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ZAP-2019-19

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Anwaltsrecht/Anwaltsbüro Fach 23, Seite 1173<br />

Virtuelle Kanzlei und Zweigstelle<br />

An der Zweigniederlassung muss aber eine gewisse Büroorganisation bereitgehalten werden, die<br />

auf eine Regelmäßigkeit der anwaltlichen Tätigkeit an dieser Adresse schließen lässt, wenngleich es<br />

keiner personellen Ausstattung durch Mitarbeiter an der Zweigstelle bedarf. Nach § 5 BORA ist der<br />

Rechtsanwalt verpflichtet, die für seine Berufsausübung erforderlichen sachlichen, personellen und<br />

organisatorischen Voraussetzungen in Kanzlei und Zweigstelle vorzuhalten. Das heißt auch an der<br />

Zweigniederlassung muss der Rechtsanwalt einen eigenständigen Büroraum, Telekommunikationsanschluss,<br />

Briefkasten und Kanzlei- oder zumindest Briefkastenschild aufweisen (die Pflicht zu einem<br />

Kanzleischild besteht an keinem Kanzleistandort, wenn ein Klingelschild und Briefkastenschild<br />

vorhanden sind, vgl. BGH, DtZ <strong>19</strong>95, 132). Er muss wenigstens zu festen Sprechtagen in seiner<br />

Zweigniederlassung auch persönlich anzutreffen sein (vgl. BGH, Urt. v. 13.9.2010 – AnwZ (P) 1/09, NJW<br />

2010, 3787, 3789). Die Räumlichkeit der Zweigstelle muss als solche klar erkennbar sein. Die Räumlichkeit<br />

muss als „Zweigstelle“ auf dem Kanzleischild deutlich sichtbar ausgewiesen werden. Anders als bei der<br />

Hauptstelle, ist also in jedem Fall ein Kanzleischild notwendig. Damit soll sichergestellt werden, dass der<br />

Besucher von vornherein weiß, dass es sich nur um eine Zweigstelle und nicht um die Hauptstelle der<br />

Kanzlei handelt.<br />

An eine Zweigstelle werden seit der Satzungsreform, die zum 1.1.2011 in Kraft trat, ansonsten die<br />

gleichen beruflichen Anforderungen wie an die Hauptkanzlei gestellt. Es muss nach § 5 BORA einen<br />

Mindestbestand an sachlichen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen erfüllt sein. In<br />

organisatorischer Hinsicht meint dies, dass der Rechtsanwalt in den Räumlichkeiten eine normale<br />

Büroeinrichtung, eine juristische Einrichtung (Gesetze, Kommentare, wobei ein Zugriff mittels<br />

elektronischer Medien ausreicht) und Telekommunikationsmittel (Telefon, Telefax, Internet) aufweisen<br />

muss. Der entscheidende Unterschied zwischen Kanzlei und Zweigstelle ergibt sich allein aus<br />

dem Willen des Rechtsanwalts, der seine Kanzlei als den ersten Ort und die Anbindung an die<br />

zuständige RAK erklärt und jede Zweigstelle als einen weiteren Ort der Niederlassung ansieht<br />

(HENSSLER/PRÜTTING, BRAO Bundesrechtsanwaltsordnung, 5. Aufl. <strong>20<strong>19</strong></strong> Rn 23 zu § 5 BORA).<br />

Praxistipp:<br />

Die RAK überprüft nicht, in welchem Büro der Rechtsanwalt mehr Zeit verbringt. So kann ein Rechtsanwalt<br />

durchaus auch die Kanzlei zu seiner Hauptstelle machen, an der er sich im Gegensatz zur Zweigstelle zeitlich<br />

etwas weniger aufhält, solange die Diskrepanz der Zeit des Aufenthalts zwischen beiden Büros nicht auffällig<br />

stark auseinanderfällt und er die organisatorischen Voraussetzungen an beide Niederlassungen nicht erfüllt.<br />

Es reicht, wenn der Berufsträger dort regelmäßig zu festen Sprechtagen anzutreffen ist, wobei im<br />

Idealfall von einer mindestens wöchentlichen physischen Präsenz auszugehen sein dürfte. Doch dies ist<br />

in Rechtsprechung und Schrifttum nicht konkret definiert.<br />

Das KG verwendet dazu in einem obiter dictum zur Abgrenzung einer Zweigstelle von einer Hauptkanzlei<br />

den Begriff „bei Bedarf“ (KG, a.a.O.: „Orte, an denen ein Rechtsanwalt regelmäßig (nur) bei Bedarf anzutreffen<br />

ist, wäre nach dieser Definition Zweigstellen“). Es führt aus, dass der Rechtsanwalt dort eine Zweigstelle<br />

unterhalte, wo er sich „bei Bedarf“ physisch aufhalte. Eine genaue Definition, was unter „bei Bedarf“ zu<br />

verstehen ist, gibt auch das KG nicht.<br />

Es reicht mit Sicherheit jedenfalls nicht aus, wenn der Berufsträger nur in seltenen Ausnahmefällen dort<br />

physisch anwesend ist, z.B. einen potenziellen Neumandanten in einem Großmandat einmalig dort zu<br />

empfangen bereit ist und sonst über Jahre hinweg dort nie physisch präsent ist. Eine gewisse<br />

Beständigkeit und Verlässlichkeit muss erwartet werden können. Auch kann es nicht reichen, nur einmal<br />

jährlich oder einmal im Jahresquartal (wenngleich regelmäßig) vor Ort zu sein, da auch damit der<br />

Vorstellung, die Gepflogenheiten der örtlichen Behörden und Gerichte zu kennen und mit ihnen im<br />

Kontakt zu stehen, nicht gewährleistet werden kann (vgl. dazu FEUERICH/WEYLAND, § 27 Rn 2; SIEGMUND in:<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>19</strong> 10.10.<strong>20<strong>19</strong></strong> 1031

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