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UNDERDOG #64

Schwerpunkt: Rassismus und Polizeigewalt Rassismus durchdringt verschiedene gesellschaftliche Ebenen, wenn er etwa im Alltag, in den Medien, in der Wissenschaft, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder aber in Polizei und Justiz wirksam wird. Während individueller Rassismus zuweilen thematisiert wird, wird institutioneller Rassismus und somit auch die Wirkmacht des Rassismus weitgehend außer Acht gelassen. Unsere Schwerpunktausgabe will das ändern.

Schwerpunkt: Rassismus und Polizeigewalt
Rassismus durchdringt verschiedene gesellschaftliche Ebenen, wenn er etwa im Alltag, in den Medien, in der Wissenschaft, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder aber in Polizei und Justiz wirksam wird. Während individueller Rassismus zuweilen thematisiert wird, wird institutioneller Rassismus und somit auch die Wirkmacht des Rassismus weitgehend außer Acht gelassen. Unsere Schwerpunktausgabe will das ändern.

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Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Bund e.V.

konfrontiert, und wie gehst du damit

um?

Tahir: Ich bin als Schwarzer

Jugendlicher immer wieder mit Rassismus

konfrontiert gewesen und habe gelernt,

damit umzugehen. Ich habe mir ein paar

Faustregeln erarbeitet. Ich bin also immer

darauf vorbereitet, dass ich latentem und

gewalttätigen Rassismus ausgesetzt bin,

egal, ob im Zug oder wenn ich die Zeitung

aufschlage. Rassismus ist unterschiedlich

ausgeprägt, der von Schwarzen Menschen

auch unterschiedlich wahrgenommen wird,

ist aber fester Bestandteil des Alltags.

Wirst du denn eher zynisch?

Tahir: Ich war vor Kurzem in

Holland. Weil ich mit der einzige im

Supermarkt eine Maske getragen habe,

wussten die anderen, ich bin kein

Einheimischer. Als ich einen anderen

Kunden gefragt habe, wo denn die Milch

sei, hat der sehr freundlich geantwortet:

„Over there!“ Und ich daraufhin: „Danke

schön!“ Worauf er wieder englisch mit mir

gesprochen hat: „You‘re welcome!“ Also, er

hat mit mir – obwohl ich Deutscher bin –

englisch gesprochen, weil er gesehen hat,

dass ich ein Schwarzer bin! Das ist ja noch

eine lustige Geschichte, die aber nicht

darüber hinwegtäuschen soll, dass die

Gewalttaten wesentlich bedeutsamer und

wichtiger sind, zu besprechen, weil es hier

um das eigene Befinden und

Selbstverständnis geht, von der

Gesellschaft angenommen zu werden. Es

gibt in Deutschland keine Pflicht, einen

Ausweis mit sich zu führen und trotzdem

haben Schwarze Menschen und PoC immer

einen Ausweis dabei, um zu vermeiden, bei

Kontrollen auf die Wache mitgenommen zu

werden.

Kann mensch Rassismus auch wieder

verlernen?

Tahir: Klar. Rassismus ist angelernt

oder von Kindesbeinen auf antrainiert.

Genauso kann man es auch wieder

verlernen. Und wir müssen auch lernen,

damit umzugehen, dass wir von Rassismus

geprägt sind. Wo ich wieder auf unseren

Innenminister zurückkommen muss. Dass

wir erst mal das Problem Rassismus

anerkennen. Ich kann Rassismus ja nicht

begegnen, wenn gesagt wird: Es gibt kein

Problem! Dann spare ich mir jede

Auseinandersetzung. Und wir müssen

insgesamt in der Gesellschaft lernen, mit

Rassismus umzugehen. Das muss

umfänglicher stattfinden. Nicht mehr die

offenkundigen Dinge wie: Alle Nazis sind

Glatzen mit Baseballschläger. Es muss klar

werden, dass die gesamte Gesellschaft

davon betroffen ist, durchtränkt ist von

rassistischen Denk- und

Handlungsmustern.

Und immer und überall kontra geben:

in der Familie, im Freundeskreis, auf

der Arbeit…Wie könntest du denn eine

rassismusfreie Gesellschaft vorleben?

Tahir: Ich denke, dass jeder Mensch

in der Gesellschaft eine Verantwortung hat,

mit Ungerechtigkeiten, Ungleichheiten

umzugehen. Genauso hinhören, hinschauen

und Möglichkeiten finden, damit

umzugehen. Eine Faustregel könnte sein:

Ein Problembewusstsein entwickeln und

daraus resultierend, Handlungen

entwickeln. Also, spreche ich das Problem

an oder halte ich die Klappe. Dafür muss

ich nicht zwingend politisch aktiv werden.

Mit einem Problembewusstsein kann ich

das aber richtig adressieren.

Ein weiteres Problem: Rassistische

Äußerungen vonseiten der AfD werden

salonfähig und sogar medial

aufgegriffen. Würdest du eher einen

Dialog mit der extremen Rechten

suchen oder wäre es besser, diese zu

ignorieren oder zu bekämpfen?

Tahir: Ich persönlich bin der

Meinung: Mit Rassisten spricht man nicht,

mit ihnen geht man nicht in Verhandlung,

man muss sie bekämpfen.

Mehr Infos: http://isdonline.de/

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