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ZAP-2019-19

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Fach 23, Seite 1176<br />

Virtuelle Kanzlei und Zweigstelle<br />

Anwaltsrecht/Anwaltsbüro<br />

Unterhält er etwa in einer Stadt eine Berufsausübungsgemeinschaft und errichtet er in einer anderen<br />

Stadt als Einzelanwalt eine weitere Kanzlei, so ist ihm dies erlaubt. Die Folge ist, dass er unter zwei<br />

verschiedenen Rechtspersönlichkeiten auftritt und für jede Kanzlei auch Mitglied der jeweils örtlichen<br />

RAK sein muss. Er muss an jeden der Kanzleistandorte eine Kanzlei einrichten und unterhalten.<br />

Der Fall verschiedener Rechtspersönlichkeiten dürfte der Hauptgrund sein, sich in dieser Form beruflich<br />

mit einer „weiteren Kanzlei“ zu betätigen. Denkbar ist aber auch, als Einzelanwalt unter verschiedenen<br />

Kanzleinamen jeweils eine Kanzlei in verschiedenen Städten zu betreiben, die voneinander unabhängig<br />

sind. Letzteres dürfte aber eher selten vorkommen, ist aber denkbar, wenn er in einer Stadt zu einem<br />

ganz bestimmten Rechtsgebiet arbeiten möchte und in einer anderen Kanzlei in einer anderen Stadt<br />

vorrangig zu einem anderen Rechtsgebiet, und dies in seinem Kanzleinamen deutlich werden soll. Denn<br />

der Rechtsanwalt ist nicht mehr verpflichtet, seine Kanzlei nach seinem eigenen Personennamen zu<br />

benennen, sondern kann auch Kunstnamen und eigene Markennamen für seine Kanzlei kreieren.<br />

4. Die virtuelle Kanzlei<br />

Nach alledem ist die Errichtung einer virtuellen Kanzlei, einer Telekanzlei (Cyper-Kanzlei), ausnahmslos<br />

nach § 27 BRAO untersagt (PRÜTTING führt in HENSSLER/PRÜTTING, BRAO, 5. Aufl., Rn 6 zu § 27 BRAO<br />

aus, dass eine Telekanzlei derzeit den Anforderungen von § 27 BRAO noch nicht erfülle, ohne diese<br />

zeitbezogene Ansicht näher zu begründen). Eine reine Briefkastenanschrift, also die postalische<br />

Erreichbarkeit ohne eigene Räumlichkeit, stellt keine zulässige Kanzlei dar. Ebenso wenig ist das bloße<br />

Bestehen eines Telekommunikationsanschlusses, der eine Anruf oder ein Telefax an einen anderen Ort<br />

weiterleitet, keine Kanzlei. Eine virtuelle Kanzlei oder Telekanzlei genügt den Anforderungen des § 27<br />

BRAO nicht (vgl. dazu auch PRÜTTING, AnwBl 2011, 46, 47).<br />

III.<br />

Rechtsschein im Berufs- und Wettbewerbsrecht<br />

1. Die Einordnung von Bürodienstleistungszentren<br />

Anschriften in Bürodienstleistungszentren sind vereinzelt ein charmanter Versuch, das Prinzip einer<br />

Briefkastenfirma auf die Verhältnisse einer Rechtsanwaltsausübung zu übertragen.<br />

Das einfache Aufstellen von Briefkästen, so wie wir es von typischen legalen Briefkastenfirmen<br />

kennen (die illegale Begehungsform von Briefkästen in nicht selten steuerbegünstigten Ländern sollen<br />

hier erst gar nicht thematisiert werden), ist nach § 27 Abs. 1 BRAO für Rechtsanwälte in jedem Fall<br />

untersagt. Der Rechtsanwalt muss jedenfalls seiner Kanzleipflicht nachkommen. Die Kanzleipflicht<br />

dient dazu, die Erreichbarkeit des Anwalts für das rechtsuchende Publikum, Berufskollegen, Gerichte<br />

und Behörden sicherzustellen. Von einer Kanzlei im Rechtssinne kann daher nur bei Vorhandensein<br />

organisatorischer Maßnahmen gesprochen werden, die der Öffentlichkeit den Willen des Anwalts<br />

offenbaren, anwaltliche Dienstleistungen bereitzustellen (BGH, Beschl. v. 20.10.2014 – AnwZ (Brfg)<br />

32/13, BeckRS 2014, 20924 Rn 11; BGH, Beschl. v. 6.7.2009 – AnwZ (B) 26/09, NJW-RR 2009, 1577 Rn 5).<br />

Der Rechtsanwalt muss dem rechtsuchenden Publikum in den Praxisräumen zu angemessenen Zeiten<br />

für anwaltliche Dienste zur Verfügung stehen (BGH, Beschl. v. 6.7.2009 a.a.O.). Letzteres ist nicht der<br />

Fall, wenn die Praxisräume zur Wahrung anwaltlicher Pflichten – wie der Verschwiegenheitspflicht<br />

gem § 43a Abs. 2 BRAO – ungeeignet sind (vgl. hierzu SIEGMUND in: GAIER/WOLF/GÖCKEN, Anwaltliches<br />

Berufsrecht, 2. Aufl., § 27 BRAO Rn <strong>19</strong>).<br />

Grundsätzlich keine Bedenken stellen sich, wenn ein Rechtsanwalt seine Kanzlei i.S.v. § 27 Abs. 1 BRAO in<br />

die Räumlichkeiten eines Bürodienstleistungscenters legt. Die sich damit weiter stellenden Probleme in<br />

den Bereichen des Datenschutzes und/oder anwaltlichen Verschwiegenheit und/oder Verbot der<br />

Vertretung widerstreitender Interessen, müssen dabei natürlich beachtet werden. Denn er bedient sich<br />

letztlich der Infrastruktur eines Dritten. So ist eine berufliche Zusammenarbeit mit anderen Berufen nur<br />

dann nach § 30 BORA und § 59a BRAO möglich, wenn diese auch das anwaltliche Berufsrecht beachten.<br />

1034 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>19</strong> 10.10.<strong>20<strong>19</strong></strong>

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