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UNDERDOG #64

Schwerpunkt: Rassismus und Polizeigewalt Rassismus durchdringt verschiedene gesellschaftliche Ebenen, wenn er etwa im Alltag, in den Medien, in der Wissenschaft, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder aber in Polizei und Justiz wirksam wird. Während individueller Rassismus zuweilen thematisiert wird, wird institutioneller Rassismus und somit auch die Wirkmacht des Rassismus weitgehend außer Acht gelassen. Unsere Schwerpunktausgabe will das ändern.

Schwerpunkt: Rassismus und Polizeigewalt
Rassismus durchdringt verschiedene gesellschaftliche Ebenen, wenn er etwa im Alltag, in den Medien, in der Wissenschaft, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder aber in Polizei und Justiz wirksam wird. Während individueller Rassismus zuweilen thematisiert wird, wird institutioneller Rassismus und somit auch die Wirkmacht des Rassismus weitgehend außer Acht gelassen. Unsere Schwerpunktausgabe will das ändern.

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Erscheinung ausgemacht und als

»Ausländerfeindlichkeit«

oder

»Rechtsextremismus« katalogisiert vom

großen Ganzen abgespalten. Das

Phänomen des Rassismus – das heißt, die

Geschichte von Eroberung, Konversion

und Ausbeutung – hat sich im Laufe der

Geschichte bis heute fortgesetzt.

Auch in den Beratungsstellen für

Betroffene rechter Gewalt ist

rassistische Polizeigewalt immer wieder

Thema. Betroffene rassistisch motivierter

Gewalt berichten von ständigen

Kontrollen, Beleidigungen und

Übergriffen. Betroffene rassistisch

motivierter Angriffe werden durch die

hinzukommende Polizei als Täter*innen

behandelt, die eigentlichen

Aggressor*innen nicht belangt, Anzeigen

werden nicht aufgenommen, Betroffenen

kein Glauben geschenkt.

Noch fataler wirken Fälle expliziter

rassistisch motivierter Polizeigewalt.

Auslöser sind häufig sog.

verdachtsunabhängige Kontrollen. Solche

Situationen können dann der Anlass für

physische Gewaltanwendung sein – etwa,

wenn sich Betroffene beschweren,

weigern sich schon wieder auszuweisen,

auf Beleidigungen reagieren. Da sind

aber auch Fälle überzogener

Gewaltanwendung bei Festnahmen und

unnötige Fixierung, Ignoranz gegenüber

Vorerkrankungen oder Verletzungen.

Und es gibt Fälle, in denen nicht von

überzogener, sondern explizit von

ungerechtfertigter Gewaltanwendung

gesprochen werden muss. Neben

Kontrollsituationen sind es vor allem

Einsätze im Wohnumfeld, bei denen es zu

ungerechtfertigter und offenbar

rassistisch motivierter Polizeigewalt kam

– bis hin zu schweren Misshandlungen

von wehrlosen Personen.

Geprägt vom westlich-eurozentristischkolonialen

Blick wird uns die

Menschheitsgeschichte aus der

dominanten Perspektive eines Weißchristlich-männlich

konstruierten

Wissensarchivs »weiß« gemacht. Es ist

eine machtvolle Narration, die mit

Mitteln der Ausblendung,

Fragmentierung,

Selektion,

Verfälschung, Auslöschung arbeitend,

manipulativ ihre eigene Realität

konstruiert und somit andere

existierende Narrationen entmündigt,

unterdrückt und beherrscht. So ist es

nicht verwunderlich, dass in der

Gedächtnis- und Erinnerungskultur über

den westlich-europäischen Rassismus

und Kolonialismus sowohl über die

Erfahrungen, Geschichten, Erzählungen

und Widerstandskämpfe der

Kolonisierten und Rassifizierten mit ihren

Kontinuitäten bis in die Gegenwart in den

dominanten Narrationen, Diskursen und

Wissensarchiven eine Art Amnesie

vorherrscht als auch ein weitgehend

selbstkritisches und selbst-reflexives

Bewusstsein darüber fehlt.

Migrantischer Antirassismus

Innerhalb des Weißen Antirassismus

existiert eine Weiße Dominanz und hier

üben People of Color die schärfste Kritik:

Wie ernst nehmen Weiße antirassistische

Bewegungen koloniale Kontinuitäten

wahr? Warum sind (meist männliche)

Weiße diejenigen, die vom Thema

Rassismus profitieren und dieses

vertreten? Warum solidarisieren sich

Weiße mit von Gewalt betroffenen PoC,

haben aber ansonsten keinerlei Kontakt

mit ihnen?

Die Migrationsforscherin Prof. Dr.

Manuela Bojadžijev 2 ging in ihrem Buch

„Die windige Internationale“ der Frage

nach, ob sich Migrant*innen in

Deutschland überhaupt gegen Rassismus

2

Manuela Bojadžijev gehörte zu den Initiator*innen

von Kanak Attak. Migrantische Kämpfe sind seit

jeher Schwerpunkt ihres Forschungsinteresses.

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