ZAP-2019-19
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Strafrecht Fach 22 R, Seite 1133<br />
Rechtsprechungsübersicht 2018/<strong>20<strong>19</strong></strong><br />
Die Revision hatte Erfolg. Das BayObLG hat die vier Monate Freiheitsstrafe auf zwei Monate reduziert.<br />
Es sah in den vom LG verhängten vier Monaten Freiheitsstrafe angesichts der geringen Schadenshöhe<br />
und fehlender weiterer besonderer strafschärfender Kriterien keinen gerechten Schuldausgleich für das<br />
begangene Tatunrecht. Zwar sei die Strafzumessung grundsätzlich allein Sache des Tatrichters und das<br />
Revisionsgericht könne die Entscheidung nur auf Rechtsfehler nachprüfen. Darunter falle aber auch<br />
die Überprüfung, ob sich die Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löse, gerechter<br />
Schuldausgleich zu sein, ob sie also in grobem Missverhältnis zu Tatunrecht und Tatschuld steht und<br />
gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße (BGH StV 2014, 611; OLG Hamm NStZ-RR 2014, 214<br />
= StV 2014, 621 = StRR 2014, 354; FISCHER, § 46 Rn 146, 149a). Bei einer Verurteilung wegen eines<br />
Bagatelldelikts, wie etwa Leistungserschleichung, bestünden – so das BayObLG – keine grundsätzlichen<br />
Bedenken gegen die Verhängung einer auch nicht zur Bewährung ausgesetzten kurzzeitigen<br />
Freiheitsstrafe, wenn die besonderen Voraussetzungen des § 47 StGB vorliegen. In der vorzunehmenden<br />
Gesamtbetrachtung von Handlungs- und Erfolgsunwert könne nämlich ein Weniger an Erfolgsunwert<br />
(hier: geringe Schadenshöhe) durch ein Mehr an Handlungsunrecht (hier: vielfache, teils einschlägige<br />
Vorstrafen, der Angeklagte stand unter Bewährung) ausgeglichen werden. Beim Angeklagten habe es<br />
sich um einen hartnäckigen Rechtsbrecher, der sich in der Vergangenheit weder durch Geldstrafen noch<br />
durch eine Vielzahl von Freiheitsstrafen, die zum Großteil auch vollzogen wurden, habe beeindrucken<br />
lassen. In derartigen Fällen sei die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe auch verfassungsrechtlich<br />
nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschl. v. 9.6.<strong>19</strong>94 – 2 BvR 710/94).<br />
Allerdings werde bei Bagatelldelikten die Dauer der Freiheitsstrafe dadurch begrenzt, dass diese in<br />
einem angemessenen Verhältnis zur geringen Schadenshöhe stehen muss. Die verhängte Strafe<br />
dürfe sich daher weder nach oben noch nach unten von ihrer Bestimmung lösen, gerechter<br />
Schuldausgleich zu sein (BGHSt 29, 3<strong>19</strong>, 320). Bei Leistungserschleichungen mit geringer Schadenshöhe<br />
sei auch bei hartnäckigen Wiederholungstätern, abhängig von den konkreten Strafzumessungsgründen,<br />
i.d.R. die Verhängung der einmonatigen Mindeststrafe geeignet, gerechter Schuldausgleich<br />
zu sein. Die hier vom LG verhängten, darüber liegenden Einzelstrafen und die daraus gebildete<br />
Gesamtfreiheitsstrafe waren hier aufgrund Fehlens besonderer Erschwernisgründe somit keinen<br />
gerechten Schuldausgleich mehr dar.<br />
Hinweis:<br />
Etwas anders hat das OLG Hamm (StRR 2015, <strong>19</strong>1) entschieden. Das hat auch bei einer Verurteilung wegen<br />
Erschleichens von Leistungen die Verhängung einer nicht nur kurzfristigen Freiheitsstrafe nicht beanstandet,<br />
wenn einschlägige Vorstrafen vorliegen und sich der Angeklagte durch die Verhängung von Geldstrafen<br />
nicht nachhaltig hat beeinflussen lassen. Allerdings: Letztlich sind diese Fragen immer solche des Einzelfalls.<br />
Der Verteidiger muss aber mit „günstigen“ Entscheidungen argumentieren.<br />
3. Strafaussetzung zur Bewährung bei schweigendem Angeklagten?<br />
In der Praxis stellt sich häufig die Frage: Welche Auswirkungen auf die Rechtsfolgen, insbesondere<br />
auf eine potenzielle Strafaussetzung zur Bewährung hat es, wenn der Mandant schweigt. Mit<br />
der Problematik setzt sich das OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.10.2018 – 3 RVs 58/18 (StV <strong>20<strong>19</strong></strong>, 332 = StRR<br />
8/<strong>20<strong>19</strong></strong>, 23) auseinander.<br />
Das AG hatte den Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Handels mit Betäubungsmitteln zu einer<br />
Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Der Angeklagte war nicht vorbelastet. Er hatte sich<br />
schweigend verteidigt. Das AG hat die Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt.<br />
Das OLG Düsseldorf (a.a.O.) hat das beanstandet. Das OLG begründet seine Entscheidung im<br />
Wesentlichen damit, dass zwar eine erschöpfende Darstellung aller im Zusammenhang mit der Frage<br />
der Bewährung anzustellenden Erwägungen nicht erforderlich ist, aber doch die wesentlichen Umstände<br />
nachprüfbar darzulegen sind, im Falle der Versagung der Bewährung also die dafür maßgeblichen<br />
Erwägungen (FISCHER, § 56 Rn 23 m.w.N.). Das hatte das Schöffengericht hier nicht getan. Es hatte seine<br />
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