Flexibilität
Credit Suisse bulletin, 1999/01
Credit Suisse bulletin, 1999/01
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ECONOMIC RESEARCH<br />
36<br />
THOMAS STEINEMANN:<br />
«ES GIBT KEINEN GRUND, DEN FRANKEN<br />
AN DEN EURO ZU BINDEN.»<br />
was den Frankenkurs ansteigen liesse.<br />
Dies hätte Vorteile, etwa tiefe Zinsen<br />
und billigere Importe, doch die Nachteile<br />
wären höhere Preise unserer Exporte.<br />
A.T. Wenden wir uns ab von diesen düsteren<br />
Szenarien. Wahrscheinlicher scheint ohnehin,<br />
dass sich der Euro neben dem Dollar<br />
als weltweit zweitwichtigste Währung etablieren<br />
wird. Oder wird er dem Dollar sogar<br />
den Rang ablaufen ?<br />
A.L. Wir gehen mittelfristig nicht davon<br />
aus. Der Dollar hat sich bereits als Weltwährung<br />
etabliert. Da herrscht bei Notenbanken<br />
und Anlegern eine gewisse Trägheit,<br />
alte Gewohnheiten über den Haufen<br />
zu werfen. Und der Dollar verfügt über<br />
einen Leistungsausweis, den sich der Euro<br />
erst erarbeiten muss. Hinzu kommt: Der<br />
Dollar wurde erst durch das permanente<br />
US-Leistungsbilanzdefizit zur Weltreservewährung.<br />
Das Euroland hingegen weist<br />
einen Ertragsbilanzüberschuss aus. Dies<br />
wird sich deshalb nicht so schnell umkehren<br />
können, weil global gesehen die Summe<br />
aller Leistungsbilanzsaldi null ergibt.<br />
A.T. Der Euro wird den Dollar also so schnell<br />
nicht verdrängen. Wo kann er ihn allenfalls<br />
bedrängen ?<br />
A.L. Im Handel mit Osteuropa wird<br />
der Euro zur wichtigsten Handelswährung<br />
avancieren. Auch als Reservewährung<br />
wird er eine wachsende Rolle spielen.<br />
A.T. Die Schweiz ist vom Euroland umgeben.<br />
Ist es nicht denkbar, dass die Nationalbank<br />
den Franken an den Euro bindet ?<br />
A.L. Denkbar schon, doch nicht sehr<br />
wahrscheinlich – allein schon aus politi-<br />
schen Gründen. Denn eine Bindung des<br />
Frankens an den Euro käme de facto einer<br />
Mitgliedschaft in der EWU gleich. Sollte<br />
die Schweiz dies wollen, so würde sie<br />
den umgekehrten Weg beschreiten und<br />
zuerst der EU beitreten.<br />
A.T. Und wenn der Franken beispielsweise<br />
unter starken Aufwertungsdruck geriete ?<br />
A.L. Dann würde die Nationalbank<br />
versuchen, mit allen Mitteln ihre Unabhängigkeit<br />
zu wahren, etwa durch das<br />
Einschiessen von mehr Liquidität oder das<br />
Senken des Diskontsatzes.<br />
A.T. Eine ketzerische Frage zum Schluss:<br />
Wäre es denn überhaupt schlimm, wenn die<br />
Schweiz ihre geldpolitische Autonomie aufgäbe<br />
?<br />
T.S. Um eine Antwort zu geben, muss<br />
man den Leistungsausweis der National-<br />
bank mit demjenigen der Buba vergleichen.<br />
Und dieser Vergleich fällt zugunsten<br />
der Schweizer Geldpolitiker aus: In den<br />
letzten zwanzig Jahren war die Inflationsrate<br />
in der Schweiz mit ein paar Ausnahmen<br />
signifikant niedriger als in Deutschland.<br />
Sichtbarer Ausdruck dieser besseren<br />
Performance ist ein Zinsbonus von rund<br />
1,5 Prozent gegenüber Deutschland. Insofern<br />
gibt es keinen Grund, die eigene<br />
Geldpolitik aufzugeben.<br />
THOMAS STEINEMANN, TELEFON (01) 333 87 60;<br />
E-MAIL THOMAS.STEINEMANN@CREDIT-<br />
SUISSE.CH<br />
ADRIANO LUCATELLI, TELEFON (01) 333 23 07<br />
E-MAIL ADRIANO.LUCATELLI@CREDIT-<br />
SUISSE.CH<br />
DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK AUF EINEN BLICK<br />
Die Europäische Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt ist aus drei Gremien<br />
zusammengesetzt:<br />
– Dem Direktorium mit dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und weiteren<br />
vier Mitgliedern. Das Direktorium setzt die Politik der EZB um.<br />
– Dem EZB-Rat: Neben dem Direktorium sitzen hier die elf Direktoren der<br />
nationalen Zentralbanken des Euroraums. Im 17köpfigen EZB-Rat gilt «one<br />
man one vote». Der Rat bestimmt die Politik der EZB.<br />
– Dem erweiterten Rat: In ihm treffen sich der Präsident und der Vizepräsident<br />
der EZB mit den Zentralbankdirektoren der 15 EU-Länder. Der erweiterte Rat<br />
hat konsultative Funktionen und sichert den Informationsaustausch zwischen<br />
der EZB und den EU-Zentralbanken, die nicht zum Euroraum gehören.<br />
Die Leitlinien der EZB wurden im Vertrag von Maastricht festgelegt. Priorität hat<br />
die Geldwertstabilität, die momentan durch eine Inflationsrate von höchstens<br />
zwei Prozent definiert ist. Erster Präsident der EZB ist der Niederländer Wim<br />
Duisenberg. Er wurde für eine Amtszeit von acht Jahren gewählt.<br />
Weitere Informationen zum Euro finden Sie im Internet unter www.creditsuisse.ch/economic-research<br />
oder unter www.credit-suisse.ch/bulletin.<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 1 |99