allen<br />
offenstehen sollte. In unserer bunten Lebenswirklichkeit<br />
finden derzeit zahlreiche „private“ heterologische Inseminationen<br />
statt. Sollen diese gesondert geregelt werden?<br />
Oder ist es sinnvoller, die Anreize für eine private<br />
Insemination zu reduzieren, zum Beispiel indem wir gesetzlicherseits<br />
den Kreis derer ausweiten, die berechtigt<br />
sind, eine künstliche Befruchtung vorzunehmen, indem<br />
Ärztinnen oder Ärzte zum Beispiel lesbische Paare nicht<br />
mehr abweisen dürfen?<br />
Wir leben in einer bunten Lebenswirklichkeit mit<br />
einer Vielfalt von Familienkonstellationen. Wir leben<br />
auch mit einem enormen wissenschaftlichen Fortschritt<br />
im Bereich der Reproduktionsmedizin – und daraus folgenden<br />
zahlreichen Fragestellungen, die vielfach noch<br />
rechtlicher Regelungen bedürfen. In der politischen und<br />
gesellschaftlichen Debatte wird dabei auch das jeweilige<br />
Familienbild berührt. Wir wissen längst, dass die<br />
sexuelle Identität der Eltern nicht entscheidend für das<br />
Kindeswohl ist. Die Vielfalt der sexuellen Identitäten der<br />
Eltern muss aber auch beim Abstammungsrecht immer<br />
mitbedacht werden, damit keine Person, die eine Familie<br />
gründen möchte, diskriminiert wird.<br />
Ich stelle mir auch die Frage, welche Regelungen wir<br />
hinsichtlich des Rechts auf Kenntnis der Abstammung<br />
finden, wenn der biologische Spender in einer ausländischen<br />
Samenbank aufgeführt ist. Darf es, kann es eine<br />
Ungleichbehandlung der Rechtsfolgen für die Beteiligten<br />
zu dem beim DIMDI existierenden Samenspenderregister<br />
geben? Vielleicht ist diese Frage aber auch noch nicht<br />
im Zusammenhang dieses Gesetzes zu klären.<br />
Es besteht grundlegender Reformbedarf im Abstammungsrecht.<br />
Um diesen Reformbedarf zu prüfen und um<br />
Lösungen vorzuschlagen, hat das Bundesministerium<br />
der Justiz und für Verbraucherschutz im Februar 2015<br />
den interdisziplinären Arbeitskreis „Abstammung“ eingerichtet.<br />
Hier sitzen Sachverständige für die Bereiche<br />
Familienrecht, Verfassungsrecht, Ethik und Medizin<br />
bzw. Psychologie zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern<br />
verschiedener Bundes- und Landesministerien.<br />
Im Sommer 2017 wird es den Abschlussbericht dieser<br />
Gruppe geben. Ich bin mir sicher: Zu den Ergebnissen<br />
des sehr breiten Themen- und Regelungsbereichs Abstammungsrecht<br />
wird es eine intensive gesellschaftliche<br />
und politische Debatte geben – und das ist auch gut so.<br />
Schließlich erleben wir den medizinisch-technischen und<br />
gesellschaftlichen Wandel mit seinen zahlreichen Fragestellungen<br />
und Herausforderungen. Wir wollen aber<br />
auch sicherstellen, dass eine Geburt ein Freudenereignis<br />
ist, wollen, dass Familie mit Sicherheit und Geborgenheit<br />
verbunden wird und nicht mit drohenden Rechtsstreitigkeiten<br />
oder unklarer Zugehörigkeit.<br />
Mein Fazit: Ich begrüße den vorliegenden Gesetzentwurf<br />
der Bundesregierung mit seinen spezifischen Regelungen<br />
als einen guten Aufschlag. Wir werden wie bei<br />
allen Gesetzen dazu intensive parlamentarische Beratungen<br />
führen. Ich bin aber schon jetzt sehr gespannt auf<br />
die große gesellschaftliche und politische Debatte, die<br />
wir nach Veröffentlichung des Abschlussberichtes des<br />
AK „Abstammung“ zu führen haben. Ich lade Sie ein:<br />
Diskutieren Sie mit uns Parlamentarierinnen und Parlamentariern<br />
dazu. Es geht um unser aller Zusammenhalt<br />
in Vielfalt.<br />
Kathrin Vogler (DIE LINKE): Der heute vorliegende<br />
Gesetzentwurf der Bundesregierung greift ein Anliegen<br />
auf, mit dem sich die Betroffenen immer wieder aktiv<br />
an die Politik gewendet haben: Auch Menschen, die mit<br />
einer Samenspende gezeugt wurden, haben das Recht darauf,<br />
ihre Abstammung zu kennen. In Deutschland werden<br />
jährlich etwa 1 200 Kinder nach einer heterologen<br />
Insemination, also einer Befruchtung der Frau mit Spendersamen,<br />
geboren. Insgesamt leben über 100 000 so gezeugte<br />
Menschen in Deutschland. Ihnen wird dieses Gesetz<br />
leider nicht mehr helfen können, ihren genetischen<br />
Vater zu finden, obwohl viele dieses Bedürfnis im Laufe<br />
ihres Lebens entwickeln. Bislang werden die Daten lediglich<br />
bei den Entnahmeeinrichtungen festgehalten. Die<br />
Suche nach der Herkunft erfordert also das Abfragen<br />
einzelner Samenbanken, in der Hoffnung, die richtige zu<br />
finden und dort auch die richtigen Daten zu erhalten, die<br />
bisher auch nur 30 Jahre aufbewahrt werden müssen.<br />
Die Idee, diese derzeit völlig zersplitterten Daten zukünftig<br />
zentral bei einer Bundesbehörde wie dem DIM-<br />
DI, dem Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation<br />
und Information, zu sammeln und bereitzustellen,<br />
löst das Problem der zersplitterten Daten für die Zukunft.<br />
Gleichzeitig muss geregelt werden, dass sich aus einer<br />
Samenspende kein Verwandtschaftsverhältnis begründet.<br />
Dieses könnte nämlich zu ziemlich schwierig zu lösenden<br />
rechtlichen Fragen führen – zum Beispiel im Bereich<br />
des Unterhalts- und Erbschaftsrechts.<br />
Der Verein „Spenderkinder“ hat zudem darauf gedrungen,<br />
dass sowohl der Spender als auch die sozialen Eltern<br />
vor der Samenspende ein verpflichtendes Beratungsangebot<br />
erhalten, um zu verstehen, dass die Kinder später<br />
das Bedürfnis haben könnten, ihren genetischen Vater<br />
kennenzulernen, und dass ein offener Umgang mit der<br />
Art der Zeugung für die familiäre Beziehung zwischen<br />
den sozialen Eltern und dem Kind positiv sein kann. Dem<br />
kommt der Gesetzentwurf zumindest teilweise nach.<br />
Leider hat die Bundesregierung die Anregung nicht<br />
aufgegriffen, eine Möglichkeit zu schaffen, den genetischen<br />
Vater in irgendeiner Weise in den Abstammungsdokumenten<br />
der Kinder zu nennen und trotzdem rechtliche<br />
Ansprüche auszuschließen. Wir werden in der<br />
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