Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. März 2017 22071<br />
Dr. Dietmar Bartsch<br />
(A)<br />
(B)<br />
Aber was machen Sie? Sie wollen lieber mehr Geld in<br />
Rüstung und Kriegsgerät stecken. Als das 2-Prozent-Ziel<br />
vereinbart worden ist, habe ich gedacht, es ist so ernst<br />
zu nehmen wie im Hinblick auf die Entwicklungspolitik<br />
eine ODA-Quote von 0,7 Prozent. Hier agieren Sie aber<br />
wirklich. Sie wollen 20 bis 30 Milliarden Euro mehr für<br />
Rüstung ausgeben. Mehr Verantwortung? Ja, damit bin<br />
ich einverstanden. Aber mehr in Rüstung investieren?<br />
Das ist doch eine Wahnsinnsidee! Was hat das denn mit<br />
der Bekämpfung von Fluchtursachen zu tun? Überhaupt<br />
nichts!<br />
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-<br />
NIS 90/DIE GRÜNEN)<br />
Geben Sie mehr Geld für die Entwicklungspolitik und<br />
den Klimaschutz, aber doch nicht für mehr Rüstung! Das<br />
ist doch der völlig falsche Weg. Was ist denn mit dem<br />
Satz „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen“?<br />
Das, was hier gemacht wird, ist doch das Gegenteil.<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
Ja, Europa ist in der größten Krise: Rechtspopulismus,<br />
Jugendarbeitslosigkeit, Finanzkrise. Frau Merkel,<br />
Sie sind seit über zehn Jahren Bundeskanzlerin, und deshalb<br />
tragen Sie für diese Krise relevant Verantwortung.<br />
Deswegen brauchen wir in der zentralen Industriemacht<br />
Europas einen Politikwechsel: Damit der soziale Zusammenhalt<br />
im Land wiederhergestellt wird und das große<br />
Projekt Europa nicht scheitert. Das ist ein Friedensprojekt<br />
gewesen und wird jetzt gefährdet.<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
Damit uns unsere Kinder und Enkel nicht irgendwann<br />
einmal fragen, was wir damals gemacht haben, ist jetzt<br />
Handeln und sind jetzt nicht nur salbungsvolle Worte angesagt.<br />
Herzlichen Dank.<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
Präsident Dr. Norbert Lammert:<br />
Das Wort erhält nun der Kollege Thomas Oppermann<br />
für die SPD-Fraktion.<br />
der transnationalen Zusammenarbeit erhalten bleibt, und<br />
sie gegen alle Angriffe von innen und von außen verteidigen;<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/<br />
DIE GRÜNEN)<br />
denn heute droht eine erneute Zeitenwende.<br />
Dass jetzt auch der amerikanische Präsident die EU<br />
angreift, ihre Gegner unterstützt und ihre Werte infrage<br />
stellt, konnten wir uns bisher nicht vorstellen. Es passt<br />
aber offenkundig nicht in das Weltbild von Donald<br />
Trump, dass 27 prinzipiell gleichberechtigte Nationen<br />
ihre Probleme gemeinsam lösen und ihre Interessen ausgleichen<br />
wollen. Das ist das exakte Gegenteil von „America<br />
First“. Amerika zuerst, Frankreich zuerst, wer auch<br />
immer zuerst: Dieser Neonationalismus kann kein Modell<br />
für das gute Zusammenleben der Völker im 21. Jahrhundert<br />
sein.<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜND-<br />
NISSES 90/DIE GRÜNEN)<br />
Wenn jeder nur noch auf seine eigenen Interessen schaut,<br />
dann werden am Ende alle verlieren.<br />
Gefahr droht der Europäischen Union aber nicht nur<br />
von außen, sondern durch nationalistische und rechtspopulistische<br />
Parteien auch von innen. In Polen und Ungarn<br />
sind Jaroslaw Kaczynski und Viktor Orban dabei, Grundwerte<br />
wie die Pressefreiheit und eine freie Justiz zu demontieren,<br />
und der Umgang mit Flüchtlingen in Ungarn,<br />
der im Augenblick praktiziert wird, ist indiskutabel.<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
der CDU/CSU und des Abg. Cem Özdemir<br />
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])<br />
Ich muss an dieser Stelle auch erwähnen: Gerade kam<br />
die Meldung, dass Polen damit droht, den EU-Gipfel<br />
platzen zu lassen, wenn kein rechtskonservativer Pole,<br />
sondern der liberale Donald Tusk zum EU-Ratspräsidenten<br />
gewählt wird. Ich finde, das ist peinlich.<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)<br />
Überall in Europa propagieren diese Kräfte Abschottung<br />
und nationales Denken. Die EU war noch nie in ihrer<br />
Geschichte so unter Druck. Von außen zeigen Putin<br />
und Trump ein unverhohlenes Interesse daran, Europa<br />
auseinanderzutreiben. Von innen warten Le Pen und<br />
Wilders darauf, ihnen dabei zu helfen. In diesen Tagen<br />
haben viele ein Interesse daran, die Europäische Union<br />
zu schwächen. Die Einzigen, die kein Interesse daran haben<br />
können, das sind die Menschen in Deutschland und<br />
Europa. Deshalb darf Europa, dürfen wir nicht zulassen,<br />
dass Europa von innen zerbricht, noch dass es von außen<br />
gespalten wird.<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
der CDU/CSU und der Abg. Marieluise Beck<br />
[Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])<br />
Ich finde, wir müssen jetzt mit mehr Mut für Europa<br />
kämpfen – so wie es zum Beispiel eine Bewegung macht,<br />
(C)<br />
(D)<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
der CDU/CSU)<br />
Thomas Oppermann (SPD):<br />
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In zwei<br />
Wochen jährt sich zum 60. Mal die Unterzeichnung der<br />
Römischen Verträge. Es ist keine Frage: Die Gründung<br />
der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft war eine Zeitenwende.<br />
Sie war der Grundstein für die Europäische<br />
Union und die europäische Antwort auf den jahrhundertelangen<br />
Nationalismus, der unendlich viel Krieg, Zerstörung<br />
und Unterdrückung hervorgebracht hat.<br />
Die Europäische Union hat uns jetzt 60 Jahre lang stabile<br />
Demokratien, Freiheit, Wachstum, Wohlstand und<br />
vor allen Dingen Frieden beschert. Deshalb sage ich:<br />
Welche Mängel diese Union auch immer haben mag, wir<br />
müssen alles dafür tun, dass diese weltweit einzige Form