Flexibilität
Credit Suisse bulletin, 1999/01
Credit Suisse bulletin, 1999/01
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SCHWERPUNKT<br />
23<br />
«AN MANCHEN ABENDEN DREHT ES IN<br />
MEINEM KOPF EINFACH WEITER»<br />
«Wer in meinem Business nicht ständig<br />
Tuchfühlung mit seinem Team hat, der ist<br />
schnell weg vom Fenster.» Hansruedi<br />
Stadler, Verantwortlicher für das Schweizer<br />
Emissionsgeschäft bei der CREDIT<br />
SUISSE FIRST BOSTON und Prototyp eines<br />
flexiblen Bankers, lässt darum stets<br />
beide Türen seines Büros offen. Nahe<br />
dran am Geschehen ist der sportlich wirkende<br />
Mitvierziger ohnehin: Nur eine<br />
Glaswand trennt sein Kabäuschen vom<br />
Handelsraum, dem wohl emsigsten Grossraumbüro<br />
im labyrinthartigen Komplex des<br />
Zürcher Üetlihofs. Auf Hunderten von<br />
Bildschirmen flimmern hier ununterbrochen<br />
die neuesten Daten der globalen Finanz-<br />
und Devisenmärkte. Dahinter sitzt,<br />
dicht gedrängt, ein Heer von Händlern,<br />
Analysten, Informatikern – vornehmlich<br />
Männer jüngeren Alters.<br />
«Dies hier war unser jüngster Streich.»<br />
Hansruedi Stadler zeigt auf ein Zeitungsinserat.<br />
Für die Republik Italien haben er<br />
und seine Crew eine Anleihe im Wert von<br />
1,5 Milliarden Franken an Land gezogen –<br />
eine Rekordsumme auf dem hiesigen Kapitalmarkt.<br />
Und die Frucht monatelanger<br />
Arbeit. Zuerst mussten Stadlers Analysten<br />
abklären, ob der Markt die Obligationen<br />
auch aufnehmen kann. Es folgte die Überzeugungsarbeit.<br />
In unzähligen Sitzungen,<br />
Meetings, Präsentationen legte Stadler<br />
dem italienischen Schatzmeister die Vorteile<br />
einer Emission in Schweizer Franken<br />
dar. Da kam dem Urner sein diplomatisches<br />
Geschick zu Hilfe, das er sich in zahlreichen<br />
Auslandsjahren angeeignet hat.<br />
Der bauernschlaue Kosmopolit versteht es<br />
jeweils vortrefflich, sich den wechselnden<br />
Bedürfnissen seiner Kundschaft anzupassen.<br />
«Als uns eine argentinische Delegation<br />
ihre Aufwartung machte, liessen wir<br />
sogar Tangomusik über die Lautsprecher<br />
des Handelsraums plärren.»<br />
Stadler vergleicht das Emissionsgeschäft<br />
mit einer Autofabrik. «Was vorne reinkommt,<br />
müssen wir so schnell wie möglich<br />
auf den Markt bringen. Auf keinen Fall<br />
möchten wir Luxuslimousinen produzieren,<br />
die dann auf der Halde landen.» Er<br />
und seine Leute sind deshalb in ständigem<br />
Kontakt mit den eigenen Händlern und<br />
Verkaufsleuten. «Wir erkundigen uns nach<br />
den Marktchancen und feilschen mit ihnen<br />
um Zinsen und Laufzeiten der Papiere.»<br />
Die Mittlerposition zwischen Händlern und<br />
Emittenten hat dem Banker schon manchen<br />
Spagat abverlangt. Falls er ihn<br />
schadlos übersteht, ist schon die nächste<br />
Dehnungsübung an der Reihe, diesmal<br />
gegenüber der interessierten Öffentlichkeit.<br />
So hetzt denn der flexible Investment<br />
Banker von Pressekonferenz zu Symposium<br />
und rührt dort kräftig die Werbetrommel<br />
für die neu ausgegebenen Papiere.<br />
Gewöhnlich bearbeitet Stadler zwischen<br />
zehn und zwölf Emissionen gleichzeitig.<br />
Da ziehen sich die Arbeitstage des<br />
Innerschweizers schon mal in die Länge.<br />
Die vielen Termine, das ständige Auf und<br />
Ab seines Jobs bereiteten ihm aber nur<br />
selten schlaflose Nächte, beteuert er mit<br />
ruhiger Stimme und entspanntem Blick.<br />
«In meinem Kopf dreht es nach besonders<br />
chaotischen Tagen dann einfach weiter. In<br />
solchen Fällen muss ich ein Zettelchen<br />
neben das Bett legen, auf dem ich meine<br />
Einfälle festhalte.» Für Turbulenzen auf der<br />
Stadlerschen Emissionsdrehscheibe sorgt<br />
auch die Konkurrenz. «In der Schweiz sind<br />
wir die Nummer eins, eine Position, die<br />
nur schwer zu verteidigen ist.» Zumal mit<br />
der Warburg Dillon Read ein äusserst<br />
finanzkräftiger Herausforderer auf dem<br />
Markt ist. Stadler baut stattdessen auf die<br />
grauen Zellen seiner Leute, von denen die<br />
meisten schon seit über fünfzehn Jahren<br />
mit ihm arbeiten. «Unser Business gleicht<br />
dem Schachspiel. Der Taktik des Gegners<br />
sollte man immer einen Schritt voraus<br />
sein. Nur erfahrene Cracks können da ruhig<br />
Blut bewahren.» Die letztjährige Runde<br />
ging einmal mehr an das Team vom<br />
Üetlihof. Für die Feier steht der Champagner<br />
schon bereit.<br />
ANDREAS THOMANN<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 1 |99