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Flexibilität

Credit Suisse bulletin, 1999/01

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ECONOMIC RESEARCH<br />

33<br />

gegenüber, die nicht einmal fünf Prozent<br />

ihrer Kapitalanlagen ausserhalb des eigenen<br />

Landes investiert haben. Diese Heimatverbundenheit<br />

wird schwinden. Das<br />

stimuliert die Aktienmärkte, freut die<br />

staatlichen Emittenten und beunruhigt die<br />

nationalen Steuerbehörden.<br />

Bankkunden wollen auch weitere Geschäfte<br />

künftig über die Grenzen hinweg<br />

abschliessen. Der Euro macht nämlich die<br />

Preise transparenter und erleichtert damit<br />

den Vergleich zwischen in- und ausländischen<br />

Anbietern. Vor allem standardisierte<br />

Produkte etwa im Hypothekar- und Versicherungsbereich<br />

bieten sich dafür an.<br />

Voraussetzung ist jedoch, dass die Konsumenten<br />

mit den elektronischen Absatzkanälen<br />

vertraut und von einem vergleichbaren<br />

Aufsichtsstandard überzeugt sind.<br />

Zudem müssen steuerliche Hindernisse<br />

verschwinden. Denn Anbieter im Ausland<br />

sind chancenlos, wenn nur inländische Hypothekarzinsen<br />

und Versicherungsprämien<br />

steuerlich abzugsfähig sind.<br />

Ähnliches gilt für die Firmenkunden,<br />

wenn der Euro das wirtschaftliche Wachstum<br />

begünstigt und den innereuropäischen<br />

Austausch von Gütern und Dienstleistungen<br />

erleichtert. Die Unternehmen<br />

werden künftig mehr grenzüberschreitende<br />

Handelsfinanzierungen, Zahlungsverkehrstransaktionen<br />

und Cash-Management-<br />

Möglichkeiten brauchen.<br />

Schweiz und EU sind eng verbunden<br />

Das Finanzgeschäft in Europa wird verstärkt<br />

internationalisiert und von einer<br />

neuen Strukturbereinigung erfasst. Institute<br />

strecken ihre Fühler elektronisch ins<br />

Ausland aus. Andere sind in bestimmten<br />

Geschäftsfeldern für Kooperationen mit<br />

Partnerbanken in einzelnen Ländern. Zu<br />

erwarten ist auch, dass die Firmenzusammenschlüsse<br />

deutlich zunehmen. Paneuropäische<br />

Fusionen bleiben wenigen<br />

Konzernen vorbehalten; aber das Potential<br />

an Instituten, die sich innerhalb eines Marktes<br />

oder zwischen kulturell verwandten<br />

Ländern zusammenschliessen, ist gross.<br />

DER EURO HAT AUCH WIRKUNGEN AUF DEN FINANZSEKTOR SCHWEIZ:<br />

• Da elf nationale Währungen im Euro aufgegangen sind, gehen dem Devisenhandel<br />

in der Schweiz gut zehn Prozent seines Volumens verloren. Sollte die<br />

Schweiz der EU beitreten und auf den Franken verzichten, wären es rund<br />

25 Prozent.<br />

• Für internationale Investoren, die ihre Portefeuilles neu diversifizieren müssen,<br />

bieten sich der US-Dollar, das britische Pfund und Anlagen in Schweizerfranken<br />

an. Dies belebt die entsprechenden Börsensegmente.<br />

• Weil bei der Redenominierung von Wertpapieren aus dem EWU-Raum in Euro<br />

kein einheitliches Verfahren vorgeschrieben ist, müssen die hiesigen Banken bei<br />

ihrer traditionell internationalen Wertschriftenverwaltung mit allen Varianten klarkommen.<br />

• Um den Euro als Zweitwährung in der Schweiz effizient zu verarbeiten, musste<br />

man die entsprechende Infrastruktur anpassen. So wurde beispielsweise im<br />

Zahlungsverkehr das euroSIC geschaffen.<br />

• Anfang 2002 werden gewaltige Mengen von Bargeld umgetauscht, was eine<br />

verstärkte Geldwäschereitätigkeit auch in der Schweiz befürchten lässt. Deshalb<br />

gilt im Rahmen der bestehenden und bewährten Massnahmen eine erhöhte<br />

Vorsicht.<br />

Die Schweiz ist mit der EU wirtschaftlich<br />

eng und auf vielfältige Weise verbunden<br />

– das gilt ebenfalls für den Finanzplatz.<br />

Um jedoch vom gemeinsamen Finanzmarkt<br />

der EU profitieren zu können, brauchen<br />

die hiesigen Banken eine direkte<br />

Präsenz durch Tochtergesellschaften.<br />

Daran ändert auch das ausgehandelte bilaterale<br />

Vertragswerk nichts. Die EU-Einheitslizenz<br />

für Kreditinstitute, Wertpapierhäuser<br />

und Anlagefonds ist von der<br />

Schweiz aus nicht zu haben.<br />

Trotzdem rückt der Euro den Finanzplatz<br />

Schweiz ins Rampenlicht. Die Freiheit<br />

des Kapitalverkehrs wird ja begünstigt,<br />

weil das Währungsrisiko innerhalb der<br />

EWU wegfällt. Da die Union befürchtet,<br />

dass Anlagen im Ausland bei der Steuerdeklaration<br />

vergessen gehen, müssen<br />

bessere Kontrollmöglichkeiten her. Bei<br />

einem Alleingang der EU ist es nicht<br />

erfolgsversprechend, dass Kapitalerträge<br />

automatisch an die Steuerbehörden gemeldet<br />

werden oder dass eine entsprechende<br />

Quellensteuer eingeführt wird. Darum<br />

muss die Gemeinschaft auch Drittstaaten<br />

in eine Lösung einbeziehen. Die Schweiz<br />

kann aber nur zu einem kompatiblen System<br />

Hand bieten, wenn auch die Schlupflöcher<br />

in der EU gestopft werden.<br />

Der Euro mit seiner Katalysatorwirkung<br />

bewirkt schliesslich, dass der Finanzplatz<br />

Schweiz traditionelle Stärken mit anderen<br />

Zentren teilen muss. Das zwingt zu aktivem<br />

Handeln. So hat die Börse Schweiz mit<br />

ihrem System, welches Handel, Clearing<br />

und Settlement elektronisch verknüpft,<br />

einen internationalen Vorsprung. Dieses<br />

herausragende Know-how muss die<br />

Schweiz nutzen, indem sie mit anderen<br />

Börsenplätzen zusammenarbeitet oder<br />

ans Ausland verlorene Handelsaktivitäten<br />

zurückgewinnt. Hier zeigt sich indes deutlich,<br />

dass eine klare Strategie und technisches<br />

Know-how nicht genügen, wenn<br />

der Handel mit der Stempelsteuer belastet<br />

wird. Zur Verteidigung der Wettbewerbsfähigkeit<br />

sind nicht nur die Finanzinstitute,<br />

sondern auch die Politiker gefordert.<br />

FRITZ STAHEL, TELEFON (01) 333 32 84<br />

E-MAIL: FRITZ.STAHEL@CREDIT-SUISSE.CH<br />

CREDIT SUISSE BULLETIN 1 |99

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