ZAP-2019-19
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Anwaltsrecht/Anwaltsbüro Fach 23, Seite 1175<br />
Virtuelle Kanzlei und Zweigstelle<br />
Eine Zweigstelle richtet der Rechtsanwalt deshalb ein, weil er mit Gerichten und Behörden sowie mit<br />
seinen vorhandenen und zu gewinnenden Mandanten nicht nur von einer Hauptkanzlei in Kontakt<br />
treten möchte, sondern zusätzlich auch von einem anderen Ort. Häufig ist es so, dass der Rechtsanwalt<br />
sich z.B. privat in verschiedenen Regionen aufhält und seine Arbeitsorganisation dadurch erleichtert<br />
wird, auch an seinem Zweitwohnsitz ein Büro zu unterhalten.<br />
Dies verbietet ihm das Gesetz seit der Aufhebung von § 28 BRAO a.F. nicht mehr, aber das Gesetz hält –<br />
mit gutem Grund – daran fest, dass der Rechtsanwalt dann auch sicherstellen muss, dass er von dieser<br />
Niederlassung auch von Gerichten, Behörden und Mandaten angesprochen werden kann, d.h. dort auch<br />
regelmäßig präsent ist.<br />
Denn die Zweigniederlassung ist nichts anderes als die Hauptniederlassung, nur dass der Rechtsanwalt<br />
selbst festlegt, an welcher der beiden Standorte er seinen beruflichen Mittelpunkt hat. Hält er sich an<br />
beiden Niederlassungen ungefähr die gleich lange Arbeitszeit auf, darf er selbst durch einfache Anzeige<br />
an die RAK bestimmen, welche Niederlassung jeweils eine Hauptniederlassung ist und welche die<br />
Zweigniederlassung ist, ohne dass das an bestimmte sachliche Voraussetzungen geknüpft wäre.<br />
Der Anwaltsgerichtshof Dresden (a.a.O., BRAK-Mitteilungen 2005, 31 ff.) hat zum Erfordernis der<br />
Anwesenheit eines Rechtsanwalts ausgeführt, dass es nicht überflüssig ist, dass es für all diejenigen, die<br />
mit einem Rechtsanwalt in Kontakt treten wollen, eine (orts-)feste Anlaufstelle gibt. Im Anwaltsverkehr<br />
gibt es typischerweise Vorgänge, bei denen Schriftstücke zugestellt, Unterlagen übergeben oder<br />
persönliche Vorsprachen erforderlich werden. Das macht es erforderlich, dass der Anwalt zwar nicht<br />
ständig persönlich anwesend ist. Zu verlangen ist aber ein Mindestmaß an Kommunikation und<br />
Erreichbarkeit und damit eine ausreichende Kennzeichnung und sachliche und persönliche Ausstattung,<br />
um derartige Anliegen des Rechtsverkehrs entgegenzukommen.<br />
Das wird von solchen Kanzleien verkannt, die sich gerne als Hauptniederlassung eine renommierte<br />
Anschrift (z.B. Kurfürstendamm oder Unter den Linden in Berlin, Königsallee in Düsseldorf) „zulegen“,<br />
aber tatsächlich ihren beruflichen Mittelpunkt an einer ganz anderen Anschrift haben. Hier steht der<br />
äußere Rechtsschein und das Marketinginteresse ggü. Neumandanten im Mittelpunkt des anwaltlichen<br />
Treibens, aber nicht die Praxiswirklichkeit. Ein Bewusstsein zur Täuschung der Öffentlichkeit kann hier<br />
indiziert werden. Rechtsanwaltskammern, jedenfalls die Berliner RAK, tun sich bislang jedoch schwer<br />
damit, gegen solche Irreführungen berufsrechtlich vorzugehen, da es ihnen Rechercheaufwand<br />
abverlangt, wieviel Zeit ein Rechtsanwalt in welchem Büro verbringt.<br />
Für die Einrichtung einer Zweigniederlassung ist auch die jeweilige RAK zu informieren. Liegt die<br />
Zweigniederlassung im Bezirk einer anderen RAK ist neben der eigenen RAK auch gegenüber der RAK<br />
anzuzeigen, in deren Bezirk die Zweigniederlassung errichtet wird.<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen: Eine Kanzlei ist der Mittelpunkt der anwaltlichen Berufsausübung,<br />
also der Ort, in der alle Arbeitsabläufe für eine optimale Betreuung der eigenen Mandanten<br />
zusammenlaufen. Und eine Zweigstelle ist nicht nur ein Ort, an dem der Rechtsanwalt ohne Kontakt<br />
nach außen ähnlich wie in einer Gerichtsbibliothek seiner anwaltlichen Tätigkeit nachgeht, die örtlich<br />
an seiner Hauptkanzlei konzentriert bleibt (BGH a.a.O., NJW 2010, 3787, 3789).<br />
3. Die weitere Kanzlei<br />
Neu ist in § 27 Abs. 2 BRAO geregelt, dass der Rechtsanwalt eine weitere Kanzlei unterhalten darf.<br />
Gemeint ist eine weitere selbstständige Kanzlei. Um eine weitere Kanzlei i.S.v. § 27 Abs. 2 BRAO handelt<br />
es sich, wenn die von einem Rechtsanwalt neben der in der Zulassungskanzlei ausgeübten Tätigkeit<br />
entfaltete Berufsausübung nicht von der Zulassungskanzlei (Hauptkanzlei) abhängig und an diese<br />
angegliedert ist, sondern der eigenständigen, von der Zulassungskanzlei rechtlich unabhängigen<br />
anwaltlichen Berufsausübung dient (BT-Drucks 18/9521, S. 103).<br />
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