08.12.2020 Aufrufe

UNDERDOG #64

Schwerpunkt: Rassismus und Polizeigewalt Rassismus durchdringt verschiedene gesellschaftliche Ebenen, wenn er etwa im Alltag, in den Medien, in der Wissenschaft, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder aber in Polizei und Justiz wirksam wird. Während individueller Rassismus zuweilen thematisiert wird, wird institutioneller Rassismus und somit auch die Wirkmacht des Rassismus weitgehend außer Acht gelassen. Unsere Schwerpunktausgabe will das ändern.

Schwerpunkt: Rassismus und Polizeigewalt
Rassismus durchdringt verschiedene gesellschaftliche Ebenen, wenn er etwa im Alltag, in den Medien, in der Wissenschaft, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder aber in Polizei und Justiz wirksam wird. Während individueller Rassismus zuweilen thematisiert wird, wird institutioneller Rassismus und somit auch die Wirkmacht des Rassismus weitgehend außer Acht gelassen. Unsere Schwerpunktausgabe will das ändern.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

und erstmals nach den rassistischen

Morden von Hanau Mitte Februar dieses

Jahres in Erscheinung trat, auch und vor

allem in Berlin. Klassische linke

Strukturen wie auch die Antifa in

Deutschland sind mehrheitlich weiß

dominiert und geben dem Kampf gegen

rassistische Unterdrückung nicht

genügend Raum. Viele Migrantisierte

fühlen sich auch einfach unwohl in linken

Kontexten. Dort ist es wichtig, sich mit

Szenecodes auszukennen. Migrantifa als

Bündnis möchte an einem Ort sein, wo

Migrant*innen sich wohlfühlen und wo

jede*r mitkämpfen kann und nicht

erschlagen wird von Politsprech,

Manifesten und autonomer

Selbstdarstellung. Hier haben sich

Migrant*innen unter dem Label

Migrantifa zusammengefunden, um auf

die gemeinsamen Erfahrungen mit

rechtem, rassistischem und

antisemitischem Terror aufmerksam zu

machen und sich zu organisieren.

NSU-Komplex auflösen

„Es wird Zeit, dass die Perspektive der

Migration eine Perspektive der gesamten

Gesellschaft wird. Rassismus muss

zusammen mit den davon Betroffenen

thematisiert und bekämpft werden.“

Das Tribunal 11 hat sich eine

öffentlichkeitswirksame, gesellschaftliche

Anklage der Täter*innen des NSU-

Terrors und des ihm zugrunde liegenden

strukturellen Rassismus zum Ziel gesetzt.

Dabei sollen die Betroffenen von

rassistischer Gewalt ein Forum erhalten,

ihre Geschichten zu erzählen, ihr Wissen

zu öffnen und aus einer migrantischen

Perspektive Forderungen zu stellen. Ziel

ist es, den NSU-Komplex in seiner

gesamten personellen wie institutionellen

Dimension sichtbar zu machen und

darüber den strukturellen Rassismus in

Deutschland anzuklagen. In manchen

Städten geschieht dies in enger

Zusammenarbeit mit Betroffenen des

NSU-Terrors, an anderen Orten gibt es

bisher kaum Zusammenarbeit. Dennoch

haben die Initiativen und darin

engagierte Einzelpersonen eine

Vertrauensbasis bei Angehörigen und

betroffenen Familien entwickelt.

Fazit:

Migrantischer Widerstand ist notwendig

und wichtig. Doch migrantischer

Antirassismus stößt in den Strukturen

der Linken auf reproduzierte, exklusive

Ausschlussmechanismen:

Die

Überakademisierung und die

Voraussetzung linke Sprache/Szenecodes

zu beherrschen, wirken auf

Migrant*innen wenig ansprechend. Doch

während die Sprache akademisiert wird,

wird gleichzeitig das Zeigen von

Emotionen als nicht-links

wahrgenommen, dies zu ändern wird

dabei ebenso erwartet, wie die

Beherrschung eines linken Wortschatzes.

Nur eine Linke, die Szenecodes und

akademische Sprache hinter sich lässt

und stattdessen offen ist für

migrantische Kultur, die Antirassismus

nicht nur als Grundlage ihres Handelns,

sondern die von ihm Betroffenen selber

sprechen lässt, und die vor allem die

Frage der sozialen Sicherheit für alle

Menschen in den Mittelpunkt stellt, kann

eine gemeinsame politische

(handlungsfähige) Linke sein.

Insbesondere auf sprachlicher Ebene, bei

gleichzeitig stärkerer Einbindung

migrantischer Kultur, aber auch durch

eine solidarische Praxis und bessere

Repräsentation in allen Strukturen der

Linken.

11

https://www.nsu-tribunal.de

22

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!