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UNDERDOG #64

Schwerpunkt: Rassismus und Polizeigewalt Rassismus durchdringt verschiedene gesellschaftliche Ebenen, wenn er etwa im Alltag, in den Medien, in der Wissenschaft, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder aber in Polizei und Justiz wirksam wird. Während individueller Rassismus zuweilen thematisiert wird, wird institutioneller Rassismus und somit auch die Wirkmacht des Rassismus weitgehend außer Acht gelassen. Unsere Schwerpunktausgabe will das ändern.

Schwerpunkt: Rassismus und Polizeigewalt
Rassismus durchdringt verschiedene gesellschaftliche Ebenen, wenn er etwa im Alltag, in den Medien, in der Wissenschaft, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder aber in Polizei und Justiz wirksam wird. Während individueller Rassismus zuweilen thematisiert wird, wird institutioneller Rassismus und somit auch die Wirkmacht des Rassismus weitgehend außer Acht gelassen. Unsere Schwerpunktausgabe will das ändern.

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des Handelns, Empfindens und Denkens

von Menschen in den Vordergrund

stellen, erscheint es mir wichtiger,

Rassismus als ein im

Herrschaftsverhältnis auf das Individuum

verankertes Problem zu erkennen. Wird

zum Beispiel eine PoC-Person im Zug

kontrolliert, erscheint dies auf den ersten

Blick womöglich wie eine völlig

„normale“ Personenkontrolle, um

Personen zu identifizieren, die sich „ohne

Berechtigung“ in Deutschland aufhalten.

Auf den zweiten Blick jedoch wird

deutlich, dass eine Personenkontrolle von

Menschen, die Hautfarbe oder

Physiognomie zum Anlass der

Identifikation, der Behandlung und zum

Bezugspunkt der Legitimation dieses

Prozedere nimmt, auf dem System

rassistischen Unterscheidens gründet

und dieses System bekräftigt: racial

profiling 3 ! Menschen werden aufgrund

des Kriteriums „Hautfarbe“ einer

bestimmten Gruppe zugeordnet und

stigmatisiert: zur Gruppe der „illegalen“,

kriminellen Einwander*innen – sie

werden abgewertet, als nicht deutsch

markiert, und es wird mit Bezug auf

Hautfarbe eine erhöhte

Wahrscheinlichkeit

krimineller

Disposition unterstellt. Zudem haben die

kontrollierenden

Beamt*innen/Angestellten die Macht,

diese sozial hervorhebende und

zurücksetzende,

womöglich

beschämende Identifikation und

Behandlung vor den Augen der anderen,

nicht kontrollierten Passagiere

durchzusetzen und ein Machtverhältnis

demonstriert!

Dass Racial Profiling nun auch in

Deutschland vermehrt diskutiert wird hat

hat vor allem mit den Kämpfen gegen

diese menschen- und grundrechtswidrige

Praxis zu tun. Seit Jahren regen sich

Widerstände und es haben sich

Initiativen und Organisationen

gegründet, die diese rassistische Praxis

und ihre gesellschaftliche

Normalisierung herausfordern.

Gerade in Deutschland lässt sich ein

starkes

Distanzierungsbedürfnis

feststellen, wenn es darum geht, den

Begriff Rassismus als Analyseperspektive

für gegenwärtige Phänomene zu

verwenden. Bei den sogenannten

rassistischen NSU-Morden haben

Ermittler*innen,

Polizei,

Staatsanwaltschaft die Möglichkeit,

Rassismus als Motiv in Betracht zu

ziehen, nicht wahrgenommen. Dass

dieses Phänomen auf rassistische

Strukturen bei staatstragenden

Institutionen verweist, wird nicht nur von

diesen selbst, sondern auch in der

Öffentlichkeit vehement zurückgewiesen.

Rassismus wird abgewertet, verdrängt

und verharmlost.

3

Der Begriff Racial Profiling stammt aus den USA und

die Kontrollpraxis geht weit bis in die Geschichte

der Versklavung zurück. Racial Profiling

(rassistische Profilerstellung, auch "Ethnic

Profiling" genannt) bezeichnet Maßnahmen wie

Identitätskontrollen, Befragungen,

Überwachungen, Dursuchungen oder auch

Verhaftungen, die nicht auf einer konkreten

Verdachtsgrundlage oder Gefahr erfolgen, sondern

allein aufgrund von „äußeren“ rassifizierten oder

ethnisierten Merkmalen

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