08.12.2020 Aufrufe

UNDERDOG #64

Schwerpunkt: Rassismus und Polizeigewalt Rassismus durchdringt verschiedene gesellschaftliche Ebenen, wenn er etwa im Alltag, in den Medien, in der Wissenschaft, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder aber in Polizei und Justiz wirksam wird. Während individueller Rassismus zuweilen thematisiert wird, wird institutioneller Rassismus und somit auch die Wirkmacht des Rassismus weitgehend außer Acht gelassen. Unsere Schwerpunktausgabe will das ändern.

Schwerpunkt: Rassismus und Polizeigewalt
Rassismus durchdringt verschiedene gesellschaftliche Ebenen, wenn er etwa im Alltag, in den Medien, in der Wissenschaft, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder aber in Polizei und Justiz wirksam wird. Während individueller Rassismus zuweilen thematisiert wird, wird institutioneller Rassismus und somit auch die Wirkmacht des Rassismus weitgehend außer Acht gelassen. Unsere Schwerpunktausgabe will das ändern.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Bund e.V.

Opfer häufiger, nicht zuletzt rassistischer

Kontrollen, mit denen sich die Polizei ihre

eigenen Vorurteile immer wieder bestätigt.

Geflüchtete und Migrant*innen, die

bedroht werden, machen auch dann, wenn

sie die Polizei rufen, häufig die Erfahrung,

dass sie nicht beschützt werden: Die Polizei

kommt erst spät und verfolgt anstelle der

Täter diejenigen, die Opfer von Gewalt

geworden sind.

Gerade wenn die Beamten in sozialen

Brennpunkten arbeiten, kann es

bewusst oder unbewusst zu

Stigmatisierungen/Vorurteilen/rassistis

ches Verhalten gegenüber bestimmte

Personenkreise (Clans, Menschen mit

Migrationshintergrund...) kommen.

Bist du davon überzeugt, dass

rassistische Einstellungen im

Arbeitsalltag erworben werden?

Tahir: Ja, das merken wir auch von

den Reaktionen der Polizei. Wenn wir

rassistische Kontrollen und Maßnahmen

ansprechen, wird oft begegnet: „Wir haben

keine Ahnung vom Polizeialltag.“ Wenn wir

aber davon ausgehen, dass die Polizei an

bestimmten Orten eine bestimmte Gruppe

von Menschen kontrolliert, sollten wir uns

doch fragen, woran das liegt. Auf der

anderen Seite führen diese

Verhaltensmuster ja auch zu rassistischen

Vorurteilen, die sich auf eine bestimmte

Personengruppe konzentriert.

Was könnte, ja müsste sich in dieser

Hinsicht und in Bezug auf den

Polizeiapparat ändern?

Tahir: Wir brauchen eine

Überprüfung des demokratischen

Selbstverständnisses in der Polizei, dass

Rassismus im „historischen Bewusstsein“

nicht verschwunden ist. Wir brauchen

Fortbildung, Ausbildung, wo rassistisches

Denken zu adressieren. Und wir brauchen

für die Betroffenen von rassistischer

Gewalt unabhängige Anlauf- und

Beschwerdestellen, mit Kompetenzen und

Mitteln ausgestattet, die gegen Behörden

und Justiz vorgehen können. Das neue

LADG in Berlin ermöglicht das: sowohl

Klagen gegen Behörden Einzelne*r, als

auch die Möglichkeit für Verbände,

Klagerecht zu erhalten. Aber vor allem

brauchen wir eine Überprüfung: Wozu ist

die Polizei eigentlich da? Um Straftaten zu

verhindern und ermitteln, nicht aber, um

Menschen zu Kriminellen zu machen oder

kriminelle Machenschaften nur dann

verfolgen, wenn sie in ein bestimmtes

Raster fallen und bei anderen Sachen

anders reagieren.

Da werden Befugnisse überschritten…

Tahir: Absolut. Die werden in

bestimmte Bereiche überschritten. Das

geht bei den Kontrollen los und hört bei

Mord und deren Vertuschung auf.

Wie so oft, müssen leider erst

tragische Ereignisse herhalten, über

Rassismus zu reden. Auch du bist der

Meinung, dass Rassismus kein

Tabuthema ist. Eine erfreuliche

Entwicklung?

Tahir: Erfreulich würde ich nicht

sagen, aber enorm wichtig. Als wir 1985

gegründet wurden, war das ein absolutes

Tabuthema. Beim Thema „Anti-Schwarzer

Rassismus“ bist du auf Verwunderung

gestoßen. Das hat sich heute stark

verändert. Wir merken auch, dass aus der

jüngeren Schwarzen Bewegung heraus

wissenschaftliche, politische und kulturelle

Bereiche entstanden sind, die sich mit

Rassismus beschäftigen. Aber auch die

Medien sprechen wie jüngst die

rechtsorientierten Anschläge in Hanau von

Rassismus, was vor fünf Jahren noch unter

die

Rubrik

„Menschenfeindlichkeit/Ausländerfeindlich

keit“ abgeheftet worden wäre. In der

öffentlichen Wahrnehmung hat sich was

getan.

Tahir, wie bist du in deinem Alltag mit

Diskriminierungserfahrungen

57

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!