UNDERDOG #64
Schwerpunkt: Rassismus und Polizeigewalt Rassismus durchdringt verschiedene gesellschaftliche Ebenen, wenn er etwa im Alltag, in den Medien, in der Wissenschaft, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder aber in Polizei und Justiz wirksam wird. Während individueller Rassismus zuweilen thematisiert wird, wird institutioneller Rassismus und somit auch die Wirkmacht des Rassismus weitgehend außer Acht gelassen. Unsere Schwerpunktausgabe will das ändern.
Schwerpunkt: Rassismus und Polizeigewalt
Rassismus durchdringt verschiedene gesellschaftliche Ebenen, wenn er etwa im Alltag, in den Medien, in der Wissenschaft, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder aber in Polizei und Justiz wirksam wird. Während individueller Rassismus zuweilen thematisiert wird, wird institutioneller Rassismus und somit auch die Wirkmacht des Rassismus weitgehend außer Acht gelassen. Unsere Schwerpunktausgabe will das ändern.
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Initiative in Gedenken an Oury Jalloh
kontrolliert und sogar abgeschoben.
Mouctar Bah, dem besten Freund von
Oury, wurde seine Ladenlizenz
abgezogen, sodass er seine
Existenzgrundlage verlor. Zudem wurde
sein Laden sowie seine Wohnung
rechtswidrig geräumnt. Am 7.1.2012
wurde unsere Gedenkdemo in Dessau
von einer Hundertschaft Polizisten
überfallen. Es war eine totale
Traumatisierung für die Menschen, die
Teil der Gedenkdemonstration waren. Im
Anschluss gingen mehrere Strafanzeigen
an die Mitglieder der Initiative raus. So
standen die Mitglieder der Initiative und
deren Unterstützer*innen in den letzten
15 Jahren mehrfach vor Gericht – über
Kriminalisierung wird versucht, uns
unsere Glaubhaftigkeit zu nehmen. Des
Weiteren werden wir überwacht: die
Polizei ist angewiesen, uns gesondert zu
verfolgen, es wurden bis 2013 (eigentlich
bis heute) Überwachungsmappen über
einzelne Mitglieder der Initiative
angefertigt, unsere Telefone werden
überwacht und auch blockiert. Wenn wir
z.B. Mahnwachen organisieren, können
wir nicht mehr über Telefon miteinander
kommunizieren, was auch Einfluss auf
Freund*innen und Aktivisten*innen in
unserem Umfeld hat.
Diffamieren ist eine spezielle Art von
Repression, die wir auch bei anderen
Angehörigen und Initiativen gegen
Polizeigewalt in anderen Ländern
beobachten. Dabei werden die
Familienangehörigen
und
Freunden*innen vor Ort, aber auch jene
in anderen Ländern re-traumatisiert.
Es gibt eine Reihe bekannter
„Ungereimtheiten“. Und: Es geht
hier um eine Kette von Skandalen.
Welche wären das genau?
Ja da gibt es eine ganze Reihe an
Ungereimtheiten:
Vom Feuerzeug habe ich schon erzählt.
Die Tatrotermittlung wurde dahingehend
manipuliert, dass die
Selbstanzündungsthese bereits vor
Untersuchung/Betreten des Tatorts
angenommen wurde, kein
Brandsachverständiger hinzugezogen
wurde, die Dokumentation der
Tatortbegehung vorzeitig abbricht,
Brandschuttbestände nur teilweise
asserviert wurden.
Auch in der Gerichtsmedizin wurden die
Berichte manipuliert, wie wir erst 2015 –
als wir die Autopsiebilder von einem
unabhängigen Gutachter in Kanada
überprüfen ließen – fehlt komplett die
Dokumentation über den Zustand der
Luftröhre – dem Organ, mittels welchem
festgestellt werden kann, ob Oury
wirklich an einem inhalativen
Hitzeschock verstorben ist oder ob er
nicht bereits vorher schon tot war.
Zudem wurden Polizisten als Zeugen und
nicht als mutmaßliche Mörder befragt, es
gibt Hinweise auf Tatverdächtige, denen
nicht nachgegangen wird und
Widersprüchlichkeiten in den
Zeugenaussagen werden nicht
berücksichtigt. Auf unserer Webseite
haben wir alle Fakten transparent für die
Öffentlichkeit bereitgestellt.
Gerade weil es all diese Ungereimtheiten
gibt, versuchen wir diese faktisch zu
widerlegen. Wir führen selbstorganisiert
und unabhängig zusammen mit
Expert*innen Ermittlungsarbeiten durch.
Wir gehen allen Ungereimtheiten nach
und versuchen dann, diese faktisch
aufzuarbeiten, so zum Beispiel die
Rekonstruktion des Brandbildes, welches
durch unsere 2013 in Irland
selbstorganisierten und mit einem
unabhängigen Brandsachverständigen
durchgeführten Brandversuche belegt
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