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ZAP-2019-19

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Anwaltsrecht/Anwaltsbüro Fach 23, Seite 1179<br />

Virtuelle Kanzlei und Zweigstelle<br />

Post jedoch nicht zustellbar ist und der Rechtsanwalt dort auch nicht anzutreffen ist (so Anwaltsgerichtshof<br />

Dresden, Beschl. v. 4.11.2004 – AGH 18/03 (II), BRAK-Mitteilungen 2005, 31 ff.) Die<br />

allgemeine Internationalisierung und Globalisierung des Wirtschaftsverkehrs und die Tatsache, dass der<br />

Rechtsanwalt seinen Geschäften immer häufiger außerhalb seines Kanzleisitzes nachgeht, macht eine<br />

ortsfeste Anlaufstelle sogar umso wichtiger und notwendiger.<br />

Das ändert nichts daran, dass Rechtsanwälte auch klassische Hausbesuche ableisten dürfen und sich<br />

online, etwa über Skype, mit Mandanten unterhalten dürfen. Sie müssen auch die Bearbeitung ihrer<br />

Akten nicht stets in ihren benannten Räumlichkeiten erledigen, sondern können auch im Homeoffice<br />

bestimmte Schriftsätze verfassen oder auf Bahnfahrten ihr Notebook mitnehmen. Doch es bedarf eines<br />

festen Bezugspunkts, über den der Rechtsanwalt gewöhnlich erreichbar ist.<br />

Wenn der Rechtsanwalt von Gerichten und Behörden etwa Akteneinsicht für z.B. zwei Tage in eine Akte<br />

erhält, muss auch gewährleistet werden, dass sie rechtzeitig wieder zurückgeschickt werden kann.<br />

Wenn sie aber zunächst erst noch von einem Bürodienstleistungszentrum weiter an die Kanzlei des<br />

Rechtsanwalts geschickt werden muss, wird die Rechtspflege erschwert oder u.U. sogar gefährdet.<br />

Akten, die verloren gehen oder verzögert zugestellt werden und damit behördliche bzw. gerichtliche<br />

Entscheidungen verzögern, stehen solchen Konstruktionen entgegen. Eine geordnete und effektive<br />

Rechtspflege wird gehindert.<br />

Daran ändert auch die Möglichkeit des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV), etwa in Form der<br />

elektronischen behördlichen Akte (beA) nichts. Der elektronische Rechtsverkehr erleichtert dem<br />

Rechtsanwalt zwar den Austausch von Dokumenten über weitere Entfernungen hinweg, aber ändert<br />

spätestens an der Übermittlung von Originalunterlagen und Beweisstücken, Asservaten und Gerichtsakten<br />

nichts. Auch beeinflusst die Entwicklung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA)<br />

nicht das Verkehrsverständnis. Wenn dessen Entwicklung und Existenz dem Durchschnittsverbraucher<br />

überhaupt zur Kenntnis gelangt ist, dann am ehesten aufgrund der mehrmonatigen Abschaltung wegen<br />

Sicherheitsproblemen (so das KG a.a.O.). Unabhängig davon wird die Kommunikation mit dem<br />

Mandanten nie ausschließlich elektronisch möglich sein. Mandanten reichen etwa Beweisstücke ein.<br />

Andere sind nicht in der Lage, elektronisch zu kommunizieren. Auch lassen sich viele gerade<br />

schwierigere Mandantengespräche nur optimal im persönlichen Gespräch während einer gemeinsamen<br />

Sprechstunde am gleichen Ort, in einer die Vertraulichkeit wahrenden Räumlichkeit, führen. Eine seriöse<br />

Besprechung zwischen Anwalt und Mandant kann in einer Vielzahl von Mandaten nur im persönlichen<br />

Gespräch bei physischem Gegenübersitzen ermöglicht werden.<br />

Ausschließlich elektronisch zu kommunizieren, schließt auch hilfebedürftige Mandanten aus. Das<br />

Internet schafft es nie vollends, barrierefrei etwa für behinderte Menschen, Kommunikation und<br />

verlässliche Rechtsberatung möglich zu machen.<br />

Die Notwendigkeit des persönlichen und vertraulichen Mandantengesprächs gilt umso mehr bei<br />

komplexen Sachverhalten, wie im Bau- und Architektenrecht, dem Medizinrecht, dem Asyl- und<br />

Migrationsrecht, dem Gesellschaftsrecht oder dem Strafrecht.<br />

Dies ändert doch nichts daran, dass manche Rechtsgebiete sich auch über weitere örtliche<br />

Entfernungen mit dem Mandanten klären lassen oder es sogar Beratungen in einem ruhigen Café<br />

um die Ecke bei einfach gelagerten Fällen, möglich sein könnten. Die Kanzleipflicht geht jedoch auch<br />

damit einher, Vertrauen in die Beständigkeit und Erreichbarkeit des Rechtsanwalts zu gewährleisten.<br />

Der Rechtsanwalt hat besonders viel mit wichtigen behördlichen und gerichtlichen Zustellungen<br />

zu tun. Er hat es besonders viel mit Telefonaten von Mandanten oder dessen Streitgegnern zu<br />

tun. Für diese muss er ansprechbar und ohne Umwege erreichbar sein, wenn eine zuverlässige und<br />

gewissenhafte Mandatsbearbeitung gewährleistet werden soll.<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>19</strong> 10.10.<strong>20<strong>19</strong></strong> 1037

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