Flexibilität
Credit Suisse bulletin, 1999/01
Credit Suisse bulletin, 1999/01
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SCHWERPUNKT<br />
12<br />
um 6,8 Prozent zurückgestuft wurde und<br />
der Nasdaq 8,6 Prozent einbrach (siehe<br />
Grafik Seite 13). Diese massiven Einbrüche<br />
haben zwar ihren Ursprung in der Russlandkrise.<br />
Wieso die Verwerfung jedoch gerade<br />
am 31. August eintraf, als es von Russland<br />
keine nennenswerten Neuigkeiten gab,<br />
vermag die moderne Finanzmarkttheorie<br />
nicht zu erklären. Diese besagt, dass der<br />
Markt nie über- oder unterbewertet sein<br />
kann, da alle relevanten Informationen im<br />
Preis enthalten sind. Behavioral Finance<br />
hält einer solchen Aussage entgegen,<br />
dass Investoren nicht rational, sondern<br />
normal beziehungsweise emotional han-<br />
Sie ziehen es vor, einen Titel mit Gewinn<br />
zu veräussern. Doch ob ein einzelner Wert<br />
mit Gewinn oder Verlust verkauft wird,<br />
ändert an der Gesamtbewertung des Portfolios<br />
nichts. Behavioral Finance kommt in<br />
diesem Fall zum Schluss, dass der Mensch<br />
eine Abneigung hat, Verlierer zu verkaufen,<br />
da er hofft, sein Titel werde in Zukunft<br />
sicher wieder zulegen. Ein ähnliches Phänomen<br />
stellt man auch bei professionellen<br />
Investoren fest. Statt die Rendite ihres<br />
gesamten Portfolios in Betracht zu ziehen,<br />
reagieren sie auf Schwankungen einzelner<br />
Titel. Während ein rationaler Anleger immer<br />
sein gesamtes Portfolio im Auge hätte,<br />
stellt der normale Investor emotionale<br />
Überlegungen über die Gewinne oder Verluste<br />
einzelner Positionen an.<br />
Zahlreiche Finanzspezialisten versuchen<br />
auch von «irrationalen Märkten» zu profitieren,<br />
um höhere Gewinne zu erzielen. Es<br />
gibt zum Beispiel Fonds, die ein «meanreversion<br />
pattern» verfolgen: Ziel dieser<br />
langfristigen Strategie ist es, in Titel zu<br />
investieren, die grosse Abweichungen<br />
gegenüber der generellen Tendenz des<br />
Marktes aufweisen. Der Leiter des Fonds<br />
deln und deshalb an den Märkten auf die<br />
verschiedenste Art getäuscht werden können<br />
(siehe Box Seite 13).<br />
Auch im Falle des Long-Term Capital<br />
Management Funds (LTCM) gelangt man<br />
zu interessanten Folgerungen. Beim LTCM<br />
handelt es sich um einen US-Risikofonds,<br />
der mit derivativen Instrumenten handelte<br />
und Ende September 1998 wahrscheinlich<br />
nur durch das Eingreifen der amerikanischen<br />
Zentralbank vor der Pleite gerettet<br />
wurde. Obwohl in der Fondsleitung auch<br />
zwei Nobelpreisträger einsassen, kam es<br />
zum Eklat. Behavioral Finance liefert dazu<br />
einfache Erklärungen: Die Verhaltenseigenschaften<br />
eines normalen, im Gegensatz<br />
zum rationalen, Investor täuschten die<br />
Urteilskraft der Fondsleitung. Zu diesen<br />
Verhaltensmustern gehört übertriebener<br />
Optimismus, der empirisch belegbar ist.<br />
Dieser ist es auch, der 80 Prozent aller<br />
Autofahrer glauben lässt, sie würden besser<br />
fahren als der Durchschnitt.<br />
In den gleichen Topf gehört das übertriebene<br />
Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten,<br />
den Markt besser zu lesen als andere.<br />
Dies führt unweigerlich zur Illusion, das Geschehen<br />
unter Kontrolle zu haben. Damit<br />
lässt sich das Verhalten vieler Investoren<br />
bei hoch bewerteten Märkten erklären.<br />
Zwar befürchten viele, dass es zum Crash<br />
kommen könnte; trotzdem vertrauen sie<br />
auf ihre Fähigkeiten, die Verwerfung rechtzeitig<br />
zu erkennen und aussteigen zu können,<br />
anstatt ihre Risikoposition zu reduzieren.<br />
Andererseits bekunden zahlreiche<br />
Marktteilnehmer Mühe, einen Titel aus<br />
ihrem Portfolio mit Verlust zu verkaufen.<br />
OPTISCHE TÄUSCHUNG<br />
Gemäss Behavioral Finance funktionieren<br />
Investoren nicht rational,<br />
sondern normal beziehungsweise<br />
emotional. Deshalb können sie an<br />
den Märkten auf verschiedene Arten<br />
getäuscht werden. Die hier dargestellte<br />
optische Täuschung verdeutlicht<br />
das Argument: Beide Linien<br />
sind gleich lang; dennoch nehmen<br />
wir die eine Linie länger wahr als die<br />
andere.<br />
IBILITÄT<br />
rechnet nämlich damit, dass Titel unterbewertet<br />
sind, die während einer gewissen<br />
Zeit eine unterdurchschnittliche Rendite<br />
erzielen. Denn das Vertrauen der Marktteilnehmer<br />
wird sich nur langsam aufbauen,<br />
selbst wenn das Unternehmen aus fundamentaler<br />
Sicht wieder gesund ist. Auch<br />
kurzfristig glauben gewisse Fonds, sie<br />
könnten von der Irrationalität der Märkte<br />
profitieren. Sie verfolgen «trending patterns»:<br />
Gemäss diesen wird ein monatelang steigender<br />
Titel noch weiter zulegen, obschon<br />
er wahrscheinlich überbewertet ist. Zahlreiche<br />
Anleger würden nämlich lieber einen<br />
Verlust in Kauf nehmen, als später bereuen,<br />
den Titel nicht gekauft zu haben,<br />
wenn dieser noch weiter steigt.<br />
Die oben erwähnten Strategien haben<br />
sich manchmal als erfolgreich erwiesen,<br />
aber empirische Untersuchungen, welche<br />
die Profitabilität dieser Methoden beweisen<br />
könnten, fehlen noch. Zudem sind<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 1 |99