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ZAP-2019-19

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Strafrecht Fach 22 R, Seite 1141<br />

Rechtsprechungsübersicht 2018/<strong>20<strong>19</strong></strong><br />

Dem genügten die Ausführungen im Urteil des LG nicht. Das LG hatte sich darauf beschränkt, in den<br />

Feststellungen mitzuteilen, dass an den Fahrzeugen „Sachschaden“ entstanden ist. In der Beweiswürdigung<br />

wurde hierzu noch ergänzt, dass die Strafkammer zugunsten des Angeklagten von einem<br />

Schaden „von unter 1.000 € an allen 3 Fahrzeugen zusammen ausgeht“. Damit war zum einen nicht<br />

sicher festgestellt, dass der (Gefährdungs-)Schaden die Wertgrenze von 750 € sicher erreicht oder<br />

überschreitet (vgl. dazu BGH NStZ 2011, 215 = VRR 2011, 70 = StRR 2011, 112 = VA 2011, 47). Hinzu kam,<br />

dass das LG auch das vom Angeklagten gefahrene, der Bekannten gehörende Fahrzeug einbezogen hat;<br />

nach der ständigen Rechtsprechung des BGH bleibt hingegen der (Gefährdungs-)Schaden an dem vom<br />

Täter gefahrenen Fahrzeug auch dann außer Betracht, wenn es ihm nicht gehört (BGHSt 27, 40; BGH<br />

DAR <strong>19</strong>85, 387).<br />

Hinweis:<br />

Bei der vom BGH entschiedenen Frage handelt es sich um einen verkehrsrechtlichen Dauerbrenner.<br />

Die Problematik wird allerdings von den LG häufig übersehen, was dann zur Urteilsaufhebung führt.<br />

Die Fragen spielen i.Ü. auch beim gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b StGB eine<br />

Rolle und werden dort ebenso wie bei § 315c StGB gelöst.<br />

3. Verbotenes Rennen (§ 315d StGB)<br />

Die (neue) Vorschrift des § 315d StGB ist am 13.10.2017 in Kraft getreten. Sie verbietet Kraftfahrzeugrennen<br />

und hat aus der früheren Verkehrs-OWi nach § 29 StVO nun einen Straftatbestand gemacht<br />

(vgl. dazu u.a. STAM StV 2018, 464 ff.). In § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB ist – auf Vorschlag des<br />

Rechtsausschusses erst im Gesetzgebungsverfahren eingefügt – das sog. Alleinrennen unter Strafe<br />

gestellt worden. Die Anwendung dieser Vorschrift macht in der Praxis (erhebliche) Probleme, denn:<br />

Nicht jede – auch erhebliche – Geschwindigkeitsüberschreitung ist ein Alleinrennen. Darauf haben<br />

inzwischen einige Gerichte hingewiesen (vgl. u.a. KG, Beschl. v. 15.4.<strong>20<strong>19</strong></strong> – (3) 161 Ss 36/<strong>19</strong> (25/<strong>19</strong>), StraFo<br />

<strong>20<strong>19</strong></strong>, 342; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.7.<strong>20<strong>19</strong></strong> – 4 Rv 28 Ss 103/<strong>19</strong>, NJW <strong>20<strong>19</strong></strong>, 2787; LG Aurich VA <strong>20<strong>19</strong></strong>, 103;<br />

LG Berlin VRS 133, 15 = NZV 2018, 481; LG Stade DAR 2018, 577 = VRR 11/2018, 18 = StRR 11/2018, <strong>19</strong>;<br />

AG Essen VA <strong>20<strong>19</strong></strong>, 30).<br />

Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Der Kraftfahrzeugverkehr und z.B. ein<br />

Überholvorgang dienen nämlich regelmäßig dem „möglichst“ schnellen Vorankommen, so dass für die<br />

Verwirklichung des Straftatbestands des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zum bloßen zügigen Überholen ein<br />

Fahren mit Renncharakter hinzukommen muss. Ein Renncharakter ist (erst) gegeben, wenn der Fahrer<br />

sein Fahrzeug bis an die technischen und physikalischen Grenzen ausfährt (KG, a.a.O.; LG Stade, a.a.O.).<br />

Von einem (Allein-)rennen wird auch auszugehen sein, wenn der Angeklagte, „um sich zu profilieren“<br />

und seinen Beifahrern „zu imponieren“, einen mit 605 PS motorisierten Mietwagen „einmal austesten“<br />

will und hierzu über eine Strecke von zumindest 3,8 km durch das innerstädtische Berlin rast, wobei er<br />

eine Geschwindigkeit von „mindestens 150 km/h“ erreicht. Durch aggressiv ruckartiges Lückenspringen<br />

hatte der Angeklagte zudem andere Verkehrsteilnehmer gezwungen, immer wieder abzubremsen.<br />

Unter anderem diese Feststellungen zeigten nach Auffassung des KG (a.a.O.), dass die Tat über eine<br />

bloße Geschwindigkeitsüberschreitung hinausging (vgl. BT-Drucks 18/12964, 6). Diese Feststellungen<br />

würden auch bei zurückhaltender Auslegung die Anwendung der neuen Strafvorschrift des § 315d Abs. 1<br />

Nr. 3 StGB tragen.<br />

Hinweis:<br />

Nach Auffassung des OLG Stuttgart (a.a.O.) kann es sich auch bei einer sog. Polizeiflucht um ein Alleinrennen<br />

i:S.d. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB handeln. Die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, müsse<br />

nicht Haupt- oder Alleinbeweggrund für die Fahrt sein (so aber HECKER in: SCHÖNKE/SCHRÖDER, StGB, 30. Aufl.<br />

§ 315d Rn 3 und 9). Die Auffassung, die Verfolgungsjagd könne bei der Polizeiflucht nicht als Wettbewerb oder<br />

Leistungsprüfung eingestuft werden und unterliege deshalb nicht der Strafbarkeit nach § 315d Abs. 1 Nr. 3<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>19</strong> 10.10.<strong>20<strong>19</strong></strong> 1027

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