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ZAP-2019-19

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Anwaltsrecht/Anwaltsbüro Fach 23, Seite 1177<br />

Virtuelle Kanzlei und Zweigstelle<br />

Es kommt also immer entscheidend darauf an, wie ein Bürodienstleistungszentrum für die Ausübung<br />

der eigenen anwaltlichen Tätigkeit genutzt wird. Gilt sie nur als eine Briefkastenanschrift und finden<br />

Rufumleitungen von dort aus statt, handelt es sich um eine unzulässige Kanzlei nach § 27 BRAO.<br />

Es ist in jedem Fall berufsrechtswidrig und wettbewerbswidrig (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG), wenn ein<br />

Rechtsanwalt Anschriften an Bürodienstleistungszentren anmietet, dort aber nicht physisch präsent ist,<br />

diese aber als „Kanzleistandort“ bzw. „Zweigstelle“ bezeichnet.<br />

Bereits das Anwaltsgericht Hamburg hatte mit Entscheidung vom 28.5.2015 (I AnwG 2/15) in einem Fall<br />

eine irreführende Werbung gesehen, in dem eine Kanzlei an insgesamt sieben norddeutschen Orten<br />

jeweils einen „Standort“ behauptete. In den Entscheidungsgründen heißt es:<br />

„Betrachtet man die einzelnen „Standorte“ genauer, so stellt man fest, dass es sich nur bei der Niederlassung in<br />

Hamburg um eine eigenständige Kanzlei handelt. An den anderen Orten werden lediglich Besprechungsräumlichkeiten<br />

vorgehalten, was aber erst bei genauem Studium der Homepage auffällt. Der Rechtsuchende<br />

wird unter der Bezeichnung „Standort“ sowie dem Angebot einer entsprechenden Rechtsberatung vor Ort,<br />

jedoch regelmäßig eine Kanzlei oder zumindest ein von einem Anwalt besetztes Büro erwarten. Die Bezeichnung<br />

als „Standort“ ist damit irreführend. Mit dieser Werbung wird eine Größe und Tätigkeit der Kanzlei des<br />

Rechtsanwalts vermittelt, die tatsächlich so nicht besteht.“<br />

Das KG (a.a.O.) hatte jüngst über einen solchen Fall auch wettbewerbsrechtlich zu entscheiden. Ein<br />

Einzelrechtsanwalt, der sich der Hilfe von zwei bis vier freien Mitarbeitern bedient, verwendete einen<br />

Briefbogen und einen Internetauftritt, in dem er über 30 „Kanzleistandorte“ angab. Überwiegend<br />

handelte es sich dabei um Anschriften von Büro-Dienstleistungszentren, so etwa in Hamburg,<br />

Stuttgart und Bielefeld, bei denen er gegen Zahlung von ungefähr 200 € monatlich eine Postanschrift<br />

angemietet hat. Es haben sich vielfältige Anbieter für virtuelle Büros auf dem Markt angesiedelt, etwa<br />

die Firmen Regus, Ecos oder AllOfficeCenters, die damit werben, „Geschäftspartner und Kunden mit einer<br />

repräsentativen Geschäftsadresse zu beeindrucken“ (vgl. https://www.allofficecenters.de/de/virtuelles-buero<br />

[abgerufen am 24.9.<strong>20<strong>19</strong></strong>]). Dort eingehende Post wird dem Rechtsanwalt an seine Kanzlei nach<br />

Düsseldorf nachgeschickt. Überwiegend gab er als Telefonnummer bei diesen Anschriften eine<br />

einheitliche 0800-Telefonnummer an oder arbeitete mit Rufumleitungen, die von solchen Bürodienstleistungszentren<br />

mitunter ebenfalls angeboten werden.<br />

An dem jeweiligen Bürodienstleistungszentrum kann gegen zusätzliches monatliches Entgelt ein<br />

Kanzleischild am Eingang angebracht werden. Am Empfangstresen befindet sich eine Mitarbeiterin<br />

des Bürodienstleistungszentrums, die zugleich auch eingehende Post anderer Mitmieter annimmt.<br />

Persönlich anwesend ist der Rechtsanwalt oder einer seiner Mitarbeiter dort aber nicht. Eigene nur für<br />

ihn bestimmte abschließbare Büroräumlichkeiten, in denen vertrauliche Informationen gelagert<br />

werden können, bestehen auch nicht.<br />

Diese Konstellation ist auch aus Gründen der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht (§ 2 BORA) sehr<br />

bedenklich. Nach § 43e Abs. 3 BRAO bedarf es einer Verschwiegenheitsverpflichtung des Dienstleisters<br />

in Textform (§ 126b BGB), in der über die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung zur<br />

Verschwiegenheit belehrt werden muss. Die Nichteinhaltung der Verschwiegenheitspflicht von § 203<br />

Abs. 4 S. 1 StGB, wonach der Rechtsanwalt gem. § 203 Abs. 1 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu<br />

einem Jahr oder Geldstrafe bestraft wird, hat gem. § 203 Abs. 4 S. 1 StGB ebenso strafrechtliche Folgen<br />

für den Dienstleister als „mitwirkende Person“. Auch er kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr<br />

oder Geldstrafe bestraft werden. Der Rechtsanwalt hat ihn hierüber aufzuklären.<br />

Die Wettbewerbswidrigkeit, solche Anschriften als „Kanzleistandort“ zu bezeichnen, steht diesem<br />

Konstrukt schon geradezu auf der Stirn geschrieben. Das KG dazu (a.a.O.): „Der Begriff ‚Standort‘ vermittelt<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>19</strong> 10.10.<strong>20<strong>19</strong></strong> 1035

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