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ZAP-2019-19

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Fach 23, Seite 1182<br />

Virtuelle Kanzlei und Zweigstelle<br />

Anwaltsrecht/Anwaltsbüro<br />

Denn gerade im Hinblick auf die Bedeutung der Kanzleipflicht für die Rechtspflege und im Hinblick<br />

darauf, dass die Kanzleipflicht nur aus ihrer Bedeutung für die Rechtspflege ihre Rechtfertigung findet,<br />

ist in der Praxis kaum zu erwarten, dass der Wegfall der Kanzleipflicht seine Rechtfertigung finden<br />

könnte.<br />

Eine Befreiung zur Vermeidung von Härten i.S.d. § 29 Abs. 1 BRAO kann nur persönliche Härten, die den<br />

Rechtsanwalt unmittelbar betreffen, meinen, wobei Härte eine Belastung im Einzelfall bedeutet, von der<br />

andere Rechtsanwälte nicht betroffen sind (zu denken ist hier heute eigentlich nur noch an<br />

gesundheitliche Gründe oder die Inhaftierung des Rechtsanwalts in Untersuchungshaft, die jedoch<br />

nur eine Befreiung von der Kanzleipflicht auf Zeit ermöglicht. Für die Sondersituation der grenzüberschreitenden<br />

anwaltlichen Tätigkeit ist § 29a BRAO geschaffen worden). Der Umstand, dass eine Kanzlei<br />

keine weiteren Mandate zu übernehmen wünscht, stellt keinen Härtefall i.S.v. § 29 Abs. 1 BRAO dar<br />

(Anwaltsgerichtshof Dresden, a.a.O., BRAK-Mitteilungen 2005, 31 ff.) Vorliegend war es zudem gerade<br />

die Intention, auf diese Weise Mandate zu generieren, so dass von einem Täuschungsbewusstsein des<br />

Rechtsanwalts gegenüber dem Rechtsverkehr auszugehen sein muss.<br />

In einem Fall, wie in dem Verfahren des KG – in dem es ein Einzelrechtsanwalt auf die Spitze trieb, in<br />

dem er 30 Postanschriften in Bürodienstleistungszentren als Postannahmestelle anmietete und diese<br />

Anschriften nach außen als „Kanzleistandorte“ oder „Zweigstellen“ auf Internet und Kanzleibriefbogen, in<br />

Werbeanzeigen und in Telefonbüchern bewarb – kann eine solche Rechtfertigung von einer Ausnahme<br />

der Kanzleipflicht wahrlich nicht gesehen werden.<br />

Die Fehlvorstellung über die Zahl der „Kanzleistandorte“ ist unter zwei Aspekten geeignet, das<br />

Marktverhalten der Rechtssuchenden zu beeinflussen. Zum einen vermittelt diese Zahl eine Marktpräsenz,<br />

die den angesprochenen Verkehr Rückschlüsse auf den beruflichen Erfolg der werbenden<br />

Rechtsanwälte und die Qualität der dort angebotenen Rechtsdienstleistungen ziehen lässt. Zum<br />

anderen vermittelt jeder Hinweis auf einen „Kanzleistandort“ eine Vertrautheit mit den örtlichen<br />

Verhältnissen, d.h. mit den am Ort tätigen Richtern und deren Gepflogenheiten und Rechtsansichten,<br />

von der sich der Rechtssuchende Vorteile bei der Durchsetzung seiner Ansprüche verspricht (KG a.a.O.).<br />

Praxistipp:<br />

Ehrlich währt am längsten. Die Vortäuschung von Büros, bei denen es sich in Wirklichkeit nur<br />

um Postweiterleitungsadressen handelt, ist eine Irreführung. Meist ist weniger mehr: Eine gute<br />

anwaltliche beständige Arbeit spricht sich auch herum und bedarf keiner Vortäuschung größerer<br />

Strukturen, die gar nicht gegeben sind.<br />

Um seine anwaltlichen Dienstleistungen auf dem Markt des Arzthaftungsrechts auf Patientenseite<br />

bundesweit zu bewerben, täuschte er eine Kanzleigröße vor, die er tatsächlich gar nicht hat. In den<br />

Bürodienstleistungszentren eingehende Post wurde ihm in seine Hauptkanzlei in Düsseldorf nachgeschickt.<br />

Selbst ist er in den meisten dieser angeblichen Kanzleistandorte aber noch nie physisch<br />

persönlich anwesend gewesen. Ein solches Verhalten indiziert ein Täuschungsbewusstsein und kann<br />

nicht gewollt sein.<br />

3. „Beratungsbüros“ als Schaffung einer neuen Terminologie<br />

§ 27 BRAO ist abschließend. Danach gibt es nur die Hauptkanzlei, die Zweigstelle und die weitere<br />

Kanzlei.<br />

Auch wenn die Rechtsprechung die irreführende Bezeichnung von „Kanzleistandort“ und „Zweigstelle“<br />

für virtuelle Büros berufsrechtlich und wettbewerbsrechtlich untersagt, nutzt besagter Rechtsanwalt,<br />

der die Anschriften von 30 virtuellen Büros werbend für sich als „Kanzleistandort“ bewarb und<br />

damit vor dem KG unterlegen gewesen ist, die angemieteten Postanschriften heute dennoch weiter.<br />

Er bewirbt die Anschriften dieser Bürodienstleistungszentren, also seine virtuellen Büros, nach<br />

1040 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>19</strong> 10.10.<strong>20<strong>19</strong></strong>

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