Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. März 2017 22239<br />
Lena Strothmann<br />
(A)<br />
Trotz der knappen Frist haben wir es geschafft, eine<br />
gemeinsame Rüge mit dem Koalitionspartner auf den<br />
Weg zu bringen. An dieser Stelle möchte ich ein herzliches<br />
Dankeschön an den Koalitionspartner für die gute<br />
Zusammenarbeit und die schnelle und unkomplizierte<br />
Abstimmung richten.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und<br />
der SPD)<br />
Vor allem die osteuropäischen Staaten, aber auch die<br />
Skandinavier und die Briten – trotz Brexit – unterstützen<br />
die Vorschläge.<br />
Für mich als Handwerksmeisterin und Sprecherin unserer<br />
Fraktion für das Handwerk sind zwei Punkte besonders<br />
kritisch: einmal die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit<br />
der Berufsreglementierungen und zum anderen<br />
die Elektronische Europäische Dienstleistungskarte.<br />
Deshalb will ich auf beide gesondert eingehen.<br />
Die Europäische Kommission kritisiert unverhältnismäßige<br />
und veraltete Reglementierungen als Hemmnis<br />
zum Berufszugang. Sie schlägt daher Verhältnismäßigkeitsprüfungen<br />
bei der Verabschiedung neuer Reglementierungen<br />
oder Änderungen vor. Hierzu werden elf neue<br />
Prüfkriterien vorgeschlagen, durch weitere zehn ergänzt,<br />
die die Entscheidungskompetenzen der nationalen Gesetzgeber<br />
einschränken. Die Annahme, dass Deregulierung<br />
und Liberalisierung zu mehr Wachstum führen, ist<br />
durchaus fraglich. Auch rechtlich gibt es da Zweifel.<br />
nationalen Parlamente ein. Es ist ein unverhältnismäßiger<br />
Eingriff in die Verwaltung und das öffentliche Wirtschaftsrecht<br />
der Mitgliedstaaten. Es kann nicht Ziel sein,<br />
neue, kostenintensive bürokratische Verwaltungsstrukturen<br />
in den Mitgliedstaaten zu schaffen. Die Schwierigkeiten<br />
im grenzüberschreitenden Dienstleistungsbereich<br />
liegen an anderer Stelle, zum Beispiel in mangelnden<br />
Sprachkenntnissen und unterschiedlichen technischen<br />
Ausstattungen.<br />
Mit der Subsidiaritätsrüge senden wir ein wichtiges<br />
Signal nach Brüssel. Außerdem wehren wir uns dagegen,<br />
dass jetzt schnell im informellen Trilog solche einschneidenden<br />
Entscheidungen getroffen werden. In unserem<br />
Entschließungsantrag zur Binnenmarktstrategie im Juni<br />
letzten Jahres haben wir uns bereits klar gegen solche<br />
Eingriffe positioniert.<br />
Europa steht vor großen Herausforderungen und ringt<br />
um Wege aus der Krise. Einmischungen in die Subsidiarität<br />
und der Ausbau unnötiger und unverhältnismäßiger<br />
Bürokratie in den Mitgliedstaaten bringen die Bürger<br />
immer mehr gegen die EU auf. Maßnahmen wie das<br />
Dienstleistungspaket treiben sie in die Arme der Europagegner.<br />
Ich weiß nicht, wie ich das meinen Handwerkern<br />
zu Hause erklären kann. Ich bitte daher um Ihre Unterstützung.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />
der SPD)<br />
(C)<br />
(B)<br />
Der EuGH hat bisher stets anerkannt, dass Berufsreglementierungen<br />
Sache der Nationalstaaten sind. Zudem<br />
gibt es bereits vier Verhältnismäßigkeitskriterien<br />
des europäischen Gesetzgebers im Rahmen der Anerkennungsrichtlinie.<br />
Auch die Mobilität im Binnenmarkt<br />
ist durch die Richtlinie zur Anerkennung von Berufsqualifizierungen<br />
gewährleistet und funktioniert vor allen<br />
Dingen. Die Prüfkriterien der Richtlinie schränken die<br />
Entscheidungsautonomie nationaler Gesetzgeber weiter<br />
ein. Außerdem müssen neue, unabhängige Stellen für<br />
die Verhältnismäßigkeitsprüfung von Berufsreglementierungen<br />
eingerichtet werden. Das widerspricht dem<br />
Verhältnismäßigkeitsprinzip und schafft neue, unnötige<br />
Bürokratie.<br />
Die Dienstleistungskarte soll grenzüberschreitende<br />
Arbeiten erleichtern. Praktisch soll die Karte von Dienstleistern<br />
in ihrem Herkunftsland beantragt werden, um in<br />
einem anderen Mitgliedstaat Leistungen zu erbringen.<br />
Das Zielland muss die Dienstleistungskarte akzeptieren<br />
und kann keine weiteren Anforderungen stellen. In der<br />
Praxis sind die geplanten Prüffristen von zwei Wochen<br />
viel zu kurz, sodass faktisch Genehmigungen ohne Prüfung<br />
erteilt werden. Auch hier sollen die Mitgliedstaaten<br />
entsprechende Behörden einrichten. So werden Doppelstrukturen<br />
geschaffen, da es bereits den einheitlichen Ansprechpartner<br />
in den Mitgliedstaaten gibt.<br />
Das Herkunftslandprinzip, das wir bei der Dienstleistungsrichtlinie<br />
noch verhindert haben, wird hier durch<br />
die Hintertür eingeführt. Das lehnen wir strikt ab. Auch<br />
für Dienstleister aus anderen EU-Staaten müssen weiter<br />
unsere Anforderungen gelten. Der Vorschlag schießt weit<br />
über das Ziel hinaus und schränkt die Kompetenzen der<br />
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:<br />
Vielen Dank. – Als nächstes hat Annalena Baerbock<br />
für Bündnis 90/Die Grünen das Wort.<br />
Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />
NEN):<br />
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen<br />
und Kollegen! Wir haben ja jetzt zu später Stunde noch<br />
heftige Kost.<br />
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Seid ihr ja<br />
schuld!)<br />
– Ja, zu Recht; das wollte ich gerade sagen. Es ist doch<br />
sehr wichtig, dass wir das hier diskutieren – Sie wollten<br />
das ja einfach so abstimmen lassen –; denn das Thema<br />
ist sehr komplex. Das Thema ist, weil es hochjuristisch<br />
ist, sicherlich keines, das die Herzen der Menschen erwärmen<br />
wird. Eher das Gegenteil ist der Fall. Wenn man<br />
falsch argumentiert, droht die Gefahr, dass es wieder zur<br />
Stimmungsmache gegen Europa taugt. Deswegen ist es<br />
sehr wichtig, dass wir uns differenziert mit der Kritik<br />
auseinandersetzen.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />
Man muss hier zwischen materieller Kritik, dem, was<br />
man inhaltlich in den Richtlinien falsch findet, und der<br />
Subsidiaritätsfrage trennen. Frau Strothmann, das haben<br />
Sie hier aus meiner Sicht leider alles durcheinandergebracht;<br />
denn die Frage der Subsidiarität lautet: Hat die<br />
EU hier eine Kompetenz? Darf die EU hier rechtlich aktiv<br />
werden? Wir reden nicht darüber, wie viele Wochen<br />
man jetzt eine Prüffrist hat. Das kommt später im Verfah-<br />
(D)