ZAP-2019-19
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Anwaltsrecht/Anwaltsbüro Fach 23, Seite 1171<br />
Virtuelle Kanzlei und Zweigstelle<br />
Anwaltsbüro<br />
Die (virtuelle) Kanzlei und die Zweigstelle – Kanzleianschriften im digitalen<br />
Zeitalter<br />
Von Rechtsanwalt TOBIAS KIWITT, Wedel<br />
Inhalt<br />
I. Einleitung<br />
II. Begriffsbestimmungen<br />
1. Die Kanzlei (Hauptniederlassung)<br />
2. Die Zweigstelle (Nebenniederlassung)<br />
3. Die weitere Kanzlei<br />
4. Die virtuelle Kanzlei<br />
III. Rechtsschein im Berufs- und<br />
Wettbewerbsrecht<br />
1. Die Einordnung von Bürodienstleistungszentren<br />
2. Das Argument des digitalen Zeitalters<br />
3. „Beratungsbüros“ als Schaffung einer<br />
neuen Terminologie<br />
IV. Ausblick<br />
I. Einleitung<br />
Mit dem Wegfall des Zweigstellenverbots in § 28 BRAO a.F. (seit Inkrafttreten des „Gesetzes zur<br />
Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft“ zum 1.6.2007, BGBl I, 358) sind „findige“<br />
Rechtsanwälte auf die Idee gekommen, Bürodienstleistungszentren in verschiedenen größeren Städten<br />
Deutschlands als Briefkastenanschriften anzumieten und sich dort eingehende Post an ihre Kanzlei<br />
nachschicken zu lassen. Dieser Beitrag ergründet, welche berufsrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen<br />
Probleme sich bei virtuellen Büros stellen und gibt dazu einleitend eine Orientierung über die<br />
verschiedenen gesetzmäßigen Möglichkeiten der Kanzleistandortorganisation.<br />
II. Begriffsbestimmungen<br />
In seiner seit dem 18.5.2017 gültigen Fassung sieht § 27 BRAO folgende Kanzleiformen vor.<br />
1. Die Kanzlei (Hauptniederlassung)<br />
Die „Kanzlei“ i.S.v. § 27 Abs. 1 BRAO ist der Mittelpunkt der anwaltlichen Berufsausübung. Der Begriff<br />
der Kanzlei ist im Gesetz nicht definiert. Berufsrechtlich gilt die „Kanzlei“ als die berufliche Niederlassung<br />
eines Rechtsanwalts.<br />
Das Gesetz benennt die berufliche Niederlassung eines Rechtsanwalts nicht als Hauptstelle, Hauptkanzlei<br />
oder Hauptniederlassung, sondern einfach nur als „Kanzlei“. Dies mag dem Umstand geschuldet<br />
sein, dass der Gesetzgeber weiterhin von dem Regelfall ausgeht, dass ein Rechtsanwalt nur eine einzige<br />
Büroräumlichkeit hat.<br />
Im gegenwärtigen allgemeinen und juristischen Sprachgebrauch wird das Wort „Kanzlei“ vornehmlich<br />
zur Beschreibung der räumlichen Einheit gebraucht, von der aus ein Rechtsanwalt seinen Beruf<br />
ausübt (vgl. z.B. § 27 Abs. 1 BRAO), der den Mittelpunkt seiner Tätigkeit bildet, wo man ihn also<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>19</strong> 10.10.<strong>20<strong>19</strong></strong> 1029