Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Bund e.V.konfrontiert, und wie gehst du damitum?Tahir: Ich bin als SchwarzerJugendlicher immer wieder mit Rassismuskonfrontiert gewesen und habe gelernt,damit umzugehen. Ich habe mir ein paarFaustregeln erarbeitet. Ich bin also immerdarauf vorbereitet, dass ich latentem undgewalttätigen Rassismus ausgesetzt bin,egal, ob im Zug oder wenn ich die Zeitungaufschlage. Rassismus ist unterschiedlichausgeprägt, der von Schwarzen Menschenauch unterschiedlich wahrgenommen wird,ist aber fester Bestandteil des Alltags.Wirst du denn eher zynisch?Tahir: Ich war vor Kurzem inHolland. Weil ich mit der einzige imSupermarkt eine Maske getragen habe,wussten die anderen, ich bin keinEinheimischer. Als ich einen anderenKunden gefragt habe, wo denn die Milchsei, hat der sehr freundlich geantwortet:„Over there!“ Und ich daraufhin: „Dankeschön!“ Worauf er wieder englisch mit mirgesprochen hat: „You‘re welcome!“ Also, erhat mit mir – obwohl ich Deutscher bin –englisch gesprochen, weil er gesehen hat,dass ich ein Schwarzer bin! Das ist ja nocheine lustige Geschichte, die aber nichtdarüber hinwegtäuschen soll, dass dieGewalttaten wesentlich bedeutsamer undwichtiger sind, zu besprechen, weil es hierum das eigene Befinden undSelbstverständnis geht, von derGesellschaft angenommen zu werden. Esgibt in Deutschland keine Pflicht, einenAusweis mit sich zu führen und trotzdemhaben Schwarze Menschen und PoC immereinen Ausweis dabei, um zu vermeiden, beiKontrollen auf die Wache mitgenommen zuwerden.Kann mensch Rassismus auch wiederverlernen?Tahir: Klar. Rassismus ist angelerntoder von Kindesbeinen auf antrainiert.Genauso kann man es auch wiederverlernen. Und wir müssen auch lernen,damit umzugehen, dass wir von Rassismusgeprägt sind. Wo ich wieder auf unserenInnenminister zurückkommen muss. Dasswir erst mal das Problem Rassismusanerkennen. Ich kann Rassismus ja nichtbegegnen, wenn gesagt wird: Es gibt keinProblem! Dann spare ich mir jedeAuseinandersetzung. Und wir müsseninsgesamt in der Gesellschaft lernen, mitRassismus umzugehen. Das mussumfänglicher stattfinden. Nicht mehr dieoffenkundigen Dinge wie: Alle Nazis sindGlatzen mit Baseballschläger. Es muss klarwerden, dass die gesamte Gesellschaftdavon betroffen ist, durchtränkt ist vonrassistischen Denk- undHandlungsmustern.Und immer und überall kontra geben:in der Familie, im Freundeskreis, aufder Arbeit…Wie könntest du denn einerassismusfreie Gesellschaft vorleben?Tahir: Ich denke, dass jeder Menschin der Gesellschaft eine Verantwortung hat,mit Ungerechtigkeiten, Ungleichheitenumzugehen. Genauso hinhören, hinschauenund Möglichkeiten finden, damitumzugehen. Eine Faustregel könnte sein:Ein Problembewusstsein entwickeln unddaraus resultierend, Handlungenentwickeln. Also, spreche ich das Probleman oder halte ich die Klappe. Dafür mussich nicht zwingend politisch aktiv werden.Mit einem Problembewusstsein kann ichdas aber richtig adressieren.Ein weiteres Problem: RassistischeÄußerungen vonseiten der AfD werdensalonfähig und sogar medialaufgegriffen. Würdest du eher einenDialog mit der extremen Rechtensuchen oder wäre es besser, diese zuignorieren oder zu bekämpfen?Tahir: Ich persönlich bin derMeinung: Mit Rassisten spricht man nicht,mit ihnen geht man nicht in Verhandlung,man muss sie bekämpfen.Mehr Infos: http://isdonline.de/58
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