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Credit Suisse bulletin, 1999/01
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SERVICE<br />
48<br />
das Schweizer Volk in den neunziger Jahren<br />
geprägt. Die Veränderungen gegenüber<br />
dem Problembewusstsein der achtziger<br />
Jahre, als immaterielle Forderungen<br />
im Zentrum standen, sind augenfällig.<br />
Arbeitslosigkeit wurde verdrängt<br />
In den neunziger Jahren ist es noch zu<br />
keiner so fundamentalen Umkehrung des<br />
Problembewusstseins gekommen; wir<br />
können deshalb noch nicht von einem<br />
Wertewandel sprechen. Immerhin verweist<br />
die Entwicklung der letzten Jahre<br />
auf neue Spuren:<br />
– Anfänglich wurde die Arbeitslosenproblematik<br />
namentlich in der deutschsprachigen<br />
Schweiz verdrängt.<br />
– In einer zweiten Phase, während der<br />
Jahre 1996 und 1997, ist dies einer<br />
schockartigen Reaktion gewichen, die<br />
eine breite Verunsicherung in der<br />
Bevölkerung ausgelöst hat.<br />
– 1998 scheinen sich die Schweizerinnen<br />
und Schweizer vermehrt auf das Hauptproblem<br />
und seine Folgen einzustellen;<br />
sie suchen vermehrt nach Auswegen.<br />
Willkommen auf der Grossbaustelle<br />
Eine Art «neuer Realismus» macht sich<br />
breit, bei dem das Problembewusstsein<br />
verstärkt auf die längerfristigen Folgen<br />
und Zusammenhänge der Wirtschaftslage<br />
ausgerichtet ist. Die hauptsächlichen Probleme<br />
werden immer mehr als «Grossbaustellen»<br />
verstanden, bei denen es keinen<br />
raschen Umbau gibt und bei deren Neukonstruktion<br />
es für den einzelnen wie<br />
auch für die Politik und Wirtschaft darauf<br />
ankommt, neue Wege zu gehen und neue<br />
Koalitionen zu suchen.<br />
DER AUTOR DIESES BEITRAGS,<br />
CLAUDE LONGCHAMP,<br />
IST POLITIKWISSENSCHAFTER UND CO-LEITER<br />
DES GFS-FORSCHUNGSINSTITUTS IN BERN.<br />
EMAIL: CLONGCHAMP@GFS-BE.CH<br />
ZUKUNFTS-<br />
AUSSICHTEN<br />
ZUKUNFTSFORSCHER ROLF HOMANN<br />
REIST INS JAHR 2020 UND ZURÜCK.<br />
INTERVIEW: CHRISTIAN PFISTER,<br />
REDAKTION BULLETIN<br />
CHRISTIAN PFISTER Eigentlich ist unser Gespräch<br />
überflüssig, Herr Homann, schliesslich<br />
wird dieses Jahr die Welt untergehen.<br />
ROLF HOMANN Das sehe ich ziemlich<br />
anders. Ich halte solche Prognosen für eine<br />
typische Spätentwicklung einer Gesellschaft,<br />
in der die Religionen zusammenbrechen.<br />
Auch dieses ganze Traritrara<br />
ums Jahr 2000 ist nichts anderes als esoterisches<br />
Marketing und insofern idiotisch.<br />
C.P. Ein Weltuntergang ist also für Sie kein<br />
Szenario, das zu studieren sich lohnt ?<br />
R.H. In der Zukunftsforschung arbeiten<br />
wir immer mit verschiedenen Szenarien.<br />
Solchen, die wünschenswert sind, solchen,<br />
die wahrscheinlich sind, und Szenarien,<br />
die sehr negativ formuliert sind, damit die<br />
Gesellschaft sie abwenden kann.<br />
C.P. Sei’s drum, die Schweizerinnen und<br />
Schweizer beschäftigten 1998 keine esoterischen<br />
Nöte, sondern Fragen wie Arbeitslosigkeit<br />
und die Sorge um die Gesundheit.<br />
Was bewegt unser Land in zwanzig Jahren ?<br />
R.H. Zum einen leben wir in einer Übergangsgesellschaft;<br />
wir entwickeln uns zu<br />
einer elektronischen Informationsgesellschaft.<br />
Hier gibt es Probleme für jene<br />
Leute, die von der herkömmlichen Industriegesellschaft<br />
abhängen. Wir müssen uns<br />
damit abfinden, dass viele Jobs im industriellen<br />
Sektor und im Dienstleistungsbereich<br />
unwiderruflich verschwinden werden.<br />
Zudem wird in der Diskussion um die<br />
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