Flexibilität
Credit Suisse bulletin, 1999/01
Credit Suisse bulletin, 1999/01
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ECONOMIC RESEARCH<br />
42<br />
kostenmässig den Bestand im Mietwohnungsmarkt<br />
stark konkurrenziert. Weil<br />
derzeit die Finanzierungsbedingungen<br />
günstig und Baukosten sowie Landpreise<br />
gefallen sind, hat sich nicht nur die Differenz<br />
zwischen Kauf und Miete eingeebnet.<br />
Auch Mieter können heute wählen, ob sie<br />
in eine Wohnung umziehen, die sie bei<br />
gleicher Qualität, Ausstattung und Grösse<br />
weniger kostet, oder ob sie eine luxuriösere,<br />
grosszügigere Wohnung wählen,<br />
ohne dafür mehr auslegen zu müssen.<br />
Der momentane Leerstand ist folglich<br />
nicht der Leerstand der Zukunft – im Gegenteil.<br />
Langfristig werden nämlich nicht<br />
die in jüngster Zeit neuerstellten Wohnungen<br />
zu Problemfällen avancieren, selbst<br />
wenn sie momentan schwer zu vermarkten<br />
sind. Vielmehr dürften die Hochpreiswohnungen<br />
aus der Boomperiode mittelfristig<br />
problematisch abzusetzen oder zu vermieten<br />
sein. Denn diese wurden zu hohen<br />
Baukosten und auf überrissen teurem<br />
Bauland erstellt und mussten noch zu<br />
hohen Zinsen finanziert werden. Ebenfalls<br />
gefährdet sind ältere Wohnungen oder<br />
solche an unattraktiver Lage, die qualitativ<br />
mit dem aufgefrischten Angebot nicht<br />
mehr Schritt halten können. Wo die Differenz<br />
von Alt- zu Neumieten bis zu 20 Prozent<br />
oder mehr beträgt, lohnt es sich, die<br />
älteren Wohnungen durch Umbau und<br />
Auffrischung auf Marktkonformität hin zu<br />
trimmen. Dass dies gegenwärtig auch der<br />
Fall ist, dokumentiert die stark gestiegene<br />
Renovationstätigkeit im Wohnungsbau.<br />
Die beschriebenen Entwicklungen am<br />
Wohnungsmarkt sind bereits seit drei<br />
Jahren in vollem Gange – und ein Ende ist<br />
nicht in Sicht. Denn die Neubautätigkeit<br />
steht keineswegs still, auch wenn sie das<br />
HIGHLIGHTS AUF DER ANGEBOTSSEITE DES SCHWEIZER<br />
IMMOBILIENMARKTS:<br />
• Schweizweit stehen derzeit etwa 62000 Wohnungen leer – ohne Einfamilienhäuser.<br />
• Die regionalen Unterschiede sind gross: In Genf sind 41 Prozent der leerstehenden<br />
Wohnungen Einzimmerwohnungen, in Zürich sind es gerade mal<br />
14 Prozent und in etlichen Kantonen deutlich weniger als zehn Prozent.<br />
• Die Leerstandsquote von Wohnungen, welche nicht älter als zwei Jahre sind,<br />
sinkt. Sie fiel nach unseren Schätzungen von fast 14 Prozent im Jahre 1994 auf<br />
etwa acht Prozent im vergangenen Jahr.<br />
• Der Anteil der leerstehenden Neuwohnungen (in den letzten zwei Jahren gebaut)<br />
am gesamten Leerstand beträgt elf Prozent gesamtschweizerisch bei einer Leerstandsquote<br />
von 1,85 Prozent.<br />
• In Zürich liegt der Anteil von Neuwohnungen bei fast 17 Prozent. Trotz tieferer<br />
Leerstandsquote (1,15 Prozent) sind Neuwohnungen also in Zürich derzeit<br />
schwieriger zu vermarkten als beispielsweise in Solothurn. Dort beträgt der<br />
Anteil der neuerstellten Wohnungen am Leerstand «nur» 8,5 Prozent; die Leerwohnungsquote<br />
liegt allerdings auf hohen drei Prozent.<br />
Spitzenniveau von 1994/95 bei weitem<br />
nicht mehr erreicht. Die Anpassungsprozesse<br />
haben Mieten und Preise auf<br />
breiter Front ins Rutschen gebracht, wenn<br />
auch nicht in dem vermuteten Ausmass.<br />
Zwar sind Preisrückgänge von mehr als<br />
«DIE VERMARKTUNG VON<br />
IMMOBILIEN BEGINNT HEUTE<br />
SCHON AUF DEM REISSBRETT.»<br />
20 Prozent durchaus keine Seltenheit,<br />
doch trifft dies nicht auf den Gesamtmarkt<br />
zu. Dies liegt auch daran, dass für etliche<br />
ältere Wohnungen das Mietertragspotential<br />
nicht voll ausgeschöpft wurde. Renovationen<br />
sind dort nicht nur nötig, damit<br />
der eventuell drohende Leerstand vermieden<br />
wird, sondern sie können durchaus<br />
Ertragssteigerungen ermöglichen.<br />
Der Markt befindet sich in einem ständigen<br />
Wandel. Deshalb ist es wichtig, sämtliche<br />
Erfolgsfaktoren eventueller Immobilienengagements<br />
zu kennen und richtig zu<br />
antizipieren. Dazu gehört die Kenntnis<br />
des Nachfragepotentials einerseits und<br />
sämtlicher Angebotstrends andererseits<br />
(siehe die beiden Kästen auf Seite 41 und<br />
42). Nicht zu unterschätzen sind aber<br />
auch regionalspezifische Ausprägungen.<br />
Insbesondere die variierende regionale<br />
Standortattraktivität verlangt von allen<br />
Akteuren, von den Promotoren und den<br />
Investoren hauptsächlich, eine professionellere<br />
Marktbeurteilung, als dies in der<br />
Vergangenheit der Fall gewesen ist.<br />
Makrogrössen sind zuverlässigere Gradmesser<br />
der zukünftigen Entwicklungstrends<br />
als Mikrofaktoren. Standortevaluation oder<br />
regionale und objektspezifische Diversifikationsstrategien<br />
im Management von<br />
Liegenschaftenportefeuilles müssen inskünftig<br />
auf einer integrierten Marktanalyse<br />
fussen, um auch langfristig den Markt<br />
schlagen zu können. Die Zeiten, in denen<br />
die Engagements aus dem Bauch heraus<br />
entschieden wurden, sind definitiv vorbei.<br />
MARTIN NEFF, TELEFON (01) 333 24 84<br />
E-MAIL: MARTIN.NEFF@CREDIT-SUISSE.CH<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 1 |99