Flexibilität
Credit Suisse bulletin, 1999/01
Credit Suisse bulletin, 1999/01
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ECONOMIC RESEARCH<br />
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gegenüber, die nicht einmal fünf Prozent<br />
ihrer Kapitalanlagen ausserhalb des eigenen<br />
Landes investiert haben. Diese Heimatverbundenheit<br />
wird schwinden. Das<br />
stimuliert die Aktienmärkte, freut die<br />
staatlichen Emittenten und beunruhigt die<br />
nationalen Steuerbehörden.<br />
Bankkunden wollen auch weitere Geschäfte<br />
künftig über die Grenzen hinweg<br />
abschliessen. Der Euro macht nämlich die<br />
Preise transparenter und erleichtert damit<br />
den Vergleich zwischen in- und ausländischen<br />
Anbietern. Vor allem standardisierte<br />
Produkte etwa im Hypothekar- und Versicherungsbereich<br />
bieten sich dafür an.<br />
Voraussetzung ist jedoch, dass die Konsumenten<br />
mit den elektronischen Absatzkanälen<br />
vertraut und von einem vergleichbaren<br />
Aufsichtsstandard überzeugt sind.<br />
Zudem müssen steuerliche Hindernisse<br />
verschwinden. Denn Anbieter im Ausland<br />
sind chancenlos, wenn nur inländische Hypothekarzinsen<br />
und Versicherungsprämien<br />
steuerlich abzugsfähig sind.<br />
Ähnliches gilt für die Firmenkunden,<br />
wenn der Euro das wirtschaftliche Wachstum<br />
begünstigt und den innereuropäischen<br />
Austausch von Gütern und Dienstleistungen<br />
erleichtert. Die Unternehmen<br />
werden künftig mehr grenzüberschreitende<br />
Handelsfinanzierungen, Zahlungsverkehrstransaktionen<br />
und Cash-Management-<br />
Möglichkeiten brauchen.<br />
Schweiz und EU sind eng verbunden<br />
Das Finanzgeschäft in Europa wird verstärkt<br />
internationalisiert und von einer<br />
neuen Strukturbereinigung erfasst. Institute<br />
strecken ihre Fühler elektronisch ins<br />
Ausland aus. Andere sind in bestimmten<br />
Geschäftsfeldern für Kooperationen mit<br />
Partnerbanken in einzelnen Ländern. Zu<br />
erwarten ist auch, dass die Firmenzusammenschlüsse<br />
deutlich zunehmen. Paneuropäische<br />
Fusionen bleiben wenigen<br />
Konzernen vorbehalten; aber das Potential<br />
an Instituten, die sich innerhalb eines Marktes<br />
oder zwischen kulturell verwandten<br />
Ländern zusammenschliessen, ist gross.<br />
DER EURO HAT AUCH WIRKUNGEN AUF DEN FINANZSEKTOR SCHWEIZ:<br />
• Da elf nationale Währungen im Euro aufgegangen sind, gehen dem Devisenhandel<br />
in der Schweiz gut zehn Prozent seines Volumens verloren. Sollte die<br />
Schweiz der EU beitreten und auf den Franken verzichten, wären es rund<br />
25 Prozent.<br />
• Für internationale Investoren, die ihre Portefeuilles neu diversifizieren müssen,<br />
bieten sich der US-Dollar, das britische Pfund und Anlagen in Schweizerfranken<br />
an. Dies belebt die entsprechenden Börsensegmente.<br />
• Weil bei der Redenominierung von Wertpapieren aus dem EWU-Raum in Euro<br />
kein einheitliches Verfahren vorgeschrieben ist, müssen die hiesigen Banken bei<br />
ihrer traditionell internationalen Wertschriftenverwaltung mit allen Varianten klarkommen.<br />
• Um den Euro als Zweitwährung in der Schweiz effizient zu verarbeiten, musste<br />
man die entsprechende Infrastruktur anpassen. So wurde beispielsweise im<br />
Zahlungsverkehr das euroSIC geschaffen.<br />
• Anfang 2002 werden gewaltige Mengen von Bargeld umgetauscht, was eine<br />
verstärkte Geldwäschereitätigkeit auch in der Schweiz befürchten lässt. Deshalb<br />
gilt im Rahmen der bestehenden und bewährten Massnahmen eine erhöhte<br />
Vorsicht.<br />
Die Schweiz ist mit der EU wirtschaftlich<br />
eng und auf vielfältige Weise verbunden<br />
– das gilt ebenfalls für den Finanzplatz.<br />
Um jedoch vom gemeinsamen Finanzmarkt<br />
der EU profitieren zu können, brauchen<br />
die hiesigen Banken eine direkte<br />
Präsenz durch Tochtergesellschaften.<br />
Daran ändert auch das ausgehandelte bilaterale<br />
Vertragswerk nichts. Die EU-Einheitslizenz<br />
für Kreditinstitute, Wertpapierhäuser<br />
und Anlagefonds ist von der<br />
Schweiz aus nicht zu haben.<br />
Trotzdem rückt der Euro den Finanzplatz<br />
Schweiz ins Rampenlicht. Die Freiheit<br />
des Kapitalverkehrs wird ja begünstigt,<br />
weil das Währungsrisiko innerhalb der<br />
EWU wegfällt. Da die Union befürchtet,<br />
dass Anlagen im Ausland bei der Steuerdeklaration<br />
vergessen gehen, müssen<br />
bessere Kontrollmöglichkeiten her. Bei<br />
einem Alleingang der EU ist es nicht<br />
erfolgsversprechend, dass Kapitalerträge<br />
automatisch an die Steuerbehörden gemeldet<br />
werden oder dass eine entsprechende<br />
Quellensteuer eingeführt wird. Darum<br />
muss die Gemeinschaft auch Drittstaaten<br />
in eine Lösung einbeziehen. Die Schweiz<br />
kann aber nur zu einem kompatiblen System<br />
Hand bieten, wenn auch die Schlupflöcher<br />
in der EU gestopft werden.<br />
Der Euro mit seiner Katalysatorwirkung<br />
bewirkt schliesslich, dass der Finanzplatz<br />
Schweiz traditionelle Stärken mit anderen<br />
Zentren teilen muss. Das zwingt zu aktivem<br />
Handeln. So hat die Börse Schweiz mit<br />
ihrem System, welches Handel, Clearing<br />
und Settlement elektronisch verknüpft,<br />
einen internationalen Vorsprung. Dieses<br />
herausragende Know-how muss die<br />
Schweiz nutzen, indem sie mit anderen<br />
Börsenplätzen zusammenarbeitet oder<br />
ans Ausland verlorene Handelsaktivitäten<br />
zurückgewinnt. Hier zeigt sich indes deutlich,<br />
dass eine klare Strategie und technisches<br />
Know-how nicht genügen, wenn<br />
der Handel mit der Stempelsteuer belastet<br />
wird. Zur Verteidigung der Wettbewerbsfähigkeit<br />
sind nicht nur die Finanzinstitute,<br />
sondern auch die Politiker gefordert.<br />
FRITZ STAHEL, TELEFON (01) 333 32 84<br />
E-MAIL: FRITZ.STAHEL@CREDIT-SUISSE.CH<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 1 |99