Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. März 2017<br />
(A)<br />
(B)<br />
einer Blutentnahme im Bereich der Straßenverkehrsdelikte.<br />
Als einfachgesetzlicher Richtervorbehalt unterliegt<br />
§ 81a Absatz 2 Strafprozessordnung grundsätzlich der<br />
Disposition des Gesetzgebers, da im Normbereich von<br />
Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG zum Schutz der körperlichen<br />
Unversehrtheit im Rahmen von Verhältnismäßigkeit<br />
und Wesensgehaltgarantie Eingriffe aufgrund eines<br />
Gesetzes zulässig sind und kein grundgesetzlicher Richtervorbehalt<br />
besteht.<br />
Die Einschaltung eines Richters als „neutraler Wächter“<br />
soll die Kontrolle über die Anordnungsvoraussetzungen<br />
und die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes<br />
garantieren. Die StPO-Kommission des<br />
Bundesjustizministeriums hielt die Einschaltung eines<br />
Richters in diesem Bereich für verzichtbar – angesichts<br />
der geringen Eingriffstiefe und der weitgehenden Ungefährlichkeit<br />
der Blutentnahme, die ja in jedem Fall von<br />
einem Arzt vorzunehmen ist. Zudem muss der Richter<br />
schon heute meist am Telefon aus der Ferne entscheiden<br />
und sich dabei auf die von der Polizei vorgetragene Sachlage<br />
verlassen, ohne die Ermittlungsakten selbst einsehen<br />
zu können. Insofern spricht auch aus unserer Sicht<br />
vieles für die Aufhebung des Richtervorbehaltes, zumal<br />
Verkehrsdelikte unter Alkoholeinfluss ein Massenphänomen<br />
mit erheblichem Gefährdungspotenzial sind. Hinzu<br />
kommt, dass momentan keine einheitliche Praxis besteht,<br />
in welchen Fallkonstellationen die Polizei Blutproben<br />
schon wegen Gefahr im Verzug anordnen darf und wann<br />
dies dem Richter vorbehalten bleibt bzw. wann zumindest<br />
die Staatsanwaltschaft zu befassen ist.<br />
Der Gesetzentwurf sieht nun vor, dass die Anordnungsbefugnis<br />
durch die Staatsanwaltschaft oder ihre<br />
Ermittlungspersonen erfolgen kann. Das bedeutet wohl<br />
auch, dass trotz Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft<br />
die Polizei als verlängerter Arm der Staatsanwaltschaft<br />
ohne vorherige Weisung durch sie tätig werden<br />
kann, davon geht jedenfalls die Stellungnahme des Bundesrates<br />
aus.<br />
Was aber fehlt, ist eine ausdrückliche Dokumentationspflicht<br />
der Polizei, sofern sie die Anordnung vornimmt.<br />
Nur durch eine detaillierte Dokumentation der jeweiligen<br />
Gründe für die Anordnung einer Blutentnahme<br />
ist im Zweifel eine umfassende nachträgliche Überprüfung<br />
der Rechtmäßigkeit der Maßnahme möglich.<br />
Allerding darf die Aufhebung des Richtervorbehalts<br />
im Bereich der Straßenverkehrsdelikte nicht Einfallstor<br />
sein für weitere Verzichte auf dieses wichtige rechtsstaatliche<br />
Kontrollinstrument. Praktische Erwägungen<br />
wie etwa, dass die Entscheidungen ja ohnehin meist nur<br />
aus der Ferne getroffen werden, dürfen nicht allein als<br />
Argument für die Aufhebung einer richterlichen Kontrolle<br />
ausreichen.<br />
Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister<br />
der Justiz und für Verbraucherschutz: Wir<br />
befassen uns heute in erster Lesung mit dem Entwurf<br />
eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des<br />
Jugendgerichtsgesetzes, der Strafprozessordnung und<br />
weiterer Gesetze.<br />
Mit der Ausweitung des Fahrverbots setzen wir eine<br />
Vorgabe des Koalitionsvertrags um. Ein Fahrverbot<br />
stellt ein spürbares und empfindliches Übel dar. Um den<br />
Gerichten diese Strafmöglichkeit auch jenseits von verkehrsbezogenen<br />
Delikten zur Verfügung zu stellen, soll<br />
das Fahrverbot – unter Beibehaltung seines Rechtscharakters<br />
als Nebenstrafe – für alle Straftaten zugelassen<br />
werden. Seine Verhängung ist insbesondere dann sinnvoll,<br />
wenn eine Geldstrafe allein beim Verurteilten keinen<br />
hinreichenden Eindruck hinterlässt oder dadurch<br />
Verurteilungen zu spezialpräventiv eher kontraproduktiven<br />
kurzen Freiheitsstrafen vermieden werden können.<br />
Zudem soll die Höchstdauer des Fahrverbots im Strafgesetzbuch<br />
von derzeit drei auf sechs Monate angehoben<br />
und das Fahrverbot erst einen Monat nach Rechtskraft<br />
wirksam werden. Damit wollen wir den Gerichten einen<br />
erweiterten Bemessungsspielraum eröffnen und der Einlegung<br />
taktischer Rechtsmittel entgegenwirken.<br />
Zwar wurden gegen die Ausweitung des Fahrverbots<br />
von Teilen der Wissenschaft und der Verbände Einwände<br />
erhoben. Diese könnten aber fast durchgehend auch gegen<br />
das Fahrverbot in seiner jetzigen Form erhoben werden.<br />
Wie schon beim bisherigen Fahrverbot werden zum<br />
Beispiel die Gerichte auch beim ausgeweiteten Fahrverbot<br />
zu berücksichtigen haben, welche Auswirkungen das<br />
Fahrverbot für den konkret betroffenen Täter hätte, wie<br />
stark ihn das Verbot also treffen würde. Die Beibehaltung<br />
des Fahrverbots als Strafe, die nur neben einer Geld- oder<br />
Freiheitsstrafe verhängt werden kann, wird es den Gerichten<br />
erleichtern, sachwidrige Ungleichbehandlungen<br />
zu vermeiden und zielgenauer als bisher zu einer angemessenen<br />
Sanktionierung des Täters zu gelangen.<br />
Die besonders kritischen Argumente vieler Fachleute<br />
im Jugendstrafrecht haben wir ebenfalls nicht einfach<br />
übergangen; siehe etwa die Begrenzung der Höchstdauer<br />
des Fahrverbots im Jugendstrafrecht auf drei Monate.<br />
Letztlich muss immer der Jugendrichter im Einzelfall<br />
entscheiden, ob ein Fahrverbot konkret wirklich das Ziel<br />
fördert, eine erneute Straffälligkeit zu vermeiden, oder<br />
ob es womöglich sogar eher zusätzliche Probleme erwarten<br />
lässt.<br />
Auch die übrigen Inhalte dieses Gesetzentwurfs tragen<br />
nach meiner Überzeugung zu einer effizienteren<br />
Strafverfolgung bei.<br />
Im Bereich der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung<br />
werden mit der Schaffung von zwei neuen Regelbeispielen<br />
für besonders schwere Fälle solche Verhaltensweisen<br />
mit einer höheren Strafandrohung bedroht,<br />
die sich durch den hohen Organisationsgrad der Täter<br />
deutlich vom Grundtatbestand des Vorenthaltens und<br />
Veruntreuens von Arbeitsentgelt abheben.<br />
Im Strafverfahrensrecht wollen wir für bestimmte<br />
Straßenverkehrsdelikte eine Ausnahme von der vorrangigen<br />
richterlichen Anordnungskompetenz für die Entnahme<br />
von Blutproben schaffen, um der Polizei ein schnelleres<br />
Handeln zu ermöglichen und die Aufklärung von<br />
Verkehrsstraftaten insgesamt zu fördern.<br />
Außerdem enthält der Entwurf im Bereich des Strafvollstreckungsrechts<br />
Regelungsvorschläge, die eine<br />
Strafzurückstellung bei betäubungsmittelabhängigen<br />
(C)<br />
(D)