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Credit Suisse bulletin, 1999/01
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MAGAZIN<br />
60<br />
«ICH GLAUBE AN MEIN<br />
PUBLIKUM»<br />
VON LUKAS EGLI, REDAKTION BULLETIN-ONLINE<br />
MARTIAL KNÄBEL LÄDT ZUM<br />
«FESTIVAL DES FILMS DU SUD».<br />
«HOLLYWOOD IST<br />
DER TOD DER<br />
FILMSPRACHE.»<br />
MARTIAL KNÄBEL,<br />
FILMFESTIVAL-<br />
DIREKTOR VON<br />
FREIBURG.<br />
Ein Jahr lang hat man an der<br />
Rue de Locarno in Freiburg<br />
nach festem Boden gesucht.<br />
Die Bagger verschwanden<br />
immer tiefer in der Baugrube,<br />
bis sie endlich auf soliden<br />
Grund stiessen. Der mächtige<br />
Stahlbeton-Bürokomplex<br />
und die frisch asphaltierte<br />
schwarze Strasse vermögen<br />
über diese Mühen nicht hinwegzutäuschen;<br />
die Strasse<br />
ist eigenwillig gewellt, durchsetzt<br />
mit Buckeln, die man<br />
anderenorts für teures Geld zur<br />
Verkehrsberuhigung anbringt.<br />
An dieser widerspenstigen<br />
Rue de Locarno befinden sich<br />
die Büros des Internationalen<br />
Filmfestivals von Freiburg.<br />
Auch Martial Knäbel, der<br />
Festivaldirektor, musste lange<br />
den Untergrund absuchen, bis<br />
sich sein Filmfestival etablierte.<br />
In vier von Papier überstellten<br />
Büroräumen organisieren der<br />
feingliedrige Mann und sein<br />
vierköpfiges Team ein höchst<br />
aussergewöhnliches Spektakel.<br />
Was 1980 als Ciné-Club<br />
für Dritte-Welt-Filme begann,<br />
nennt sich seit 1992 selbstbewusst<br />
«Festival des Films du<br />
Sud». In den Anfangsjahren<br />
noch ein Anlass «für militante<br />
Dritte-Welt-Kämpfer, Freizeitmissionare<br />
und pensionierte<br />
Nonnen», wie es Knäbel<br />
schalkhaft bezeichnet, präsentiert<br />
sich das Festival heute<br />
als international bekannte,<br />
qualitativ hochstehende Auswahl<br />
von Filmen aus Asien,<br />
Afrika und Südamerika.<br />
Reisen als Programm<br />
«Zuerst zeigten wir Filme, die<br />
in europäischen Cinetheken<br />
greifbar waren. Doch dieses<br />
Kontingent war innert kürzester<br />
Zeit ausgeschöpft», erzählt<br />
er leise. Mit viel Geduld<br />
machte sich der gebürtige<br />
Strassburger daran, Kontakte<br />
zu anderen Festivals und zu<br />
Regisseuren in der südlichen<br />
Hemisphäre zu knüpfen. In unermüdlicher<br />
Kleinarbeit baute<br />
er sein Netzwerk aus. Heute<br />
ist Reisen neben der Programmgestaltung<br />
seine<br />
Hauptbeschäftigung. «Wenn<br />
ich in Cannes bin, rollt man<br />
mir zwar keinen roten Teppich<br />
aus», kommentiert er schmunzelnd<br />
den Stellenwert von<br />
Freiburg, «aber Produzenten<br />
und Regisseure wissen, wer<br />
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