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UNDERDOG #64

Schwerpunkt: Rassismus und Polizeigewalt Rassismus durchdringt verschiedene gesellschaftliche Ebenen, wenn er etwa im Alltag, in den Medien, in der Wissenschaft, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder aber in Polizei und Justiz wirksam wird. Während individueller Rassismus zuweilen thematisiert wird, wird institutioneller Rassismus und somit auch die Wirkmacht des Rassismus weitgehend außer Acht gelassen. Unsere Schwerpunktausgabe will das ändern.

Schwerpunkt: Rassismus und Polizeigewalt
Rassismus durchdringt verschiedene gesellschaftliche Ebenen, wenn er etwa im Alltag, in den Medien, in der Wissenschaft, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder aber in Polizei und Justiz wirksam wird. Während individueller Rassismus zuweilen thematisiert wird, wird institutioneller Rassismus und somit auch die Wirkmacht des Rassismus weitgehend außer Acht gelassen. Unsere Schwerpunktausgabe will das ändern.

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müssen also die Strukturen, die zu

Diskriminierung führen, auf ein

Mehrperspektivenmodell und eine

Strukturanalyse beziehen.

Der Bericht zeigt potenzielle

Handlungsräume

und

Handlungsbedarfe für den deutschen

Kontext auf. Wie unterscheiden die

sich denn von anderen Ländern?

Es gibt einen großen Unterschied

zwischen den USA, Deutschland und dem

Vereinigten Königreich, was den

Rassismus betrifft. Aber Rassismus hat

überall die gleichen Wurzeln. Die

Definition mag unterschiedlich sein, aber

die Quellen sind die gleichen. Wir sehen

das in den USA. Es ist viel einfacher,

über "Race" zu sprechen,“ zu sprechen

und in den USA war „race“ immer ein

Begriff, der auch für den Kampf gegen

Ungerechtigkeiten stand. Auf Deutsch

fehlt häufig das Vokabular, um über

Rassismus zu sprechen. Wörter wie racial

equality, racial profiling, die uns auf

Deutsch fehlen und es deswegen

schwierig macht, über Rassismus zu

sprechen. Begriffe tragen Antworten auf

diese Fragen in sich. Und manche sind

nicht hilfreich oder sind schlechte

Übersetzungen ins Deutsche. Zum

Beispiel das Wort „Rassenunruhen“. Das

Wort ist eine Eindeutschung von „race

riots“. Eine ziemlich schlechte, denn das

Wort „race“ hatte im Englischen schon

immer eine starke soziale Bedeutung,

währen das deutsche Wort „Rasse“ ein

biologistisches ist und die Existenz von

Menschenrassen suggeriert, die es nicht

gibt. Im Umgang mit Rassismus haben

wir im Gegensatz zum englischen

Sprachgebrauch ein Vokabel-Defizit. Uns

fehlt also im wahrsten Sinne des Wortes

„die Sprache“, um

Unterdrückungsstrukturen

wie

Rassismus klar zu benennen. So bleibt

Rassismus für Unbetroffene unsichtbar.

Um ihn aufzulösen, müssen wir ihn

sichtbar machen und über ihn sprechen.

Denn wir alle können rassistisch sein und

Teil des Problems.

Wie haben Diskriminierungen deine

Lebenserfahrungen

und

Lebensqualität beeinflusst und

geprägt?

Rassismus ist Teil meiner gelebten

Erfahrungen. Ich werde als PoC und

Frau* oft gefragt, ob ich

Diskriminierungserfahrungen mache.

Und darauf sage ich immer „Ja, aber: Wir

fokussieren uns immer fast

ausschließlich auf die Erfahrungen, die

von Rassismus betroffene Menschen

machen, ohne danach zu fragen, woher

diese Erfahrungen kommen.“ Die

Erfahrungen, die ich erlebe, stammen

von ganz ‚normalen Menschen‘, die das

vielleicht nicht so meinen, denen das

nicht bewusst ist. Aber wenn du mich

fragst, ob ich

Diskriminierungserfahrungen aufgrund

meiner Hautfarbe und meines

Geschlechts gemacht habe, muss ich dich

auch fragen, wann du zuletzt jemanden

diskriminiert hast. Es geht hierbei um

Privilegien weißer *cis-Männer, die ihr

Verhalten gar nicht reflektieren. Wenn

ich Kontakt habe mit Menschen mit

einem Handicap, mit einer Behinderung,

werde ich ganz bestimmt auch

diskriminierend handeln, weil ich auf der

privilegierten Seite stehe. Das wird auch

so sein, wenn ich als *cis-Frau mit Trans-

Menschen spreche. Es ist also wichtig,

aus der eigenen Position heraus immer

auch einen Perspektivenwechsel zu

berücksichtigen, um Diskriminierungen

zu verhindern, nicht immer nur die

eigene Sicht der Dinge zu betrachten,

sondern objektiver zu denken und zu

entscheiden.

Wie ist deine Einschätzung: Ist in der

Öffentlichkeit, also letztendlich

allgemein in der Gesellschaft, eine

starke Abwehr festzustellen, sich mit

Diskriminierung zu beschäftigen,

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