ZAP-2019-19
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Strafrecht Fach 22 R, Seite 1139<br />
Rechtsprechungsübersicht 2018/<strong>20<strong>19</strong></strong><br />
c) Rechtsfolgen<br />
Die Frage, wann ein bedeutender Schaden i.S.v. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vorliegt, ist in der Rechtsprechung<br />
immer noch – zumindest teilweise – im Fluss. Teilweise wird die Grenze erst ab einem<br />
Betrag von 2.500 € (netto) gezogen (LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 12.11.18 – 5 Qs 73/18, StRR 1/<strong>20<strong>19</strong></strong>,<br />
4 [Ls.] = VRR 2/<strong>20<strong>19</strong></strong>, 2 [Ls.] = VA aktuell <strong>20<strong>19</strong></strong>, 53). Für die Regelentziehung nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB<br />
dürfte es allerdings nunmehr h.M. sein, dass von einer Wertgrenze von (nur) 1.500 € auszugehen ist<br />
(vgl. dazu u.a. LG Dortmund, Beschl. v. 29.3.<strong>20<strong>19</strong></strong> – 32 Qs 35/<strong>19</strong>, VA <strong>20<strong>19</strong></strong>, 144; LG Dresden, Beschl.<br />
v. 7.5.<strong>20<strong>19</strong></strong> – 3 Qs 29/<strong>19</strong>, StRR 7/<strong>20<strong>19</strong></strong>, 3 [Ls.] = VRR 7/<strong>20<strong>19</strong></strong>, 2 [Ls.]; vgl. aber LG Berlin VRS 135, 266 [immer<br />
noch 1.300 €]). Die Frage hat auch im o.a. Beschluss des OLG Oldenburg (1 Ss 83/18, zfs 2018, 532 =<br />
VRR 10/2018, 12 = StRR 12/2018, 23) eine Rolle gespielt. Dort hatte der Angeklagte eingewandt, das AG<br />
habe zu Unrecht das Vorliegen eines bedeutenden Schadens i.S.v. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB bejaht. Das OLG<br />
ist darauf nicht im Einzelnen eingegangen. Es hat lediglich ausgeführt, dass „ein bedeutender Schaden<br />
i.S.v. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB entstanden ist“, ohne sich konkret mit der Schadenshöhe – nach den<br />
Feststellungen „etwa 1.600 €“ – auseinander zu setzen.<br />
Hinweis:<br />
Der Verteidiger wird sich auf die o.a. herrschende Meinung beziehen, um so zu versuchen, eine Entziehung<br />
der Fahrerlaubnis zu vermeiden (vgl. wegen weiterer Rechtsprechung <strong>ZAP</strong> F. 22 R, S. 1085).<br />
2. Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB)<br />
a) Falsches Überholen<br />
Die Problematik des „falschen Überholens“ i.S.d. § 315c Abs. 1 Nr. 2b) StGB hat in einem vom OLG<br />
Oldenburg entschiedenen Fall eine Rolle gespielt (vgl. Beschl. v. 29.10.2018 – 1 Ss 173/18, zfs <strong>20<strong>19</strong></strong>, 113 =<br />
VRR 3/<strong>20<strong>19</strong></strong>, 16 = StRR 6/<strong>20<strong>19</strong></strong>, 20). Das LG hatte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung<br />
gem. § 315c Abs. 1 Nr. 2b), Abs. 3 Nr. 1 StGB verurteilt. Dabei war es von folgenden<br />
Feststellungen ausgegangen. Am Tattag brach der Angeklagte morgens mit seinem Pkw von zu Hause<br />
auf, um zu seinem Arbeitsplatz am W.-Weg auf kürzester Strecke zu gelangen. Sein Fahrzeug war dabei<br />
auf dem Grundstückstreifen zwischen Wohnhaus und dem gepflasterten Gehweg der stadtauswärts<br />
führenden O.-Straße geparkt. Da auf der O.-Straße – wie an jedem Wochentag außerhalb der<br />
Schulferien – der Verkehr aufgrund seiner erhöhten Dichte ins Stocken geraten war, entschied sich der<br />
Angeklagte, diesen zu umgehen und die Entfernung bis zur nächsten Querstraße, der B.-Straße, in die er<br />
zum Wenden ohnehin einfahren wollte, auf dem Geh- und Radweg zurückzulegen. Die bis zur B.-Straße<br />
zurückzulegende Strecke von 15 m durchfuhr der Angeklagte mit einer Geschwindigkeit von etwa<br />
10-15 km/h. Als er von dem Geh- und Radweg auf die B.-Straße fuhr, befand sich der Zeuge P im<br />
Abbiegevorgang von der O.-Straße auf die besagte Querstraße. Der Angeklagte wollte sich noch vor den<br />
Zeugen setzen und fuhr daher – zügiger als der Zeuge P. – weiter auf die Straße ein. Dieses Verhalten<br />
zwang den Zeugen dazu, abrupt abzubremsen und dem Angeklagten und seinem Pkw auszuweichen,<br />
um einen Zusammenstoß zu verhindern. Das Fahrzeug des Zeugen P. kam in einem Abstand zum<br />
Fahrzeug des Angeklagten von wenigen Millimetern bis zu maximal 3 cm zum Stehen. Im Falle einer<br />
Kollision wäre am Fahrzeug des Zeugen P ein Schaden von etwa 2.000-2.500 € entstanden. Die<br />
Revision des Angeklagten hatte teilweise Erfolg.<br />
Nach Auffassung des OLG Oldenburg (a.a.O.) erfüllt das Verkehrsverhalten des Angeklagten nicht die<br />
allein in Betracht kommende Tatbestandsalternative des falschen Überholens oder des sonstigen<br />
Falschfahrens bei Überholvorgängen (§ 315c Abs. 1 Nr. 2b) StGB. Allerdings sei – so das OLG – die<br />
Reichweite des Tatbestands des § 315c Abs. 1 Nr. 2b) StGB nicht auf Überholvorgänge i.S.d. StVO – den<br />
tatsächlichen Vorgang des Vorbeifahrens von hinten an Fahrzeugen anderer Verkehrsteilnehmer, die<br />
sich auf derselben Fahrbahn in dieselbe Richtung bewegen oder verkehrsbedingt halten – beschränkt.<br />
Ein Überholen sei auch gegeben bei einem Vorbeifahren über Seiten- oder Grünstreifen, über Ein- oder<br />
Ausfädelspuren oder über lediglich durch Bordsteine oder einen befahrbaren Grünstreifen von der<br />
Fahrbahn abgesetzte Rad- oder Gehwege (vgl. OLG Hamm VRS 32, 449). Dagegen fehle es an einem<br />
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