Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. März 2017 22143<br />
Parl. Staatssekretär Christian Lange<br />
(A)<br />
(B)<br />
Vielzahl der Verfahren innerhalb kurzer Zeit, nämlich im<br />
amtsgerichtlichen Verfahren innerhalb von drei Monaten,<br />
abgeschlossen.<br />
Aber es gibt zunehmend Strafverfahren, die die Justiz<br />
vor große Herausforderungen stellen. Deshalb hat<br />
der Bundesjustizminister zu Beginn der Legislaturperiode<br />
eine Expertenkommission gebeten, Vorschläge zur<br />
weiteren Effektivierung und Steigerung der Praxistauglichkeit<br />
der Strafjustiz zu erarbeiten. Der Gesetzentwurf,<br />
über den wir heute in erster Lesung beraten, greift die<br />
Empfehlungen dieser Kommission auf. Er betont dabei,<br />
dass sich eine Effektivierung des Strafverfahrens nicht<br />
allein auf Beschleunigungs- und Vereinfachungsaspekte<br />
beschränken darf. Effektivierung des Strafverfahrens bedeutet<br />
auch und vor allem, die bestmögliche Feststellung<br />
des wahren Sachverhalts als zentrale Grundlage schuldangemessenen<br />
Strafens durch zeitgemäße strafprozessuale<br />
Regeln zu fördern. Genau das wollen wir tun.<br />
Im Mittelpunkt unseres Gesetzentwurfes steht deshalb<br />
die Regelung zur audiovisuellen Dokumentation von Beschuldigtenvernehmungen.<br />
Die Expertenkommission hat<br />
hierzu in ihrem Abschlussbericht völlig zu Recht festgestellt,<br />
dass die gesetzlichen Vorgaben zur Protokollierung<br />
dieser Vernehmungen nicht dem Stand und den Möglichkeiten<br />
des 21. Jahrhunderts entsprechen.<br />
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN]: Jetzt wird es auch nicht besser!)<br />
Die Praxis hält trotz bereits vor Jahren geschaffener Möglichkeiten<br />
der Bild-Ton-Aufzeichnung weitgehend an den<br />
überkommenen Protokollierungen in Form schriftlicher<br />
Inhaltsprotokolle fest. Sie schöpft damit die Möglichkeiten<br />
nicht aus, durch eine präzise, wortgenaue Aufzeichnung<br />
der Vernehmungsinhalte die Wahrheitsfindung als<br />
zentrale Aufgabe der Strafverfahren entscheidend zu verbessern.<br />
Deshalb wollen wir die Bild-Ton-Aufzeichnung<br />
jetzt jedenfalls bei Kapitaldelikten und bei besonders<br />
schutzbedürftigen Beschuldigten verpflichtend anordnen<br />
und Ausnahmen hiervon nur noch in ganz engen Grenzen<br />
zulassen.<br />
(Beifall bei der SPD – Hans-Christian Ströbele<br />
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur bei Tötungsdelikten!<br />
Das ist lachhaft!)<br />
Die audiovisuelle Dokumentation des Vernehmungsgeschehens<br />
ist der Mitschrift durch die vernehmenden<br />
Beamten weit überlegen. Das gilt gerade bei schweren<br />
Tatvorwürfen mit oft langwierigen Beschuldigtenvernehmungen.<br />
Die Aufzeichnung der Vernehmung ist in<br />
diesen Fällen auch deshalb besonders effektiv, weil sie<br />
das Vernehmungsgeschehen objektiv und für jeden Verfahrensbeteiligten<br />
später auch nachvollziehbar abbildet.<br />
Zweifel am Vernehmungsergebnis oder an der Art, wie<br />
ein Geständnis zustande gekommen ist, kommen deshalb<br />
erst gar nicht auf.<br />
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN]: Ja!)<br />
Häufig wirkt sich dies auch im weiteren Verfahren, etwa<br />
durch den Verzicht auf die Vernehmung der Vernehmungsbeamten,<br />
positiv aus.<br />
Eine effektive Verfahrensgestaltung erfordert immer<br />
auch ein transparentes und kommunikatives Verhandeln.<br />
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner grundlegenden<br />
Entscheidung zur Verständigung ganz ausdrücklich<br />
betont, dass eine offene, kommunikative Verhandlungsführung<br />
der gesamten Verfahrensführung dienlich ist<br />
und daher eine selbstverständliche Anforderung an die<br />
sachgerechte Prozessleitung darstellt. Unser Gesetzesvorhaben<br />
sieht deshalb vor, die Grundsätze von Kommunikation<br />
und Transparenz auch im Gesetz weiter zu verankern<br />
und die hierzu bereits bestehenden Regelungen<br />
zu ergänzen.<br />
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN]: Aha!)<br />
Die Pflicht des Gerichts, den äußeren Ablauf der Hauptverhandlung<br />
in umfangreichen Verfahren vorab mit den<br />
Beteiligten abzustimmen, gehört dabei zu den eigentlich<br />
selbstverständlichen Anforderungen an eine kommunikative<br />
Verhandlungsführung.<br />
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN]: Das geschieht ja heute schon!<br />
Alte Kamellen! 70er-Jahre!)<br />
Dies gilt gleichermaßen für die Pflicht des Gerichts, dem<br />
Verteidiger zu Beginn der Hauptverhandlung das Wort zu<br />
geben.<br />
Natürlich enthält der Gesetzentwurf darüber hinaus<br />
auch zahlreiche Regelungen, die auf eine Beschleunigung<br />
der Verfahrensabläufe abzielen,<br />
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN]: Zum Beispiel?)<br />
ohne dabei in die Verfahrensgrundrechte der Beteiligten<br />
einzugreifen. Beispielhaft für die vielen Gesetzesänderungen,<br />
die der Entwurf hierzu enthält, nenne ich hier<br />
nur die neue Vorschrift zur Fristsetzung für Beweisanträge,<br />
die erst zum Schluss der Hauptverhandlung gestellt<br />
werden. Ein Beweisantrag, der erst nach Ablauf der vom<br />
Gericht hierfür gesetzten Frist gestellt wird, ist danach<br />
nicht etwa unzulässig. Das wäre mit den Grundsätzen des<br />
Strafverfahrens und den Beschuldigtenrechten nicht zu<br />
vereinbaren. Das Gericht kann aber künftig solche Anträge,<br />
wenn es sie für unbegründet hält, im Urteil und nicht<br />
durch immer neue Beschlüsse in der laufenden Hauptverhandlung,<br />
die das Verfahren verzögern, ablehnen.<br />
Meine Damen und Herren, der vorgelegte Gesetzentwurf<br />
wird damit dem Ziel, das Strafverfahren praxistauglicher<br />
und zugleich effektiver auch im Sinne der<br />
Verbesserung von Kommunikation, Transparenz und<br />
Dokumentation auszugestalten, mit all seinen Inhalten<br />
gerecht. Ich bitte Sie deshalb um wohlwollende Beratung<br />
und schließlich um Zustimmung.<br />
Herzlichen Dank.<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
der CDU/CSU)<br />
(C)<br />
(D)