Flexibilität

Weitere Magazine

Info

ECONOMIC RESEARCH 34 ADRIANO LUCATELLI (LINKS) UND THOMAS STEINEMANN, EURO-SPEZIALISTEN IM ECONOMIC RESEARCH DER CREDIT SUISSE. EURO AUF KURS DIE NEUE WÄHRUNG IST LANCIERT. WIRD SIE IHRE UMLAUFBAHN STÖRUNGSFREI ERREICHEN? ZWEI SPEZIALISTEN NEHMEN STELLUNG. INTERVIEW: ANDREAS THOMANN, REDAKTION BULLETIN ANDREAS THOMANN Der Startschuss zum Euro A.T. Pragmatisch in welchem Sinne ? ist gefallen, und die europäische Zentralbank A.L. Zwar steht für die EZB-Verantwortlichen (EZB) hat am ersten Januar dieses Jahres ihre Amtsgeschäfte aufgenommen. Ist ihr der Start gelungen ? das Ziel der Geldwertstabilität klar im Vordergrund. Wenn es die Situation erlaubt, werden sie aber auch andere wirtschaftspolitische THOMAS STEINEMANN Durchaus, soweit Ziele berücksichtigen. man dies im jetzigen Zeitpunkt überhaupt schon sagen kann. Wie jede andere Zentralbank A.T. Ist die Leitzinssenkung nicht vielmehr hat sie zunächst die nötigen Massnahmen getroffen, um die Liquiditätsversorgung in ihrer Währungszone, dem Euroland, zu gewährleisten. unter politischem Druck zustandegekommen, namentlich seitens des deutschen Finanzministers Oskar Lafontaine ? T.S. Bestimmt nicht. Die Buba fällte den ADRIANO LUCATELLI Um den Führungsstil Entscheid völlig autonom, nämlich erst der EZB zu beurteilen, würde ich die Politik der Deutschen Bundesbank (Buba) dann, als sie kein Aufflackern der Inflation befürchten musste. in der zweiten Hälfte des Jahres 1998 mitberücksichtigen. So war die Leitzinssenkung der Buba im vergangenen Herbst bereits eine EZB-Massnahme; man wollte dem Euro einen ruhigen Start erlauben. Die Massnahme hat gezeigt, dass man durchaus mit einer pragmatischen Politik der EZB rechnen kann. A.T. Dennoch haben die versuchten Einflussnahmen gewisser Politiker die Frage nach der Unabhängigkeit der EZB aufgeworfen. T.S. Hier besteht kein Grund zur Beunruhigung. Der Maastrichter Vertrag garantiert der EZB die vollständige Unabhängigkeit. Über Geldpolitik wird ausschliesslich im CREDIT SUISSE BULLETIN 1 |99
ECONOMIC RESEARCH 35 Rat der EZB entschieden (siehe auch Box auf Seite 36). Es gibt nur ein Gremium, das einen gewissen Einfluss auf die EZB nehmen kann: der Ecofin, also der Rat der Finanzminister. Bei den langfristigen Leitlinien der Währungspolitik hat er ein Wort mitzureden. So wäre es theoretisch möglich, dass der Ecofin gegen den Willen der EZB einen Beschluss fasst – was sehr unwahrscheinlich ist. A.T. Was hat es denn überhaupt für einen Sinn, wenn Politiker versuchen, der EZB dreinzureden ? A.L. Es ist das legitime Recht von Politikern, ihre geldpolitischen Vorstellungen in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Die jetzige politische Konstellation in der EU wird dafür sorgen, dass es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten zwischen einzelnen Regierungen und der EZB kommen wird. Denn auf der einen Seite haben wir mehrheitlich sozialdemokratisch regierte Länder mit einem gewissen Hang zu einer eher lockeren, wachstumsorientierten Geldpolitik, auf der anderen Seite die EZB, deren Statuten von einem monetaristischen Geist geprägt sind, mit der Geldwertstabilität als oberstem Ziel. Wichtig ist nun, dass die EZB jederzeit unabhängig entscheiden kann, ob und wie sie auf politische Diskussionen zu reagieren gedenkt. A.T. Ist die EZB ein europäisches Abbild der amerikanischen Zentralbank (Fed) ? T.S. Es gibt effektiv viele Gemeinsamkeiten zwischen den beiden wichtigsten Zentralbanken der Welt. Von der Unabhängigkeit haben wir bereits gesprochen. Ähnlichkeiten bestehen aber auch in der dezentralen Struktur. So sind die zwölf Fed-Distrikte vergleichbar mit den elf EWU-Mitgliedsstaaten und ihren nationalen Notenbanken, wobei letztere ein grösseres Gewicht haben. Dies zeigt sich im Abstimmungsprozess: In der EZB haben alle nationalen Notenbankenchefs eine Stimme, im Fed nur ein Teil der Distriktsvertreter. Und Alan Greenspan, der Fed-Präsident, hat ein Vetorecht. Ich gehe aber davon aus, dass dieser grössere Einfluss der nationalen Untereinheiten in der EZB mit der Zeit zurückgehen wird. Die gleiche Entwicklung hatte übrigens auch das Fed durchgemacht. Man sah mit der Zeit ein, wie wichtig eine zentrale Führung ist. A.T. Besteht nicht ein weiterer grosser Unterschied zu den USA darin, dass jeder der elf Staaten der EWU eine eigene Wirtschaftspolitik verfolgt ? A.L. Der Unterschied ist nicht so gross, wie man meinen könnte. Denn auch die amerikanischen Bundesstaaten verfolgen eine ziemlich eigenständige Wirtschaftspolitik, etwa im Bereich der Steuern. Zudem werden sich die EWU-Länder wirtschaftspolitisch noch stärker aufeinander zu bewegen. A.T. Wo sehen Sie mögliche Stolpersteine für den Euro ? T.S. Es gibt im wesentlichen zwei Szenarien, bei denen der Euro ins Straucheln geraten könnte – beide sind aber nicht sehr wahrscheinlich. Das eine wäre eine schlechte wirtschaftliche Entwicklung im Euroland mit einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die einzelnen Staaten ADRIANO LUCATELLI: wären versucht oder gezwungen, mit einer expansiven Fiskalpolitik die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Die Folge: eine Überschreitung der im Stabilitätspakt definierten Budgetdefizitgrenzen. A.T. Und das zweite Szenario ? T.S. In diesem Fall gelänge es den Ländern nicht, ihre Konjunkturzyklen längerfristig zu koordinieren. Angenommen, die deutsche Wirtschaftslokomotive läuft mit voller Kraft voraus, die spanische dagegen kommt nicht auf Touren, dann müsste die EZB gleichwohl die geldpolitische Handbremse angezogen halten, und Spanien hätte unter hohen Zinsen zu leiden. A.T. Was wäre die Folge für den Euro, würde eines dieser Szenarien eintreffen ? T.S. Der Worst Case wäre letztlich die Auflösung der Währungsunion oder das Austreten einzelner Mitglieder. Dieser Fall ist aber sehr unwahrscheinlich und im Vertrag schon gar nicht vorgesehen. Wahrscheinlicher ist, dass man versuchen würde, einem Land mit einer angeschlagenen Wirtschaft mittels Ausgleichszahlungen über die Runden zu helfen. Oder dass man die Kriterien des Stabilitätspakts vorübergehend grosszügiger interpretiert – wie im Maastricht-Vertrag vorgesehen. Der Preis dieser Massnahmen wäre zum einen ein schwächerer Euro und zum andern höhere Zinsen – als Ausdruck einer höheren Risikoprämie für alle, die ihr Geld in Euro anlegen. A.T. Und die Folgen für die Schweiz ? A.L. Der Franken würde zur Fluchtwährung. Es flösse Kapital in die Schweiz, «DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK WIRD PRAGMATISCH VORGEHEN.» CREDIT SUISSE BULLETIN 1 |99
Seite 1 und 2: DAS MAGAZIN DER CREDIT SUISSE FEBRU
Seite 3 und 4: INHALTSVERZEICHNIS 3 SCHWERPUNKT 4
Seite 5 und 6: SCHWERPUNKT 5 Betrieb. Rund 400 Zuh
Seite 7 und 8: SCHWERPUNKT 7 tives Zeichen ist fü
Seite 9 und 10: SCHWERPUNKT 9 «In der Arbeitswelt
Seite 11 und 12: SCHWERPUNKT 11 MACHT DER GEFÜHLE D
Seite 13 und 14: SCHWERPUNKT 13 diese Strategien sch
Seite 15 und 16: SCHWERPUNKT 15 terstützen, um ihre
Seite 17 und 18: SCHWERPUNKT 17 WAS MEINEN DIE ERWER
Seite 19 und 20: SCHWERPUNKT 19 «MEHR ALS EINMAL HA
Seite 21 und 22: SCHWERPUNKT 21 Ein täglicher Hochs
Seite 23 und 24: SCHWERPUNKT 23 «AN MANCHEN ABENDEN
Seite 25 und 26: SCHWERPUNKT 25 Tatsächlich laufen
Seite 27 und 28: SCHWERPUNKT 27 letztlich nichts and
Seite 29 und 30: NEWS 29 DAS BULLETIN GEHT INS NETZ
Seite 31 und 32: ECONOMIC RESEARCH 31 SCHNITTSTELLE
Seite 33: ECONOMIC RESEARCH 33 gegenüber, di
Seite 37 und 38: ECONOMIC RESEARCH 37 UNSERE PROGNOS
Seite 39 und 40: ECONOMIC RESEARCH 39 50 Prozent lag
Seite 41 und 42: ECONOMIC RESEARCH 41 all nahezu bli
Seite 43 und 44: ECONOMIC RESEARCH 43 UNSERE PROGNOS
Seite 45 und 46: SCHAUPLATZ 45 IM CYBERSPACE C.P. Wa
Seite 47 und 48: STUDIE 47 VON CLAUDE LONGCHAMP Ende
Seite 49 und 50: SERVICE 49 Arbeitslosigkeit ein Gra
Seite 51 und 52: SERVICE 51 VON PASQUALE FERRARA Kre
Seite 53 und 54: SERVICE 53 zulande sind es nur zwö
Seite 55 und 56: SERVICE 55 INTERVIEW MIT HEINZ GRUN
Seite 57 und 58: MAGAZIN 57 Temperament, mit dem sie
Seite 59 und 60: Darauf blieben mir nur zehn Tage Fe
Seite 61 und 62: MAGAZIN 61 EIN BREITES SPEKTRUM FÜ
Seite 63: EINE CREDIT SUISSE-MITARBEITERIN WA

Flexibilität

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

Template löschen?

Als Template speichern?