Flexibilität
Credit Suisse bulletin, 1999/01
Credit Suisse bulletin, 1999/01
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CARTE BLANCHE:<br />
GIANFRANCO COTTI<br />
SHAREHOLDER UND STAKEHOLDER<br />
VALUE SIND WIE DIE ZWEI SEITEN<br />
DESSELBEN SCHAUFENSTERS<br />
GIANFRANCO COTTI,<br />
MITGLIED DES VERWALTUNGSRATES<br />
DER CREDIT SUISSE<br />
«<br />
In geschäftlichen Kreisen und insbesondere<br />
im Verwaltungsrat wird man immer wieder<br />
mit den Fragen konfrontiert: Was ist die<br />
Aufgabe eines Verwaltungsrates ? Welche<br />
Ziele soll er verfolgen ? Wer ist berechtigt,<br />
an eine Unternehmung Forderungen zu<br />
stellen ? Immer noch aktuell ist die Frage<br />
der Gegenüberstellung des eigentümerbezogenen<br />
Shareholder Values mit dem gesellschaftsorientierten<br />
Stakeholder Value.<br />
Wie sollen sich die Unternehmungen in<br />
einem marktwirtschaftlichen System bewegen<br />
? Welche ist ihre Rolle ? Gerade die<br />
Banken mit ihrer zentralen Funktion im Wirtschafts-<br />
und Geldkreislauf stehen in dieser<br />
Diskussion im Mittelpunkt. Die Antworten<br />
fallen vielschichtig und nicht eindeutig aus.<br />
Shareholders und Stakeholders bilden<br />
schliesslich ein Ganzes im Wirtschaftsraum.<br />
In erfolgreichen Volkswirtschaften<br />
geht man auf die Erwartungen aller Beteiligten<br />
ein. Es ist unmöglich, Shareholder<br />
Value nachhaltig zu maximieren, wenn man<br />
den Konsumenten schlechte Ware anbietet,<br />
die Arbeitnehmer mit tiefen Löhnen<br />
«ausbeutet» oder die Ansprüche der öffentlichen<br />
Hand negiert. Es braucht die<br />
Unterstützung all dieser Beteiligten, um<br />
dauerhaft unternehmerischen Wert zu<br />
schaffen. Der Erfolg eines Unternehmens<br />
hängt ja weitgehend sowohl von der Weitsicht<br />
der leitenden Gremien wie auch vom<br />
Können und Einsatz seiner Mitarbeiter und<br />
Mitarbeiterinnen ab, die jedoch nur dann<br />
herausragende Leistungen erbringen,<br />
wenn sie motiviert sind und sich mit ihrem<br />
Unternehmen identifizieren. Und schliesslich<br />
soll auch die öffentliche Hand, welche<br />
weitgehend, wenn nicht ausschliesslich,<br />
die Rahmenbedingung festlegt, zu ihrem<br />
Recht kommen. Das Aktionariat darf sich<br />
deshalb nicht isolieren und im Alleingang<br />
handeln. Es liegt durchaus in seinem Interesse,<br />
dass die Stakeholders in einem Umfang<br />
am Gewinn partizipieren – sei dies direkt<br />
oder indirekt –, welcher das Ansehen<br />
des Unternehmens in der Gesellschaft<br />
und besonders bei den Kunden gewährleistet<br />
und erhöht. Nur so wird es dem<br />
Unternehmen gelingen, seine wirtschaftlichen<br />
Ziele nachhaltig und langfristig zu<br />
erreichen. Shareholder und Stakeholder<br />
Value sind wie die zwei Seiten eines und<br />
desselben Schaufensters, einmal von innen<br />
und einmal von aussen betrachtet. Die<br />
Effizienz, die Organisation und die operativen<br />
Aspekte gehören zu den wichtigsten<br />
Werten eines Unternehmens. Sie sind<br />
jedoch wertlos ohne die gesellschaftliche,<br />
die politische und insbesondere die menschliche<br />
Dimension.<br />
Beide Sichtweisen, die eigentümerbezogene<br />
und die gesellschaftsorientierte,<br />
dürfen nicht extrem und einseitig interpretiert<br />
werden oder gar als Gegensätze<br />
betrachtet werden. Shareholder- und Stakeholder-Optik<br />
müssen gemeinsame Ziele<br />
verfolgen. Wird dies unterlassen, kann es<br />
unerwünschte und gefährliche Folgen nach<br />
sich ziehen, etwa dann, wenn im Namen<br />
der gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen<br />
Verantwortung die Erhaltung nicht<br />
mehr lebensfähiger Strukturen gefordert<br />
wird.<br />
Die Optik des Shareholders muss deshalb<br />
in diejenige des Stakeholders integriert<br />
werden. Dies ist die Aufgabe des Verwaltungsrates.<br />
Weil er aus Personen unterschiedlicher<br />
Herkunft und Ausrichtung<br />
und mit verschiedenen Erfahrungen besteht,<br />
ist er qualifiziert, die Ansprüche der<br />
interessierten Kreise einander gegenüberzustellen,<br />
zu gewichten und zu berücksichtigen.<br />
Nur so ist der Verwaltungsrat<br />
imstande, seine Aufgaben erfolgreich<br />
wahrzunehmen, sei es bei der Konzipierung<br />
einer Strategie, die zum Erfolg<br />
»<br />
führt,<br />
sei es bei der dynamischen Oberaufsicht.<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 1 |99