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ZAP-2019-19

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Fach 23, Seite 1184<br />

Virtuelle Kanzlei und Zweigstelle<br />

Anwaltsrecht/Anwaltsbüro<br />

Mietentgelt anzumieten und dafür anzureisen) terminlich erschwert werden. Die Regel ist, dass diese<br />

Anschriften nur werbend als Vorwand angegeben werden, die Kanzlei sei auch vor Ort tätig.<br />

Der Grund für ein solches virtuelles Büro ist für den Rechtsanwalt vielmehr offensichtlich rein von<br />

Marketinggesichtspunkten geleitet. Es wird nach außen der Eindruck erweckt, der Rechtsanwalt sei<br />

auch in der jeweiligen Stadt physisch präsent, was er tatsächlich aber nicht ist. Es wird eine Vertrautheit<br />

mit den örtlichen Verhältnissen, d.h. mit den am Ort tätigen Richtern und deren Gepflogenheiten und<br />

Rechtsansichten suggeriert, von der sich der Rechtssuchende Vorteile bei der Durchsetzung seiner<br />

Ansprüche verspricht. Es wird suggeriert, der Rechtsanwalt sei vor Ort anzutreffen und zu sprechen.<br />

Allemal redlicher wäre es, Rechtssuchenden einen persönlichen Besuch bei ihnen daheim zu<br />

versprechen (und dies sodann auch einzulösen!), als nach außen vorzutäuschen, an einer bestimmten<br />

Anschrift erreichbar zu sein.<br />

Diese Rechtsanwälte arbeiten im Wettbewerb zum Nachteil aller redlich am Markt teilnehmenden<br />

Rechtsanwälte. Ihre Vorgehensweise hat Wettbewerbsverzerrungen zur Folge, die auf den Rücken all<br />

der Rechtsanwälte ausgetragen werden, die sich an den Spielregeln halten. Man stelle sich eine Republik<br />

vor, bei der jeder Rechtsanwalt sich in jeder größeren Stadt in Bürodienstleistungszentren Postanschriften<br />

anmieten würde. Wir erlebten einen Boom von Bürodienstleistungszentren in unseren<br />

Städten. So viele Bürodienstleistungszentren könnten kaum eröffnen, wie Briefkastenschilder von<br />

Rechtsanwälten sich in deutschen Städten ausbreiten würden.<br />

Manche Bürodienstleistungszentren „beherbergen“ schon heute mehrere Anschriften von Rechtsanwälten,<br />

zum Teil sogar von direkten Wettbewerbern auf dem gleichen anwaltlichen Dienstleistungsbereich.<br />

Irgendwann würde es sich alsbald wirtschaftlich nicht mehr lohnen, dermaßen inflationär seine<br />

eigene Kanzlei in mehreren Städten zwanghaft zu bewerben. Der Öffentlichkeit wäre damit aber auch<br />

das letzte Vertrauen in die Rechtsanwaltschaft genommen.<br />

Umso dringender erscheint es – nicht nur aber auch gerade im Angesicht eines prognostizierten<br />

digitalen Zeitalters, aber auch für eine Chancengleichheit aller Rechtsanwälte – notwendig, die<br />

Kanzleipflicht aus § 27 Abs. 1 BRAO beizubehalten und die schwammige Formulierung in § 5 BORA,<br />

wonach der Rechtsanwalt verpflichtet ist, „die für seine Berufsausübung erforderlichen, sachlichen, personellen<br />

und organisatorischen Voraussetzungen in Kanzlei und Zweigstelle vorzuhalten“, zu konkretisieren.<br />

Rechtsanwaltskammern sollten entschiedener gegen Täuschungen des Rechtssuchenden durch<br />

Rechtsanwälte vorgehen und werbende Anschriften in Bürodienstleistungszentren, in denen der<br />

Rechtsanwalt keine Kanzlei i.S.d. § 27 BRAO unterhält, berufsrechtlich vorgehen. Dies kann im<br />

Einzelfall etwas Arbeit für die Rechtsanwaltskammern bedeuten. Doch der Schutz der Rechtspflege<br />

und die Herstellung und Bewahrung des Vertrauens in den Berufsstand des Rechtsanwalts erscheint<br />

dies allemal wert zu sein.<br />

1042 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>19</strong> 10.10.<strong>20<strong>19</strong></strong>

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