Flexibilität
Credit Suisse bulletin, 1999/01
Credit Suisse bulletin, 1999/01
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«FOLGT AUF DEN HÖHENFLUG<br />
DER FREIE FALL?», SINNIERT<br />
ROGER M. KUNZ, STELLVERTRETEND<br />
FÜR VIELE, DIE IHR GELD IN AKTIEN<br />
ANLEGEN.<br />
IM CLINCH<br />
ZWISCHEN<br />
RISIKO<br />
UND<br />
RENDITE<br />
VON DR.ROGER M. KUNZ, ECONOMIC RESEARCH<br />
TROTZ FALLSTRICKEN:<br />
AUF LANGE SICHT HABEN<br />
SICH AKTIENANLAGEN FÜR<br />
DIE MEISTEN GELOHNT.<br />
«Wer nichts wagt, gewinnt nichts», sagt<br />
der Volksmund. In die Welt der Finanzmärkte<br />
übertragen, heisst dies: Wer keine<br />
Risiken eingehen kann oder will, muss sich<br />
mit einer bescheidenen Rendite zufriedengeben.<br />
Umgekehrt kann ein Anleger die<br />
Gewinnerwartungen verbessern, indem er<br />
riskantere Wertpapieranlagen tätigt. Dass<br />
Erwartungen nicht immer in Erfüllung gehen,<br />
ist ebenfalls eine bekannte Tatsache.<br />
Sie ist allerdings in den letzten paar Jahren<br />
der Börsenhausse etwas verdrängt worden.<br />
Wenn die Börsenkurse während längerer<br />
Zeit ständig steigen, erfahren die Anleger<br />
nur die positive Seite des Risikos,<br />
nämlich die Gewinne. Dies führt dazu, dass<br />
sie die Verlustmöglichkeiten unterschätzen;<br />
immer mehr Anleger tätigen immer riskantere<br />
Anlagen, um noch schneller noch mehr<br />
Geld zu verdienen. Dieses risikofreudigere<br />
Verhalten führt zu höheren Börsenkursen,<br />
weil die zu bezahlende Entschädigung für<br />
die Übernahme von Risiken sinkt. Finanzökonomen<br />
bezeichnen dies als abnehmende<br />
Risikoprämie. In solchen Zeiten<br />
sollten naheliegenderweise eher Risiken<br />
abgebaut werden. Wenn die jeweils herrschende<br />
Euphorie zudem noch zu sehr<br />
hohen Gewinnerwartungen führt, kann die<br />
Einschätzung der Marktteilnehmer viel zu<br />
optimistisch ausfallen.<br />
Im nachhinein ist es offensichtlich: Im<br />
Juli des vergangenen Jahres wurden die<br />
Zukunftsaussichten äusserst zuversichtlich<br />
eingeschätzt, die Risikoprämien waren<br />
extrem niedrig und die Börsenkurse entsprechend<br />
hoch. Erst die Finanzkrise in<br />
Russland führte zur Einsicht, dass selbst<br />
die umfangreichen Mittel des Internationalen<br />
Währungsfonds nicht ausreichten,<br />
um allen bedrängten Ländern zu helfen,<br />
ganz abgesehen davon, dass ein solches<br />
Vorgehen auch nicht sinnvoll gewesen<br />
wäre. Diese Erkenntnis erforderte schlagartig<br />
höhere Risikoprämien. Die dadurch<br />
ausgelöste Korrektur der Aktienkurse, die<br />
vielfach in der Grössenordnung von 30 bis<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 1 |99