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UNDERDOG #64

Schwerpunkt: Rassismus und Polizeigewalt Rassismus durchdringt verschiedene gesellschaftliche Ebenen, wenn er etwa im Alltag, in den Medien, in der Wissenschaft, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder aber in Polizei und Justiz wirksam wird. Während individueller Rassismus zuweilen thematisiert wird, wird institutioneller Rassismus und somit auch die Wirkmacht des Rassismus weitgehend außer Acht gelassen. Unsere Schwerpunktausgabe will das ändern.

Schwerpunkt: Rassismus und Polizeigewalt
Rassismus durchdringt verschiedene gesellschaftliche Ebenen, wenn er etwa im Alltag, in den Medien, in der Wissenschaft, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder aber in Polizei und Justiz wirksam wird. Während individueller Rassismus zuweilen thematisiert wird, wird institutioneller Rassismus und somit auch die Wirkmacht des Rassismus weitgehend außer Acht gelassen. Unsere Schwerpunktausgabe will das ändern.

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zur Wehr gesetzt haben. Und welchen

Nutzen für eine kritische

Gesellschaftstheorie ziehen wir, wenn wir

den Spuren des migrantischen

Widerstands nachgehen? Unter Rückgriff

auf eine historische Analyse der

Auseinandersetzungen

von

Migrant*innen in der Bundesrepublik

entwickelte Manuela eine relationale

Theorie des Rassismus, die in der Lage

ist, seine historischen und aktuellen

Konjunkturen zu bestimmen. Eine solche

Theorie nimmt die Auseinandersetzungen

gegen Rassismus zu ihrer Grundlage und

nicht die Subjekte, die der Rassismus

erst produziert. Die Autorin analysiert

Rassismus als relationales Gefüge, als

Feld von Machtbeziehungen und

Kräfteverhältnissen. Dadurch gelingt es

ihr, eine diskursgeschichtliche

Perspektive der „Rassen“hierarchie so zu

erweitern, dass auch Reaktionen der von

Rassismus Betroffenen (und

antirassistische Mobilisierung im

Allgemeinen) in die Bestimmung und

historische Transformationen des

Rassismus einbezogen werden können.

Was in ihrer sehr anschaulichen Studie

fehlt, ist der Fokus auf einzelne

Organisationen, deren Strukturierungen,

Lebensformen und Aktivitäten.

Migrantische

Selbstsorganisierung

Selbstorganisierung ist eine besondere

Form der kritischen Auseinandersetzung

von Migrant*innen mit rassistischen

Verhältnissen um Mobilität,

Bürgerrechte, Zugehörigkeit etc. Diese

politisch kohärente Kraft jenseits der

paternalistischen Bevormundung ist in

Deutschland politisch sehr heterogen.

Dass sie aber auch die Gefahr der

Identitätspolitik birgt, zeigt der

Politikwissenschaftler und Soziologe

Çagrı Kahveci anhand der

antirassistischen politischen Praxis

türkeistämmiger Migrant*innen. Durch

die kritische ‚Begleitung‘ ihrer Politik

zeichnet er in seinem Buch die

Konjunkturen des Rassismus anschaulich

nach. In der Konsequenz richtet der

Autor den Fokus auf die Rolle der hierbei

antirassistischen Diskursen, Praktiken

und Organisationen von Migrant*innen

türkischer Herkunft. Für die kritische

Untersuchung der politischen Praxis

dieser Selbstorganisierung konzentriert

der Autor sich auf vier ausgewählte

Gruppen: Antifaşist Gençlik 3 , Ada e.V.,

Initiative Grenzenlos und Gladt e.V.

Dabei wird konkret der Frage

nachgegangen, warum sich viele

türkeistämmige linke Migrant*innen in

dem vom Autoren untersuchten Zeitraum

eigenständig organisiert haben, anstatt

bereits existierende antirassistische

Netzwerke, Initiativen und Strukturen zu

nutzen. Darüber hinaus wird untersucht,

ob und in welcher Weise die Form der

Selbstorganisierung es diesen

Migrant*innen ermöglicht hat,

(spezifische) Widerstandspraktiken

gegen Rassismus zu entwickeln.

3

Die Antifaşist (Antifa) Gençlik wurde 1988 in Berlin

an der Schnittstelle migrantischer Vereinskultur,

Jugendbanden des Kiez und autonomer

antifaschistischer Politik gegründet. Bald bildeten

sich Antifa-Gençlik-Gruppen in mehreren

deutschen Städten und darüber hinaus. Mitte der

1990er-Jahre lösten sich die Strukturen als Folge

staatlicher Repression auf.

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