CARTE BLANCHE: GIANFRANCO COTTI SHAREHOLDER UND STAKEHOLDER VALUE SIND WIE DIE ZWEI SEITEN DESSELBEN SCHAUFENSTERS GIANFRANCO COTTI, MITGLIED DES VERWALTUNGSRATES DER CREDIT SUISSE « In geschäftlichen Kreisen und insbesondere im Verwaltungsrat wird man immer wieder mit den Fragen konfrontiert: Was ist die Aufgabe eines Verwaltungsrates ? Welche Ziele soll er verfolgen ? Wer ist berechtigt, an eine Unternehmung Forderungen zu stellen ? Immer noch aktuell ist die Frage der Gegenüberstellung des eigentümerbezogenen Shareholder Values mit dem gesellschaftsorientierten Stakeholder Value. Wie sollen sich die Unternehmungen in einem marktwirtschaftlichen System bewegen ? Welche ist ihre Rolle ? Gerade die Banken mit ihrer zentralen Funktion im Wirtschafts- und Geldkreislauf stehen in dieser Diskussion im Mittelpunkt. Die Antworten fallen vielschichtig und nicht eindeutig aus. Shareholders und Stakeholders bilden schliesslich ein Ganzes im Wirtschaftsraum. In erfolgreichen Volkswirtschaften geht man auf die Erwartungen aller Beteiligten ein. Es ist unmöglich, Shareholder Value nachhaltig zu maximieren, wenn man den Konsumenten schlechte Ware anbietet, die Arbeitnehmer mit tiefen Löhnen «ausbeutet» oder die Ansprüche der öffentlichen Hand negiert. Es braucht die Unterstützung all dieser Beteiligten, um dauerhaft unternehmerischen Wert zu schaffen. Der Erfolg eines Unternehmens hängt ja weitgehend sowohl von der Weitsicht der leitenden Gremien wie auch vom Können und Einsatz seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ab, die jedoch nur dann herausragende Leistungen erbringen, wenn sie motiviert sind und sich mit ihrem Unternehmen identifizieren. Und schliesslich soll auch die öffentliche Hand, welche weitgehend, wenn nicht ausschliesslich, die Rahmenbedingung festlegt, zu ihrem Recht kommen. Das Aktionariat darf sich deshalb nicht isolieren und im Alleingang handeln. Es liegt durchaus in seinem Interesse, dass die Stakeholders in einem Umfang am Gewinn partizipieren – sei dies direkt oder indirekt –, welcher das Ansehen des Unternehmens in der Gesellschaft und besonders bei den Kunden gewährleistet und erhöht. Nur so wird es dem Unternehmen gelingen, seine wirtschaftlichen Ziele nachhaltig und langfristig zu erreichen. Shareholder und Stakeholder Value sind wie die zwei Seiten eines und desselben Schaufensters, einmal von innen und einmal von aussen betrachtet. Die Effizienz, die Organisation und die operativen Aspekte gehören zu den wichtigsten Werten eines Unternehmens. Sie sind jedoch wertlos ohne die gesellschaftliche, die politische und insbesondere die menschliche Dimension. Beide Sichtweisen, die eigentümerbezogene und die gesellschaftsorientierte, dürfen nicht extrem und einseitig interpretiert werden oder gar als Gegensätze betrachtet werden. Shareholder- und Stakeholder-Optik müssen gemeinsame Ziele verfolgen. Wird dies unterlassen, kann es unerwünschte und gefährliche Folgen nach sich ziehen, etwa dann, wenn im Namen der gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Verantwortung die Erhaltung nicht mehr lebensfähiger Strukturen gefordert wird. Die Optik des Shareholders muss deshalb in diejenige des Stakeholders integriert werden. Dies ist die Aufgabe des Verwaltungsrates. Weil er aus Personen unterschiedlicher Herkunft und Ausrichtung und mit verschiedenen Erfahrungen besteht, ist er qualifiziert, die Ansprüche der interessierten Kreise einander gegenüberzustellen, zu gewichten und zu berücksichtigen. Nur so ist der Verwaltungsrat imstande, seine Aufgaben erfolgreich wahrzunehmen, sei es bei der Konzipierung einer Strategie, die zum Erfolg » führt, sei es bei der dynamischen Oberaufsicht. CREDIT SUISSE BULLETIN 1 |99
EINE CREDIT SUISSE-MITARBEITERIN WAGT DEN BALANCEAKT. KANTINE «ALFRED-ESCHER-HAUS», CREDIT SUISSE, ZÜRICH, 11.55 UHR.