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UNDERDOG #64

Schwerpunkt: Rassismus und Polizeigewalt Rassismus durchdringt verschiedene gesellschaftliche Ebenen, wenn er etwa im Alltag, in den Medien, in der Wissenschaft, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder aber in Polizei und Justiz wirksam wird. Während individueller Rassismus zuweilen thematisiert wird, wird institutioneller Rassismus und somit auch die Wirkmacht des Rassismus weitgehend außer Acht gelassen. Unsere Schwerpunktausgabe will das ändern.

Schwerpunkt: Rassismus und Polizeigewalt
Rassismus durchdringt verschiedene gesellschaftliche Ebenen, wenn er etwa im Alltag, in den Medien, in der Wissenschaft, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder aber in Polizei und Justiz wirksam wird. Während individueller Rassismus zuweilen thematisiert wird, wird institutioneller Rassismus und somit auch die Wirkmacht des Rassismus weitgehend außer Acht gelassen. Unsere Schwerpunktausgabe will das ändern.

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Initiative in Gedenken an Oury Jalloh

Asservatenliste hinzugefügte Feuerzeug

auf – dafür sind jedoch Hundehaare

sowie eine DNA festgestellt worden, die

eindeutig einer europäischen DNA

zugeordnet werden kann, laut

Staatsanwaltschaft soll diese von dem

Laboranten des LKAs stammen, der das

Feuerzeug ohne Handschuhe untersucht

haben soll. Die Selbstanzündungsthese

steht als bloße Behauptung im Raum und

das Feuerzeug wurde bis heute seitens

der Staatsanwaltschaft nicht geprüft. Die

Untersuchung des Feuerzeugs haben wir

selbst als Initiative unabhängig in

Auftrag gegeben. Von Anfang an stand

für die Ermittler fest, dass Oury sich

selbst angezündet hat. So hat der LKA-

Beamte, welcher für die Untersuchung

des Tatortes zuständig ist, noch vor

Betreten des Dessauer Polizeireviers am

7.1.2005 gesagt: „Wir begeben uns jetzt

in den Gewahrsahmstrakt, indem sich ein

Schwarzafrikaner selbst angezündet

hat.“ Bevor er Zelle Nr. 5 betrat,

behauptete er dies ein zweites Mal. Es

wurden seitens der Staatsanwaltschaft

nur

Untersuchungsversuche

durchgeführt, die nicht mit den

Anhaltspunkten des Tatorts überein

standen. Und selbst mit diesen

verfälschten Versuchsaufbauten ist es

ihnen nicht gelungen, den

Originalzustand (Brandbild) in Zelle Nr. 5

sowie den Ablauf auch nur annähernd

nachzustellen bzw. zu erreichen. Diese

Versuche auf der Grundlage falscher

Versuchsaufbauten ziehen sich bis heute

durch. Genauso verfälscht und respektlos

ist die Tatsache, dass alle Polizisten als

Zeugen und nicht als mögliche Täter

befragt wurden.

«Es ist uns wichtig, die Polizeigewalt

nicht nur in Deutschland und Europa

aufzuzeigen, denn es gibt eine

geschichtliche Kontinuität und einen

weltweiten zusammenhängenden

Kontext.»

Bis heute versuchen Freunde,

Bekannte und Aktivist*innen, die

Todesumstände aufzuklären. Warum

ist es dir und eurer Initiative nach

über 14 Jahren ein wichtiges

Anliegen, dass der „Fall“ aufgeklärt

wird?

Zum einen, weil Ourys Familie

diese Aufklärung und die Gerechtigkeit

braucht. Zum anderen, weil die Wahrheit

über diesen mordenden Staat an die

Öffentlichkeit getragen werden muss: am

Ende wird stehen, dass die Polizei Oury

angezündet hat. Ourys Fall ist einer von

vielen und exemplarisch für alle

Menschen, die durch Polizeigewalt

umgekommen sind. Und wo aufgrund

rassistischer Motive Verfahren

manipuliert und verdreht werden, um

Morde von staatlicher Hand zu

vertuschen. Und da steht Ourys Fall für

einer der wenigen, der durch die

Beständigkeit der Angehörigen,

Freund*innen und Aktivisten*innen,

sowie der unabhängig erlangte

Faktenlage, die Eindeutigkeit zu Mord

aufzeigen kann. Ohne Ourys Freunde, die

von Anfang an die richtigen Fragen

gestellt haben, wäre der Fall niemals vor

Gericht und an die Öffentlichkeit gelangt.

Wir wollen den Menschen zeigen, dass

wir solche Aufklärungsarbeit selbst in die

Hand nehmen müssen, und wir wurden

immer von vielen solidarischen Gruppen

und Einzelpersonen unterstützt, nicht

nur in Deutschland, denn Polizeigewalt

gibt es überall auf der Welt. Es ist uns

wichtig, die Polizeigewalt nicht nur in

Deutschland und Europa aufzuzeigen,

denn es gibt eine geschichtliche

Kontinuität und einen weltweiten

zusammenhängenden Kontext. Wir

können – gemeinsam – aufzeigen, wie das

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