ZAP-2019-19
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Anwaltsmagazin<br />
<strong>ZAP</strong><br />
Positive Bilanz zum Europäischen<br />
Haftbefehl<br />
Die Europäische Kommission zieht eine positive<br />
Bilanz zum Europäischen Haftbefehl. Es sei das am<br />
häufigsten verwendete EU-Instrument der justiziellen<br />
Zusammenarbeit in Strafsachen, teilte<br />
sie Mitte September anlässlich der Vorlage eines<br />
Berichts mit, der u.a. Daten zu der Anzahl der<br />
ausgestellten und vollstreckten Europäischen Haftbefehle,<br />
der verhafteten Personen, der Art der<br />
abgedeckten Straftaten, der angewandten Gründe<br />
für die Nichtausführung und die Dauer des Übergabeverfahrens<br />
zusammengestellt hat. Diese Daten<br />
sollen die Grundlage für statistische Analysen<br />
bilden, Vergleiche zwischen den Mitgliedstaaten<br />
ermöglichen und ein Gesamtbild der Funktionsweise<br />
des Europäischen Haftbefehls vermitteln.<br />
Dem aktuellen Bericht zufolge wurden 2017 über<br />
17.000 Europäische Haftbefehle ausgestellt, die<br />
meisten davon in Deutschland (2.600); im Jahr<br />
zuvor (2016) waren es 16.636. Auch die Frist bis zur<br />
Überstellung der Tatverdächtigen von einem Mitgliedstaat<br />
in den anderen hat sich spürbar verkürzt.<br />
Bevor es den Europäischen Haftbefehl gab,<br />
dauerte ein Auslieferungsverfahren im Schnitt<br />
ein Jahr, jetzt sind es nur noch 15 Tage, wenn<br />
der Tatverdächtige der Übergabe zustimmt, oder<br />
40 Tage, wenn dies nicht der Fall ist.<br />
Damit sei, so die Kommission, der 2004 eingeführte<br />
Europäische Haftbefehl zu einem Schlüsselelement<br />
bei der Kriminalitätsbekämpfung und zu<br />
einem wichtigen Faktor für die innere Sicherheit<br />
in der EU geworden. Er sei ein wirksames Instrument,<br />
um die Auslieferung eines Tatverdächtigen<br />
aus einem anderen Mitgliedstaat zu erwirken und<br />
Schlupflöcher innerhalb Europas zu schließen. Die<br />
offenen Grenzen sollten nicht dazu führen, dass<br />
sich Straftäter der Justiz schlichtweg dadurch<br />
entziehen, dass sie sich in einen anderen Mitgliedstaat<br />
absetzen.<br />
EU-Justizkommissarin VĚRA JOUROVÁ erklärte hierzu:<br />
„Dank des Europäischen Haftbefehls leben die EU-<br />
Bürger an einem sichereren Ort. Egal, wo sich Kriminelle<br />
und Terroristen in Europa verstecken, sie werden vor<br />
Gericht gestellt. Dieses Beispiel zeigt, dass die EU auf<br />
gegenseitigem Vertrauen und Rechtsstaatlichkeit beruht.<br />
Sein Erfolg hängt von der guten Zusammenarbeit<br />
der europäischen und nationalen Behörden ab.“<br />
Der vollständige Bericht zum Europäischen Haftbefehl<br />
(derzeit nur in englischer Sprache verfügbar)<br />
kann auf der Internetseite der EU-Kommission<br />
unter https://ec.europa.eu/info/law/cross-border-cases/<br />
judicial-cooperation/types-judicial-cooperation/europeanarrest-warrant_en#documents<br />
heruntergeladen werden.<br />
[Quelle: EU-Kommission]<br />
Podiumsdiskussion zur Fehlerkultur<br />
in der Justiz<br />
Am 11. September fand im Berliner Kammergericht<br />
eine Podiumsdiskussion zum Thema „Fehlerkultur<br />
in der Justiz“ statt. Unter der Moderation einer<br />
Journalistin diskutierten Juristen aus Rechtspflege<br />
und Wissenschaft, ob sich beim Umgang der<br />
Gerichte mit eigenen Fehlern etwas ändern muss.<br />
Dass es bisher tatsächlich kein Nachdenken über<br />
eine Fehlerkultur – anders als etwa bei Anwälten –<br />
gibt, gab der Präsident des LG Berlin, HOLGER<br />
MATTHIESEN, bereits in seinem Eingangsstatement<br />
zu. Allerdings, so MATTHIESEN, existiere auch kaum<br />
mehr Fehlerkontrolle als in der Justiz. Zur Begründung<br />
verwies er darauf, dass alle Justizangehörigen<br />
der Dienstaufsicht unterliegen. Dies sei auch dort<br />
gegeben, wo diese an die Grenzen komme, nämlich<br />
an der richterlichen Unabhängigkeit, „throne förmlich<br />
die Überprüfung im Instanzenzug“.<br />
Die Richterin am Berliner Verfassungsgerichtshof<br />
MARGARETE VON GALEN lenkte demgegenüber den<br />
Blick auf die Unterschiede in den Auswirkungen<br />
eines fehlerhaften Verhaltens für Richter und<br />
Anwälte. Während Anwälten die Haftung drohe,<br />
seien Richter durch das Spruchrichterprivileg und<br />
die hohen Anforderungen an den Rechtsbeugungsvorsatz<br />
geschützt. Darin sieht VON GALEN<br />
einen Grund für eine ihrer Ansicht nach fehlende<br />
Fehlerkultur. Die Anhörungsrüge sei regelmäßig<br />
erfolglos und als „totes Recht“ anzusehen. Auch<br />
eine an sich notwendige Offenheit fehle, die sich<br />
etwa in der fehlenden Dokumentation der strafgerichtlichen<br />
Hauptverhandlung zeige. Im Umgang<br />
mit fehlerhaften Haftentscheidungen, die doch für<br />
die Betroffenen in erheblichem Maße einschneidend<br />
seien, fehle eine notwendige Aufarbeitung,<br />
die auch für die betroffenen richterlichen Entscheider<br />
wichtig sei. Insoweit sei Hilfe wie Supervision<br />
wünschenswert, an der es fehle. Dass<br />
Anwälte sich Fehler wünschten, konnte VON GALEN<br />
nicht bestätigen. Der Wunsch der Anwälte gehe<br />
992 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>19</strong> 10.10.<strong>20<strong>19</strong></strong>